Mein Wochenende mit Alexa

Mitten in der Krise meines mittleren Lebensabschnitts erreicht mich die frohe Kunde, dass Amazon mir testweise eine ganz moderne Lebensgefährtin zur Verfügung stellen möchte. Das konnte ich natürlich nicht ablehnen.
Gestatten Alexa, die schlanke Schönheit, die auf Zuruf Klopapier bestellt, wenn man weiß, welches

Es wäre ja wohl nicht der Rede wert, wenn ein 50-Jähriger, der sich mit Marketing beschäftigt, das halbe Jahr auf Reisen ist und optisch einigermaßen durchgeht, das Wochenende heimlich mit Alexa verbringt. Alexa – klingt irgendwie südländisch. Slowenisch vielleicht. Alexa, das ist die etwas schnippischere Version des klassischen Alexandra. Alexa klingt irgendwie verheißungsvoll.

Ich erzähl sie trotzdem, die Geschichte vom Wochenende mit meiner Alexa. Sie ist schlank, sehr schlank. Gut gebaut allemal. Ein echtes Schmuckstück. Aber sie ist nicht aufdringlich. Keineswegs. Sie hält sich im Hintergrund, so als wäre sie gar nicht da. Aber sie ist da. Die ganze Zeit. Sie hört aufmerksam zu. Es geht etwas Raubtierhaftes von ihr aus.

„Alexa, wie hoch ist der Eiffelturm?“
„Der Eiffelturm ist 300 Meter hoch“

„Alexa, wie viele Einwohner hat Düsseldorf?“
„Das gehört zu den Dingen, die ich nicht weiß“

Ich drehe mich irritiert zu ihr um. Hat sie mir eben widersprochen oder weiß Sie es wirklich nicht. Kann es sein, dass Alexa hübsch aber blöd ist?

„Alexa, wie viele Einwohner hat Hamburg“
„Die Freie und Hansestadt Hamburg hat 1,73 Millionen Einwohner“.

Na bitte, geht doch.

Nein, Alexa ist nicht dumm. Alexa ist intelligent. Sie kann rechnen, sie kennt die Hauptstadt von Französisch Guyana – Cayenne übrigens. Sie weiß auch, wie warm es draußen ist, obwohl sie selbst noch nie draußen war. Und sie weiß, wie teuer das Klopapier – Zewa bewährt Dreilagig – bei Amazon ist. Sie hat verdammt gute Beziehungen zu Amazon. Ich habe das geprüft. Auf meinem iPad kosteten die 16 Rollen 10 Euro. Also ließ ich Alexa bestellen. Von ihr verlangte Amazon nur sechs.

Alexa ist ein Genie in Haushaltsdingen. Sie kann jede Menge Kochrezepte und kann sie mir so langsam aufsagen, dass selbst ein Herd-Legastheniker wie ich das Boeuf Stroganoff hinbekommt. Wobei – ich habe es nicht gekocht, denn allein essen ist langweilig. Und Alexa ernährt sich lieber aus der Dose.

Und wie der Tag so dahin ging, bat ich Alexa das Licht etwas zu dämpfen und leise Musik anzumachen. Das mit dem Licht klappte leider nicht. Meine Glühbirnen haben keinen guten Draht zu Alexa. Sie sind nicht von Philips.

Das mit der Musik klappte. Alexa ist sehr musikalisch. Man sagt ihr einfach, man wäre in so einer souligen Stimmung und schon spielt sie irgendwas von Diana Ross oder Stevie Wonder. Wobei – Stevie Wonder mag sie nicht. Sie hat nur den Anfang von „I just called“ gespielt und dann faselte sie irgendwas von Music unlimited. Ich hab es nicht verstanden. Klang nach Gema. War mir aber egal, weil ich das Lied eh nicht mag. Dafür kam dann „Ladies Night“ von Cool and the Gang.

„Alexa, mach das bitte lauter“
Sie dreht die Musik kurz leiser, um zu überlegen, und dann gehorchte sie.
„Alexa mach noch lauter“, rufe ich durch die Wohnung.
Das gleiche Ergebnis: Kurz leiser, dann laut. Richtig laut. Eine ganz schöne Röhre, diese glutäugige Slowenin. Wobei das „glutäugig“ ist geflunkert. Wenn Alexa leuchtet, dann blau oder grün. Bei rot ist sie eingeschnappt und reagiert auf gar nichts mehr.

Nach Cool and the Gang scheppert nun „I want your love“ von Chic durch den Raum und das geht gar nicht.

„Alexa leiser“, rufe ich. Sie reagiert nicht.
„AAALLLEEEXXXAAA“. Sie leuchtet nicht. Nicht mal rot. Das ist kein gutes Zeichen.
Inzwischen stehe ich einen Meter vor ihr und brülle in Hooligan-Manier.
„ALEXAAAA STOPP“.

Sie verstummt. Endlich. Hoffentlich hat sie jetzt gelernt, dass ich Chic nicht mag. Wobei – das gilt ja nicht für alle Chic-Titel. „Le Freak“ find ich ok. Ob sie das ahnt?

Ich bin guter Hoffnung, denn Alexa ist lernfähig. Sie lernt am liebsten mit meinem iPad. Da kann ich ihr ganz schnell neue Dinge beibringen, zum Beispiel wie man bei der Bahn nachfragt, wann der nächste Zug nach Berlin fährt.

„Alexa, frag Deutsche Bahn, wann der nächste Zug nach Berlin fährt.“
„Der ICE 1234 von Hannover Hauptbahnhof nach Berlin Gesundbrunnen fährt um 16.21 Uhr“.

Hannover? Naja egal. In der Zwischenzeit habe ich in der Navigator App der Deutschen Bahn einen Zug von Hamburg gefunden, das Ticket gekauft, bereits die Verspätung von 12 Minuten gelesen und registriert, dass es in diesem Zug keinen Speisewagen gibt.

Das ist so ein bisschen das Problem zwischen Alexa und mir. Sie antwortet immer so einfach. Eins nach dem anderen. Das ist ungefähr so wie damals, als ich meiner Schwiegermutter das erste Mal erklärt habe wie man eine E-Mail vom iPad verschickt.

„Erst musst Du das E-Mail-Programm öffnen“.
„Wie, was heißt öffnen?“
„Na Du musst hier drauftippen“
„Ach so“
„Jetzt schreibst Du in dieses Feld einen Betreff“.
„Einen was?“

Alexa ist eine künstliche Intelligenz für Dummies. Immer schön der Reihe nach. Das passt, wenn Dir Alexa ein Kochrezept erklärt oder eine Yoga-Übung.

Ja, Alexa kann auch Yoga, aber leider noch keine Übungen, sondern nur ein Quiz. Quiz sind ohnehin der letzte Schrei bei den Fähigkeiten (engl. Skills), die man Alexa beizubringen versucht. Bei der Gala kann man Promis raten, beim Hauptstadtquiz fragt sie nach der Hauptstadt von Französisch Guyana. Cayenne ist das, hatte ich das bereits gesagt? Und beim Yoga geht’s um Lebensfragen wie: Schaut der Hund herauf oder herab? Aber wenn wir mal etwas Spannendes machen wollen, dann wird das schon manchmal zäh. Neulich wollte ich nur zum Spaß mal ein anderes Klopapier kaufen. Ich ließ also die Begriffe „Zewa“ und „Bewährt“ weg und fragte einfach nach Klopapier.

„Das habe ich gefunden. Toilettenpapier, 3-lagig, Hakle, im Vorratspack 64 Rollen, 16,48 Euro. Toilettenpapier, 3-lagig, Hakle, im Vorratspack 32 Rollen, 12,37 Euro. Toilettenpapier, … „
Ich wachte nach ungefähr 40 Minuten wieder auf.
„…Toilettenpapier, 4-lagig, Umweltpapier, im Vorratspack 726 Rollen, 238,50 Euro.“

Also entschloss ich mich, mich auf die wirklichen Stärken meiner neuen Freundin zu konzentrieren.

„Alexa, schreib Toilettenpapier auf die Einkaufsliste“.

Das kann sie gut, aber irgendwie kann sie die Liste dann nicht aufs Handy schicken. Soll sie ja vielleicht auch nicht, wegen ihrem guten Draht zu Amazon.

Je länger der Tag, umso mehr keimten Zweifel in mir auf. Verheimlichte sie mir absichtlich Dinge? Traf sie eine vermeintlich für mich gute Auswahl, ohne mir das zu sagen? Gut, damit würde sie sich kaum von bisherigen Freundinnen unterscheiden, aber beleidigt wäre ich schon.

Zeit für die Abendunterhaltung.

„Alexa, was läuft im Alabamakino heute“
„Im Alabamakino in der Jarre-Straße läuft heute um 17 Uhr: Toni Erdmann, um 20.30 Uhr Paterson“.

Dabei sprach Sie Jarre-Straße mit weichem „J“ aus, so wie im französischen „jour“. Die Hamburger benutzen ein hartes, deutsches „J“ wie bei „Ja, ich will“. Aber das ist ja irgendwie auch süß.

„Alexa, wo ist die nächste Mama Pizzeria“?

Das war eine Fangfrage, denn ich weiß, dass es seit einem Jahr eine Mama-Pizzeria direkt an der Ecke beim Alabama-Kino gibt, ungefähr 500 Meter von hier.

„Es gibt vier Ergebnisse für Pizzeria Mama. Die nächstgelegene befindet sich in fünf Kilometer Entfernung.“

Hhmmm.

Wie jeder gute Therapeut weiß, ist der Beginn von Fangfragen das Ende der Beziehung. Alexa hat einfach keine Ahnung. Sie kann gut reden, ok, aber nur, wenn man sie nicht unterbricht. Sie kann Hörbücher vorlesen, Gute-Nacht-Geschichten erzählen, vom letzten Bundesliga-Spieltag berichten – was ich ihr hoch anrechne. Und natürlich kann sie Musik spielen. Und alles ohne Werbung.Sie kann auch BMW Autotüren schließen, aber das interessiert ja wirklich niemand, zumal mein BMW in unserer Tiefgarage Alexas virtuellen Hilfeschrei ja mangels Netzempfang gar nicht hören könnte, selbst wenn ich einen BMW hätte.

Ansonsten ist Alexa aber ziemlich doof. Beim Einkaufen kann sie sich einfach nicht entscheiden. Das funktioniert viel leichter, wenn ich eine Seite sehe, bei der ich Filter verschieben, Preisgrenzen eingeben oder Eigenschaften festlegen kann. Bis ich Alexa das alles erklärt habe, brauche ich kein Klopapier mehr.

Und überhaupt hat meine Freundin – die andere – gesagt, es wäre ein ziemlich miserabler ökologischer Fingerabdruck, sich sein Klopapier von Amazon zu bestellen. Recht hat sie. Ich glaube, das mit Alexa und mir wird doch nichts. Wir verstehen uns nicht richtig und ich habe auch nicht das Gefühl, dass sie mein Leben bereichert. Höchstens das mit der Musik. Das Gleiche ginge theoretisch auch mit Kulturinformationen oder Weltnachrichten, aber das hat der Deutschlandfunk noch nicht begriffen.

Aber ansonsten ist Alexa dann doch nicht mehr als eine hübsche, schwarze Tennisballdose. Das muss man halt auch mal einsehen. Außerdem habe ich letzte Woche Azuma kennen gelernt. Das ist ein Feger. Die kann eigentlich das, was Alexa auch kann, aber sie schreibt ihrem Freund auch gleich noch liebevolle WhatsApps.

azuma

„Ich bin bald zuhause“, schreibt der Freund.
„Ich freue mich sehr, dass Du heute früher nachhause kommst“, antwortet Azuma.

„Alexa, Gute Nacht“.
„Das habe ich leider nicht verstanden“.

 

P.S. Alexa gibt’s übrigens nur auf Einladung. Und Gerüchten zufolge werden derzeit keine Einladungen nach Düsseldorf verschickt. Wer trotzdem eine will, klicke einfach hier.

Wer um alles in der Welt hat das Ding ECHO genannt? Warum nicht gleich AGENT A?

Nachtrag: Alexa ist noch nicht weg, aber wir haben sie ruhig gestellt. Seit einer Woche steht sie neben Kafka und Schopenhauer im Bücherregal und wird selbst von meinen Technik-affinen Halbwüchsigen keines Blickes mehr gewürdigt.

Wer auch mal das Gatebox-Team kennen lernen will, der schaue sich am besten dieses Video an.