Merz b. Schwanen expandiert in den USA 

Am 14. August startet die dritte Staffel von „The Bear – King of the Kitchen“. Der heimliche Star der preisgekrönten Disney+-Serie – zumindest aus Marketing-Sicht – ist ein weißes T-Shirt des Berliner Familienunternehmens Merz b. Schwanen. Wie der internationale Durchbruch gelang und was die Marke 2024 noch vorhat.
FX's THE BEAR "System" (Airs Thursday, June 23) Pictured: Jeremy Allen White as Carmen 'Carmy' Berzatto. CR: Matt Dinerstein/FX
Chefkoch Carmen „Carmy“ Berzatto aus der Erfolgsserie “The Bear – King of the Kitchen” in einem weißen T-Shirt des Berliner Familienunternehmens Merz b. Schwanen. Das Modell heißt 215. (© Disney)

Ab heute heißt es wieder „Yes, chef“, denn an diesem Mittwoch feiert die dritte Staffel der temporeichen und wortgewaltigen US-Erfolgsserie „The Bear“ Deutschlandpremiere. Und immer – zumindest fast immer –, wenn Jeremy Allen White alias Carmen „Carmy“ Berzatto im Bild zu sehen ist, wird er ein ganz bestimmtes weißes T-Shirt tragen: Es handelt sich um das 215 Men‘s Loopwheeled T-Shirt, 245g/qm2 classic fit des Berliner Labels Merz b. Schwanen. 

Wochenlang wurde im Internet wie besessen darüber gerätselt, von wem Carmys T-Shirt sein könnte. Bis die Kostümdesignerinnen der Show, Christina Spiridakis und Courtney Wheeler, das Geheimnis in einem Reddit-Forum preisgaben und einen regelrechten Run auf den Onlineshop von Merz b. Schwanen und seine Retailer auslösten. Im wahrsten Sinne des Wortes war über Nacht alles restlos ausverkauft. 

(©Screenshot Merz b. Schwanen)

In Berlin war man zunächst verwirrt und vermutete ein IT-Problem. Steckte ein Hackerangriff dahinter? War das Lager down? Marketingmanager Nicolas Morales erinnert sich: „Niemand von uns kannte ‘The Bear’, es lief bis dato nur in den USA.” Erst nach knapp einer Woche kommen sie der Sache auf die Spur; die anfängliche Sorge weicht großer Freude, als sie verstehen, was da eigentlich passiert ist – und wie viele Millionen Werbebudget sie das gekostet hätte. “Solch ein Marketing-Coup ist ein großes Geschenk. Man kann das nicht planen.“

Wartezeit von 12.000 Bestellungen für das 215 

Seitdem ist das klassisch geschnittene Rundhalsausschnitt-Shirt aus rundgewirkter Bio-Baumwolle zum Bestseller avanciert und in allen Farben fast immer ausverkauft. Für das weiße 215 gibt es eine Warteliste von derzeit rund 12.000 Bestellungen. 

Um das einmal in Kontext zu setzen: Auf der Schwäbischen Alb stehen 32 Original-Rundwirkmaschinen, die täglich zwischen zwölf und 13 Stunden laufen. Geht eine Maschine kaputt, muss sie aufwendig repariert werden. Da es die einzig verbliebenen Loopwheeler in ganz Europa sind, kann die Produktion weder hochgefahren noch können Ersatzteile einfach im nächstgelegenen Baumarkt besorgt werden. Sie müssen aufwändig nachgebaut werden. Dazu kommt, dass die T-Shirts nicht am Fließband, sondern von Näher*innen gefertigt werden. Rund 50 bis 60 Minuten fließen in die Herstellung eines einzelnen T-Shirts. Das macht eine Wartezeit von mehreren Jahren, kein Tippfehler. 

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Der Kult um das T-Shirt hat die Merz b. Schwanen schlagartig bekannt gemacht. Inzwischen gehören Bestellungen aus Australien, Brasilien und Südkorea zum Daily Business. Neben dem 2022 eröffneten Laden in Berlin Mitte gibt es seit Anfang März dieses Jahres auch eine Filiale in der Canal Street in New York, die laut Marketingmanager Morales nicht der letzte in den USA sein soll. Als wir mit ihm sprechen, ist er gerade in Soho. Dazu später mehr. 

Das Motto von Merz b. Schwanen: „The good basics“ 

Pascal Bünning - Pascal Buenning
Nicolas Morales ist der Marketingmanager von Merz b. Schwanen. (©Merz b. Schwanen)

Zuerst ein kurzer Blick zurück: 1911 von Balthasar Merz als „Balthasar Merz beim Schwanen“ in Albstadt auf der Schwäbischen Alb gegründet, verschwindet die Marke 2008 von der Bildfläche. Bis das Ehepaar Peter und Gitta Plotnicki auf dem Berliner Mauerpark Flohmarkt ein 90 Jahre altes Henley in die Hände fällt. Sie sind begeistert von der Qualität und der Verarbeitung – und nehmen Kontakt mit der Gründerfamilie auf. 2011 übernehmen der Herrenschneider und die Designerin die Marke. Sie holen viele der Arbeiter*innen zurück, nehmen die Maschinen wieder in Betrieb und konzentrieren sich auf die Produktion von „guten“, sprich: nachhaltigen Basics. Darauf ist man bei Merz b. Schwanen sehr stolz. 

Neben dem Henley und dem ikonischen weißen T-Shirt aus „The Bear“ umfasst das Sortiment zahlreiche weitere Oberteile, darunter Longsleeves, Hemden und Sweatshirts. Auch Hosen, Unterwäsche, Caps und sogar Schuhe kann man im Onlineshop, in den eigenen Geschäften und bei ausgewählten Partnern kaufen. Viele Kollektionsteile sind Unisex. 

„Die Menschen sind oft erstaunt, was wir alles im Angebot haben”, sagt Morales. “Über die persönlichen Begegnungen in unseren Geschäften können wir tiefere Beziehungen zu unseren Kund*innen schaffen. In den Shops können die Leute die Qualität der Ware fühlen und erfahren, wofür die Marke steht.“ 


Nachhaltig aus Überzeugung 

Der durchschnittliche Warenkorb hat einen Wert von rund 150 Euro, sagt er. Oft liege er aber deutlich darüber. Internationale Kund*innen würden häufig für über 250 Euro einkaufen, um vom kostenlosen internationalen Versand zu profitieren. Das beste Verkaufsargument: der Fokus auf höchste Qualität im gesamten Fertigungsprozess. Die Bio-Baumwolle stammt mehrheitlich aus Griechenland, gefertigt wird neben der Wirkerei auf der schwäbischen Alb auch in ausgewählten Fabriken in Portugal, gefärbt werden die Textilien mit Lebensmittelabfällen. Für die Langlebigkeit der Produkte und das gute Gefühl, sie zu tragen, nehme man auch eine geringere Marge in Kauf, so der Marketingmanager: “Es geht um die Erfahrung, die Kund*innen beim Tragen unserer Stoffe machen.” Diese Entscheidung könne man in ihrer Klarheit und Radikalität nur treffen, weil bis heute kein Fremdkapital im Unternehmen stecke. 

Ein weiterer USP, der Merz b. Schwanen in die Karten spielt, sind die Maschinen, die ihres Wissens weltweit keine andere Marke besitzt. Morales: “In Japan gibt es eine Firma, die Loopwheeler für Auftragsproduktionen vermietet. Dahinter steckt keine Marke wie bei uns.” 

Merz b. Schwanen expandiert weiter 

Die Marke hat sich für 2024 große Pläne gesteckt. Eine neue Partnerschaft mit niemand geringerem als dem Luxuskaufhaus Nordstrom steckt in den Startlöchern: In 16 Filialen wird es die Premium-Produkte von Merz b. Schwanen ab Ende August geben. “Uns war es immer wichtig, dass wir organisch wachsen”, so Morales. 

Das gelte auch für die Zusammenarbeit mit Influencer*innen, am Anfang stehe immer die Frage, ob diese ein wirkliches Interesse an der Marke haben: “Influencer*innen in den USA sind es gewohnt, tausende Sendungen pro Monat zu erhalten. Wir wollen da nicht mitmachen. Wir suchen nach Personen, die eine echte Leidenschaft für das Produkt mitbringen.” In Deutschland arbeitet die Marke mit zehn bis fünfzehn Influencer*innen zusammen, in den USA sind zwischen 40 und 50 Personen. 

Der Kreis schließt sich: das neue 2M15 

Was viele Fans von „The Bear“ nicht wissen: Carmy Berzatto trägt zwar das 215, aber nicht von der Stange. Es wurde für ihn verkürzt und enger gemacht. Inspiriert von der Hauptfigur aus “The Bear” bringt Merz b. Schwanen nun eine überarbeitete Version des ikonischen T-Shirts auf den Markt: Das 2M15 ist etwas weiter an den Schultern und etwas enger am Torso – und kann “ein bisschen schneller produziert werden”, erklärt Morales. Ob es auch bald ausverkauft sein wird? Ich würde es nicht ausschließen. 

(ccm, Jahrgang 1984) ist seit Oktober 2021 Chefredakteurin der absatzwirtschaft. Neben der Weiterentwicklung der journalistischen Marke verantwortet sie die crossmediale Themenplanung sowie die Konzeption und Pilotierung neuer Formate mit Schwerpunkt Digital Storytelling. Aufgewachsen zwischen Südamerika und Deutschland lebt sie aktuell mit Freund und Kater in Köln.