Zu Wort meldeten sich selbst ernannte Designexperten und Designgurus unter dem Titel „Unser Dax soll schöner werden“. Die Anklageschrift lautet: „Die Logos spiegeln den Zustand der deutschen Wirtschaft wider“ und seien wie diese „… dringend reformbedürftig.“ Aufmacher dieser ‚Weekend-Seiten’ war die Fotomontage einer Mercedes Kühlerhaube – ohne Mercedes-Stern! An dessen Stelle prangte ein gekröntes, heraldisches Wappen im Stil einer Likörmarke für ältere Damen, verziert mit den Initialen „DC“ für Daimler Chrysler.
Doch nicht nur die Dax-Unternehmen bekommen bei dieser geschmacklosen PR-Übung ihr Fett ab. Auch ihre Agenturen werden an den Pranger gestellt: das Logo von Infineon – zugegebenermaßen nicht gerade ein kreativer Wurf – habe „ein Nichtkönner gemacht“, beim fusionierten Thyssen-Krupp Logo habe „irgendeine dämliche Agentur die Logos einfach zusammengestopft“.
Muss das sein? Warum diese öffentliche Diffamierung unter der Gürtellinie? Es dürfte jedem einigermaßen erfahrenen Kreativen bekannt sein, dass Designentscheidungen oft subjektiv und aus dem Bauch heraus getroffen werden, dass vielfach der Bezug zur Positionierung fehlt, keine formal-ästehtischen Beurteilungskriterien existieren, Ideallösungen nur selten durchzusetzen sind und die Ehefrauen der Entscheider immer mitreden.
Doch der bösen Worte nicht genug – die Aktion der FTD geht noch einen Schritt weiter. Frei von Vorgaben durften sich elf Agenturen „austoben“ und Ideen umsetzen „von denen sie nachts träumen“. Ein Alptraum! Im Handstreich wurden jahrzehntelang gewachsene, visuelle Identitäten brutal vernichtet: aus dem BMW-Propeller wurde eine blau-abgestufte, runde Farbplakette, die markante Eon Wortmarke wurde zur banalen Versalie, Linde erscheint in der Typografie einer 50er Jahre-Maschinenkennzeichnung und Henkel bekommt unter das Logo den sichelartigen „Wusch“ der HypoVereinsbank verpasst. Interessant, dass genau dieses visuelle Element im selben Artikel von einem anderen Experten als „scheußlich“ bezeichnet wird, als „Sichel, die jeder Dussel verwendet“. Spätestens hier wird die Blamage perfekt, führen sich die Herren Experten selbst ad absurdum.
Herzliches Beileid! So wie Gesundheits- Renten- und Steuerreform misslangen, geht leider auch die „Logoreform“ gründlich in die Hose.
Sehr geehrte Herren Vorstandsvorsitzende, sehr geehrte Kommunikationsverantwortliche deutscher Dax-Unternehmen! Sicher haben einige Ihrer Logos ästhetischen Optimierungsbedarf. Doch eine Überarbeitung sollte nie nach geschmäcklerischen Kriterien vorgenommen werden, sondern immer an der Positionierung ausgerichtet sein. Denn ein schönes Logo macht noch lange keine Marke. Und Corporate Identity ist mehr als Corporate Design.
Wesentlich wichtiger ist es, dass Ihre Marken bekannt und relevant sind, das Kunden, Aktionäre, Mitarbeiter mit ihnen etwas konkretes und nachvollziehbares verbinden. Wesentlich wichtiger ist es, dass Ihre Marken überzeugen und begeistern, dass sie gekauft werden und die Kunden mit ihr zufrieden sind. Das zu erreichen, dazu braucht es weit mehr als ein schönes Logo. Gefragt sind vernetzte und an den Unternehmenszielen ausgerichtete, ganzheitliche Lösungen, die alle Aspekte und Dimensionen der Markenidentität berücksichtigen, die an den Maßgaben von Relevanz und Effizienz ausgerichtet sind, die über identifizierende Werttreiber das Markenmanagement fokussieren und letztlich tatsächlichen Mehrwert schaffen.
Basis dieses Erfolgs ist die Markenpositionierung. Denn sie vermittelt den Kern und die „Seele“ Ihres Unternehmens, sie definiert die langfristigen Markenziele, bestimmt rationale und emotionale Differenzierungsaspekte, sie ist die Voraussetzung für jegliche Markenkommunikation und immer eine strategische Top-Management Aufgabe.
Also: „Das Schmücken der Braut ist wichtig . Doch Make up ist eben nicht alles, wenn die Braut nicht hält, was sie verspricht.“
Mit den besten Grüßen, Ihr Dr. Klaus Schmidt aus London.
Über den Autor: Dr. Klaus Schmidt ist geschäftsführender Gesellschafter von Henrion Ludlow Schmidt, London/Hamburg.