Die Ausgaben der Marken-Unternehmen für Influencer Marketing und Social Media sind über die vergangenen Jahre hinweg exponentiell angestiegen. „Dem Thema wird immer mehr Bedeutung beigemessen und die Unternehmen geben viel mehr Geld dafür aus“, sagt Sven Jung, Director Economic Analysis & Financial Planning Handelsblatt Research Institute (HRI), zur Einführung des Panels „Das Wachstum der Creator Economy: Wie Influencer die Unternehmenskommunikation prägen“.
Die Creator Economy sei mittlerweile zu einem Wirtschaftsfaktor angewachsen, der 2023 einen weltweiten Wert von 250 Milliarden US-Dollar umfasste, so der Daten-Experte. In Deutschland würden sich bereits 23 Prozent der Bevölkerung als Creator verstehen.
Marken sollten aus gewohnten Mustern ausbrechen
Die Moderator*innen, absatzwirtschaft-Chefredakteurin Christa Catharina Müller und Redakteur Andreas Marx, sprachen anschließend mit drei Expert*innen über das Thema. „Die Creator Economy hat grundlegend verändert, wie Marken und Menschen miteinander interagieren“, sagt Marx. In der Vielfalt der Kanäle, Themen und Creator die richtige Person für eine Kooperation zu finden, sei extrem schwierig für Marken.
Einen Tipp hat Hans Neubert, Vorstandsvorsitzender der Bundesgesellschaft für digitale Medien: „Marken dürfen nicht einfach weiter wie gewohnt agieren.“ Früher habe man eine große Kampagne gemacht und dann aus dem TV-Spot kleine Snippets für digital herausgenommen. „
Das funktioniert nicht mehr“, so Neubert. „Einen Podcast bespiele ich komplett anders als YouTube oder TikTok.“ Großes Potenzial sieht er vor allem beim Thema Live-Shopping: „In den USA hat in diesem Jahr eine vierstündiges Live-Shopping-Event zum ersten Mal die Eine-Millionen-Dollar-Umsatz-Marke geknackt.“ In diesem Bereich könnten sich Marken einen komplett neuen Vertriebskanal erschließen.
Einen weiteren Trend sieht Neubert in „geschlossenen Räumen auf öffentlichen Plattformen“. Dabei tauschen sich Menschen in einem bestimmten Kanal zu einem Interessensgebiet mit Gleichgesinnten aus. Als Beispiele nennt er WhatsApp-Channels und Facebook-Gruppen, die wieder relevanter würden. Die Thermomix-Facebook-Gruppe sei derzeit einer der erfolgreichsten Social-Commerce-Cases in Deutschland.
Hans Neubert beschreibt ein Dilemma der Branche: „Die Macht von Social Media wird nach wie vor unterschätzt. Im Media-Mix spielt es immer noch eine vergleichsweise kleine Rolle. Dabei sind die Unternehmen, die es anders machen, nachgewiesen erfolgreicher.“
Zu diesen Social-Media-Vorreitern gehört auch Hitschler mit mittlerweile 800.000 Followern über alle Kanäle hinweg. Was das fast 100-jährige Familienunternehmen dazu bewogen hat, auf die sozialen Medien zu setzen, erläutert Julia Winkler, Head of E-Commerce & Digital bei Hitschler. Ihr Ur-Großvater hat das Unternehmen 1929 gegründet, ihr älterer Bruder Philip Hitschler-Becker führt es mittlerweile in vierter Generation. Als er 2017 gestartet ist, habe sich das Unternehmen in einer wirtschaftlichen Schieflage befunden: „Not macht erfinderisch. Wir haben gesagt: Das Unternehmen braucht ein Gesicht, denn Menschen folgen Menschen.“
Heute ist der junge Chef der erste Markenbotschafter der Marke Hitschies und des Familienunternehmens mit einer enormen Präsenz und Reichweite in den digitalen Kanälen. „Wir setzen Trends auf TikTok, aus denen in kürzester Zeit komplett neue Produkte entstehen“, sagt Winkler. Der Erfolg habe schließlich auch ihre Mutter von der Macht von Social Media überzeugt.
Auf die Frage von absatzwirtschaft-Chefredakteurin Christa Catharina Müller, ob Julia Winkler darüber nachgedacht hat, selbst das Gesicht der Marke Hitschies zu werden, entgegnete diese: „Ich bin sehr viel mehr als Philip im Tagesgeschäft eingebunden und steuere das Unternehmen intern, wenn er unterwegs ist. Aber auch ich bin immer präsenter auf LinkedIn.“
LinkedIn als Rekrutierungsplattform
Damit war die Brücke für die dritte Expertin auf dem Podium geschlagen: Jule Peters, Content Ceator & Project Manager bei The People Branding Company. Die Agentur betreut Personen und Unternehmen auf LinkedIn, verhilft ihnen zu mehr Sichtbarkeit und macht Mitarbeitende und Führungskräfte dadurch zu Markenbotschaftern. „Das Thema Personal Branding ist keine kurzfristige Marketingkampagne, sondern sollte im Idealfall eine nachhaltige und langfristige Unternehmenskommunikationsmaßnahme sein“, sagt Peters.
Sie nennt als Beispiel Mann+Hummel. Für eine Recruiting-Kampagne des Mittelständlers hat die Agentur in drei Monaten 15 Mitarbeitende zu Markenbotschaftern ausgebildet und mit ihnen in dieser Zeit knapp eine Million Impressionen generiert, was am Ende auch zu einer Einstellung geführt habe.
Zum Abschluss will Christa Catharina Müller von den drei Expert*innen noch eine kurze Trendvorschau für 2025 wissen: „Der TikTok-Shop wird nächstes Jahr kommen und ein starkes Thema werden“, sagt Julia Winkler. Für Jule Peters ist es die Überschneidung von popkulturellen Ereignissen mit Content Creation und für Hans Neubert das Thema Politisierung: „Man muss als Marke eine Meinung haben und diese auch vertreten.“