„Der wahre Schatz im Amazon-Ökosystem sind die Kundendaten“, sagt Heidi Saers, Head of Programmatic & Platform Media bei der Digitalagentur Plan.Net. Und da alle, die online einkaufen, potenziell auch Kund*innen bei Amazon sind, ist der Datenpool groß. In einer Zeit, in der herkömmliche Targeting- und Tracking-Optionen schwinden, bietet Amazon damit aus Sicht der Expertin eine wertvolle Ressource. „Durch die Amazon DSP ist dieser Datenschatz nicht länger auf den Marktplatz beschränkt, sondern steht für eine gezielte Kundenansprache auch außerhalb der Einkaufsplattform am gesamten Funnel zur Verfügung“, so Saers.
Im Programmatic Advertising werden Kund*innen datenbasiert und automatisiert umworben. Werbetreibende nutzen dafür typischerweise eine Einkaufsplattform, an welche die verfügbaren Angebotskanäle angeschlossen sind, sprich: die Demand Side Platform. Amazon setzt hier nicht auf fremde Technologien, sondern bietet eine eigene DSP, über die Marken und Onlineshop-Betreiber sowohl Display- und Video- als auch E-Commerce-Kampagnen fahren können.
Auf externen Websites können DSP-Kampagnen ebenfalls ausgeliefert werden, weil der E-Commerce-Gigant große Werbenetzwerke angebunden hat. Je nachdem, wo sich die jeweiligen Kund*innen im Funnel befinden, sind unterschiedliche Kampagnen möglich. Video- und Displayanzeigen lassen sich zum Beispiel mit breitem Targeting auf der Awareness-Stufe schalten, um Interesse zu wecken. Steht die Conversion im Fokus, helfen die Amazon-Daten weiter. Auch ein Retargeting ist möglich, um Verkäufe zu generieren.
Gezielte Ansprache für den Abverkauf
Wer auf Amazon verkauft, kann mit einem Retargeting beispielsweise auch Käufer*innen ansprechen, die Produktseiten der Wettbewerber besucht oder bestimmte Produktkategorien durchstöbert haben, ohne den Kauf abzuschließen. „Die gezielte Ansprache von noch Unentschlossenen ist eine effiziente Methode zur Steigerung der Konversionen, da diese oft kurz vor einem Kauf stehen“, sagt Saers.
Ebenso würden Marken „non-endemische“ Zielgruppen über die DSP erreichen, die ohne Käuferdaten schwer zu segmentieren wären, etwa wenn es um den Verkauf von Versicherungen, Familienautos oder Geldanlagen geht. Insbesondere bei teuren oder komplexen Produkten, bei denen Käufer*innen meist einen längeren Entscheidungsprozess durchlaufen, kommt der DSP eine wichtige Rolle zu, weil die Kaufinteressent*innen während dieses Prozesses kanalübergreifend begleitet werden können.
Upper-Funnel-Wirkung wird nachvollziehbar
Generell bietet der Online-Riese im Upper Funnel viele Möglichkeiten, auch für Marken, die nicht aktiv auf dem Handelsplatz verkaufen. Und es kommen weitere dazu: Neben Freevee und Twitch wird künftig auch Amazon Prime buchbar sein. Sönke Hansen, Gründer und CEO von Ameo, sieht bei den Ads in Amazon Prime Video, die im Januar starten sollen, perspektivisch das größte Potenzial für die Ansprache im oberen Funnel. Auch weil damit eine Lücke geschlossen wird, die im TV entsteht: „Im linearen TV erreicht man kaum noch Menschen unter 40 Jahren, viele unter 30-Jährige besitzen gar keinen Fernseher mehr“, so Hansen.
Gleichzeitig wächst Streaming stark. Über das Targeting von Amazon lassen sich Käufer*innen verschiedener Produktkategorien oder Artikel auf dem Marktplatz ansprechen, auch Suchende spezieller Keywords. „Darüber hinaus können Schauspieler, Filme oder ganz klassisch demografische Faktoren ausgewählt werden. Das kann eine stationäre Möbelkette genauso nutzen wie eine FMCG-Marke“, sagt Hansen. Über die Amazon Marketing Cloud, die Data-Clean-Room-Lösung von Amazon, lassen sich nicht zuletzt Konsumentendaten anonym auswerten. Advertiser können dadurch zum Beispiel nachvollziehen, wie sich Upper-Funnel-Maßnahmen auf den Lower Funnel ausgewirkt haben.
Leistungsstark, aber komplex
Doch die Vielzahl an Optionen macht die Amazon DSP auch komplex. Die Nutzung der programmatischen Werbeplattform muss gründlich geplant, überwacht und immer wieder angepasst werden. Um Kampagnen zu optimieren, sollte man dem Algorithmus außerdem Zeit und ausreichend Datenpunkte zur Verfügung stellen. Ferner ist an vielen Stellen technisches Know-how gefragt, insbesondere wenn es darum geht, Tracking-Pixel zu implementieren, andere Tools oder Plattformen zu integrieren. So wundert es nicht, dass mittlerweile zahlreiche Amazon-Partner im Markt ihre Dienstleistungen anbieten, um Marken und Onlinehändler ohne entsprechende Ressourcen zu unterstützen beim Projekt „E-Commerce über Amazon“.
Der nächste Schritt heißt KI
Aber nicht nur die Komplexität der Möglichkeiten macht Onlinehändlern zu schaffen. Für viele Werbetreibende ist das bevorstehende Aus der Third Party Cookies eines der drängendsten Marketingthemen.
Nach Einschätzung von Plan.Net-Expertin Saers haben Walled Gardens wie Amazon hier einen klaren Vorteil, „da sie in ihrem Fall auf First-Party-Shopperdaten zurückgreifen können, die für Marken immer bedeutsamer werden“. Mit diesen Daten ist es möglich, Zielgruppen auf Grundlage realer und bekannter Verhaltensmuster gezielt anzusprechen. Amazon arbeitet außerdem kontinuierlich daran, die Benutzerfreundlichkeit der DSP zu steigern.
Und nicht zuletzt setzt das Unternehmen verstärkt auf verschiedene KI-Lösungen, um seine Algorithmen zu optimieren. In Kürze wird der Marktplatzgigant eine generative KI-Lösung einführen, mit der Werbetreibende Bilder für Werbekampagnen generieren können. „Dies beseitigt nicht nur Barrieren bei der Erstellung von Werbemitteln, sondern führt auch zu einer Steigerung der Interaktionsraten und letztendlich zu mehr Conversions“, ist Saers überzeugt. Damit dürfte Amazon seine Position als wichtigste E-Commerce-Plattform noch weiter festigen.