Microsites als seriöse Werbeplattform

Microsites bieten eine ideale Plattform zur Darstellung komplexer Produkte. Das beste an ihnen: Der Kontaktpreis ist sensationell niedrig, vorausgesetzt der Geschmack der Leser bestimmt den Inhalt. Ein Beispielprojekt bei Siemens zeigt, was zu beachten war.

Fakten sind in der Regel gute Nachrichten. Um so mehr eignet sich ihre Verbreitung zur Vertriebsunterstützung. Wer allerdings wie Siemens ICN Telekommunikationsausrüstungen für Carrier zu bieten hat, gewinnt mit seinen guten Nachrichten nicht überall den begehrten Blumentopf. Der Grund: Für den Themenkomplex Carrier-Ausrüstungen interessieren sich weltweit etwa 30.000 Menschen. Die Zielgruppe ist also sehr klein und darüber hinaus auch noch über den gesamten Globus verteilt. Auf den ersten Blick lässt sie sich also nicht mittels eines Mediums erreichen.

Werbung als Anti-Werbung
Allerdings besitzt die Zielgruppe zwei Charakteristika, die sie aus der Sicht des Marketing auszeichnet. Erstens haben fast alle Entscheidungsträger bei den potenziellen und derzeitigen Kunden Zugriff aufs Internet und zweitens ist Englisch als Geschäftssprache fest etabliert. Nun surfen nicht alle derzeitigen und künftigen Kunden regelmäßig auf den Siemens-Sites, was sich vielleicht noch durch gezielte Maßnahmen wie Bannerschaltung ändern ließe. Aber allein die Tatsache dass Informationen von Siemens auf einer Siemens-Site zu finden sind, lässt vermuten, dass die Zielgruppe das Angebot mit dem Argument „ist ja doch auch nur Werbung“ nicht ernstnehmen würde.

Microsites als Alternative
Die Lösung dieses Dilemmas besteht darin, das Informationsangebot an eine Site zu koppeln, die die Zielgruppe erreicht und Glaubwürdigkeit vermittelt – im Jargon Microsite genannt. Im Fall von Siemens ICN ist die Wahl auf die Site totaltele.com gefallen. Die Site wird von dem englischen Fachverlag Emap betrieben und wendet sich ausschließlich an Carrier und Internet Service Provider. Streuverluste sind hier gering, da Begriffe wie Router, IP, Switch, Multiplexer, ITU und SS7 alle nicht zur Zielgruppe gehörigen Surfer derart verschrecken, dass sie sich schnell zu anderen Ufern aufmachen. Nur wer zur Zielgruppe gehört, wird totaltele.com schätzen und die Informationen als Bereicherung erfahren.

Substanzielle Texte
Die Inhalte von totaltele.com werden von Journalisten recherchiert und geschrieben. Das garantiert Glaubwürdigkeit und Qualität, die immerhin 70 000 Anwender monatlich durch regelmäßige Besuche auf der Site goutieren. Für das Siemens-Projekt, das sich dem Thema IP-Konvergenz gewidmet hat, hieß das: freiwillige Selbstbeschränkung (Informationen – kein Marketing-Blasen) und Qualität in Inhalt und Stil. Ziel war es, Siemens ICN als kompetenten und innovativen Partner zu präsentieren sowie die Ansichten des Unternehmens zu IP-Konvergenz darzustellen. Um so wichtiger war es, vor allem von der Glaubwürdigkeit der Site zu profitieren.

Ehrlichkeit währt am längsten
Die Inhalte der Microsite – in diesem Fall Texte – sind von freien Autoren, die normalerweise als Journalisten arbeiten, recherchiert und geschrieben worden. Um Siemens ICN Raum zur Darstellung zu geben, gab es lediglich die Auflage auch bei Siemens ICN zu recherchieren. Außerdem wurde die Texte erst nach einer politischen Freigabe freigeschaltet.
Die Microsite ließ sich über die Homepage von totaltele.com via eines Buttons erreichen. Nach einem Klick darauf erwarteten den Besucher etwa zehn Beiträge, die sich eingehend mit verschiedenen Aspekten der IP-Konvergenz beschäftigten. Keinesfalls war gewünscht die Zielgruppe zu täuschen und den Anschein zu erwecken, der Leser habe es mit Beiträgen zu tun, die in der redaktionellen Routine erscheinen. Deshalb war der Button mit dem Hinweise „sponsored by Siemens“ versehen.

Gutes Kosten-/Nutzenverhältnis
Insgesamt haben mehr als 18.000 Besucher die Site besucht. Das ergab letztlich einen Kontaktpreis von etwa 5,50 Mark, was sensationell niedrig ist. Ein qualifizierter CeBIT-Kontakt ist in der Regel nicht unter 1000 Mark zu haben. Dass die Inhalte den Geschmack der Zielgruppe getroffen haben, ist bei einer durchschnittlichen Verweildauer von knapp neun Minuten unstrittig. Wer solange bleibt, interessiert sich auch für das, was geboten wird. Außerdem lässt sich an der IP-Nummer des Surfers feststellen, von welchem Land aus er auf das Angebot zugreift. Diese Methode ist zwar nicht 100 Prozent sicher, vermittelt aber einen Eindruck. Die Microsite von Siemens ICN – obwohl in England beheimatet – zog internationales Publikum an: aus den USA, Singapur, Frankreich, Schweden, um nur einige Länder zu nennen.

Bewerbung der Microsite
Die Microsite von Siemens ICN ist ein voller Erfolg und wird konzeptionell fortgesetzt. Um diesen Erfolg zu erzielen, sind allerdings begleitende Marketingmaßnahmen nötig. Immer wieder und auf unterschiedlichen Wegen muss das Angebot beworben werden. Das kann beispielsweise mittels Bannerschaltung oder durch elektronische Newsletter geschehen, in denen unter anderem auf die Microsite verwiesen wird. Außerdem ist es sinnvoll, die Microsite kontinuierlich mit neuen Angeboten zu beleben, denn an Seiten, die sich nie verändern, erlahmt das Interesse schnell.

Preise sind Verhandlungssache
Die Vertragsverhandlungen zu Microsites erweisen sich als heikel, weil Standards fehlen. Jeder Punkt muss einzeln verhandelt werden. Beispielsweise ist es sinnvoll der Frage nach den Rechten an den Inhalten gebührenden Platz einzuräumen, sofern der Content nicht durch das auftraggebende Unternehmen komplett gestellt wird. Wer das versäumt, muss mit hohen Lizenzgebühren rechnen, die er im Nachhinein zahlt.
Wenig transparent ist die Preisgestaltung. In der Regel nennen die Auftragnehmer einen Preis – zumeist eine erschreckend hohe Summe – ohne die Leistungen zu spezifizieren. Die ergeben sich erst während der Vertragsverhandlungen. Daher lassen sich Angebote unterschiedlicher Web-Site-Betreiber im Rahmen einer Ausschreibung kaum vergleichen.
Denkbar wäre es, dem Web-Site-Betreiber ein Bonussystem vorzuschlagen. Er erhält eine Summe, um im wesentlichen seine Kosten zu decken und anschließend eine Gebühr für jeden Zugriff. Das motiviert den Betreiber, Aktionen zum Bewerben der Site zu starten und garantiert dem Kunden, dass seine Microsite besucht wird.
Microsites stellen keine Alternative zu eigenen Web-Angeboten oder der Präsenz in Printmedien dar. Sie sind vielmehr eine Ergänzung, die ganz eigene Potenziale besitzt.


Autor: Ute Ritter, Projektmanager bei Siemens ICN.
eingestellt am 30. April 2001