Mehr gute Geschichten!

Nachhaltigkeit nervt viele Menschen inzwischen nur noch. Das liegt daran, dass die guten Geschichten fehlen, die uns durch stressende Veränderungen tragen.
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Stefanie Kuhnhen ist Chief Strategic Officer und Partnerin bei Serviceplan. (© privat, Montage: Olaf Heß)

Seit Jahrhunderten erzählen wir Menschen uns Geschichten, damals am Lagerfeuer, heute online, beim Dinner mit Freunden oder an der Kaffeemaschine im Büro. Sie sind unser Werkzeug, um das merkfähig zu machen, was wirklich wichtig für uns als Gesellschaft ist: Werte, Kultur, Erfolge, neue Perspektiven, Lehren, die wir gezogen haben. 

Schauen wir auf die Nachhaltigkeitstransformation, die ganz sicher nicht einfach nur mit Technologie (ein Märchen!) oder Verringerung unseres persönlichen Fußabdrucks (zum Glück auch ein Märchen!) zu lösen ist, vernachlässigen wir dieses kraftvolle Werkzeug leider komplett. Warum, ist mir ein Rätsel. Wir brauchen sie gerade jetzt, diese starken, konkreten Zielbilder, während wir durch die anstrengenden Veränderungen gehen. Während wir im „Tal der Tränen“ stecken, dieser quälenden Phase der Change-Theorie, tragen uns positive Narrative, die einen komplett neuen, guten Blickwinkel auf die nötigen Umstellungen werfen, durch die schweren Zeiten. 

Nachhaltigkeit ist mehr als ESG-Monitoring 

Ich möchte somit heute eine Einladung an uns alle aussprechen, in neuen Erzählungen zu denken – und sie in kraftvolle Bilder und Teilhabe zu übersetzen. Dann wird Nachhaltigkeit wieder mehr als das ESG-Reporting, das man als Unternehmen jetzt auch noch mit managen muss. Getreu dem Motto: „Pflicht erledigt, weiter geht’s!“ Dann wird Nachhaltigkeit auch mehr als viele Held*innengeschichten, die betonen, was wir alles schon so Gutes so perfekt tun. Denn diese Geschichten berühren uns nicht. 

Wie schrieb Antoine de Saint-Exupéry so schön? „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht die Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem endlosen, weiten Meer.“ 

Lösungen in die Tat umsetzen

Lasst uns also zusammentun und gemeinsame Narrative setzen, die die Sehnsucht nach einer schöneren Erde und einem besseren Leben lehren! Dafür, dass es sich lohnt, sich um bessere Böden zu kümmern, damit wir krisenresistenter denn je ernten werden. Dafür, dass wir mit einer neuen, gemeinschaftlichen Mobilität grünere, ruhigere und sicherere Städte bekommen. Oder dafür, dass wir mit einer überwiegend vegetarischen und veganen Ernährung bis zu 75 Prozent (!) des Ackerlandes auf der Welt anderweitig nutzen könnten – wir könnten zusammen wahrhaftig das Gesicht unserer Erde verändern. 
 
Wie wäre es, wenn Marken und ganze Branchen diese Narrative zusammen erzählten – und sich genau diese Geschichten durchsetzen würden in einer Zeit, in der wir neue brauchen, weil die alten ausgedient haben? Wie wäre es, wir hörten diese Verbesserungserzählungen, statt die von Verbot, Verlust und Verzicht? 

Lasst uns zusammen mit Politik und NGOs diese Narrative denken, erzählen und wirken lassen – sie werden dazu führen, dass wir sie mit neuen, gemeinschaftlichen Lösungen schnell in die Tat umsetzen. Denn am Ende ist jede gute Geschichte der Anfang einer guten Tat. 

Stefanie Kuhnhen ist Chief Strategic Officer und Partnerin bei Serviceplan. Die Kolumnistin ist Markenstrategin mit Leidenschaft für die Zukunft und nachhaltige Unternehmensführung.