Dank Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) und künstlicher Intelligenz (KI) verschmilzt die digitale mit immer mehr Elementen der physischen Welt. Milliarden Menschen sollen schon bald auf eine völlig neue Art und Weise zusammenarbeiten, spielen und Kontakte knüpfen. Somit stellt das Metaverse die nächste Evolutionsstufe der Digitalisierung dar. „Es wäre grundverkehrt, das Metaverse als einen Hype abzutun, der bald wieder vorbei ist”, sagt Sebastian Klöß, Metaversum-Experte beim Digitalverband Bitkom. „Als logische nächste Stufe des Internets in 3D wird es so wenig verschwinden, wie das Internet als Ganzes in den vergangenen Jahrzehnten wieder verschwunden ist oder wie Social Media nur eine Eintagsfliege war.“
Für Unternehmen birgt das Metaverse ein enormes Potenzial: Die Arbeitsproduktivität kann verbessert werden, indem es Angestellten ermöglicht wird, in virtuellen Umgebungen zu trainieren oder zu arbeiten. Und der Boom dezentralisierter digitaler Finanztechnologien inspiriert zu neuen Geschäftsmodellen. Das Technik- und Forschungsportal EarthWeb.com prognostiziert dem Metaverse bereits bis 2024 einen Marktwert von 708 Milliarden US-Dollar. Und Meta-CEO Mark Zuckerberg stellt bis 2030 eine Milliarde Nutzer*innen in Aussicht. „Das Metaverse hat das Potenzial, eine neue Art der Kundenbindung zu ermöglichen und neue Kundengruppen für sich zu gewinnen“, so Klöß.
Metaverse benötigt eine 1.000-fache Steigerung der Rechenleistung
All diese optimistischen Prognosen ignorieren einen potenziellen Nachteil des Metaversums: die Auswirkungen auf die Umwelt. Die Rechenzentren, die für den Betrieb erforderlich sind, könnten schon bald einen massiven Energieverbrauch aufweisen.
Der Halbleiterhersteller Intel geht davon aus, dass eine 1.000-fache Steigerung der Leistung gegenüber unserer derzeitigen kollektiven Rechenkapazität notwendig wäre, um „wirklich persistentes und immersives Computing in großem Maßstab zugänglich zu machen und für Milliarden Menschen mit Strom zu versorgen“.
Einige Analysten befürchten, dass das Metaverse zu einem erheblichen Anstieg der Emissionen führen könnte. Laut einem Bericht des Beratungsunternehmens für digitale Transformation ECS kann das Training eines einzelnen KI-Modells etwa 284.000 Kilogramm Kohlendioxid erzeugen, was mehr als das Fünffache dessen darstellt, was ein durchschnittliches Auto während seiner kompletten Nutzungsdauer verbraucht.
Auch Cloud-Dienste sind für VR und damit für das Metaverse unerlässlich. Laut einer Analyse von Wissenschaftler*innen der Lancaster University wird ein Szenario, in dem 30 Prozent der Spieler bis 2030 auf Cloud-Gaming-Plattformen umgestiegen sind, zu einem Anstieg der CO2-Emissionen um 30 Prozent gegenüber dem derzeitigen Gaming führen.
„Die Auswirkungen des Metaversums auf den Energieverbrauch lassen sich derzeit angesichts der jungen Technologie und der kurzen Innovationszyklen nicht seriös abschätzen“, sagt hingegen Metaversum-Experte Klöß. Wie schwierig eine Prognose sei, zeige ein Blick auf die Energiebilanz von Rechenzentren. „Während deren Kapazitäten gemessen an der IT-Leistung von 2010 bis 2020 bereits um 84 Prozent gestiegen sind, werden sie in den Folgejahren bis 2025 voraussichtlich noch einmal um rund 30 Prozent anwachsen.“ Zugleich habe sich der Energiebedarf deutscher Rechenzentren und kleinerer IT-Installationen von 2010 bis 2020 lediglich von 10,5 auf 16 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr gesteigert. Das entspreche einem Anteil von 0,6 Prozent am Gesamtenergieverbrauch in Deutschland 2020.
Neben dem Energiebedarf ist auch die Effizienz der Rechenzentren gestiegen. Die dort installierte Rechenkapazität hat sich pro verbrauchter Kilowattstunde Strom seit 2010 fast verfünffacht. Dazu kommt, dass die Auswirkungen auf das Klima nicht nur vom Energieverbrauch abhängen, sondern vor allem vom Energiemix.
An einem grüneren Metaverse wird bereits gebastelt
Derzeit lässt vor allem das Proof-of-Stake-Verfahren (PoS) auf eine umweltfreundlichere Zukunft des Metaversums hoffen. Es soll das derzeitige energieintensive Proof of Work (PoW) ablösen. PoS wird im Ethereum-Netzwerk als „ETH 2.0“ entwickelt und soll eine Energieeffizienz von 99 Prozent aufweisen. „Mit PoS lässt sich der Energieverbrauch gegenüber PoW drastisch senken, weil deutlich weniger Rechenleistung notwendig ist“, so Klöß. Geschäftsreisen entfallen dank virtueller Treffen, Handelstransaktionen können papierlos durchgeführt werden, durch Blockchain werden komplexe (Infra-)Strukturen vereinfacht. Das alles spart Energie und Kosten. „Künftig lässt sich womöglich eine Vielzahl von Tätigkeiten virtuell ausführen. Das kann von der Planung über die Konstruktion bis hin zur Wartung von Maschinen reichen. Es lässt sich daher heute noch kaum abschätzen, wie das Metaverse unser Leben verändern wird“, sagt Klöß. Dennoch ist sein Ausblick auf die Zukunft auch in Sachen Nachhaltigkeit ein positiver: „Am Ende könnten die Einsparungen nicht nur den Energieverbrauch der Technologie ausgleichen, sondern sogar noch viel höher sein.“