Wenn es um die Hoffnung auf schnell verdientes Geld geht, setzt anscheinend bei vielen der klare Menschenverstand aus. Ich weiß, wovon ich rede. Im Sommer 2008 hatte ich einen Termin bei meinem Bankberater. Mein erstes Buch „Denken Sie selbst! Sonst tun es andere für Sie“ war gerade geschrieben und sollte im Herbst erscheinen. „Meine Lektorin sagte mir, dreihunderttausend Stück verkaufe ich davon locker“, erklärte ich dem untersetzten Filialleiter Herrn Zimmermann. Mit dem Vorschuss, den mir der Verlag überwies, wollte ich nun in die große Welt des Geldes einsteigen.
Herr Zimmermann zupfte an seiner flippigen Micky-Maus-Krawatte und nickte geschäftig: „Da habe ich doch was für Sie: einen traumhaften Aktienfonds aus unserem Hause. Todsicher mit dreißig, ach, was sage ich, vierzig Prozent Rendite! Da sind sich unsere Analysten ganz sicher!“ Ich war begeistert. Im festen Glauben an Herrn Zimmermann malte ich mir eine rosige Zukunft aus: in zwei Jahren finanziell abgesichert! Nie mehr ein Buch schreiben müssen!
Tja, dumm gelaufen. Der finanzielle Selbstläufer lief nicht ganz so gut. Zwei Monate nach meinem großen Deal ging Lehmann Brothers pleite, und die Finanzwelt lag am Boden. Und genau dort befand sich auch der todsichere Fonds meines Bankberaters. „Das ist eben die Magie der Märkte“, sagte Frau Schneider, die Nachfolgerin von Herrn Zimmermann, mit einem Achselzucken. „Geldgeschäfte in großem Stil sind nun mal zu einem gewissen Teil von der Psychologie getrieben.“ Oder wie es der berühmte Börsenspekulant André Kostolany ausdrückte: „Die Börse hängt nur davon ab, ob es mehr Aktien als Idioten oder mehr Idioten als Aktien gibt.“
Schöne Versprechungen wirken vor allem bei Männern
Und hier sind wir Männer besonders gefährdet. Während Frauen bei Geldgeschäften eher mit ihrem Kopf denken, denken wir Typen mit unserem Testosteron. Das war lange Zeit lediglich eine dubiose Vermutung der Frauen. Inzwischen ist diese These wissenschaftlich untermauert. In einer Studie der Universität Cambridge konnten die Forscher nachweisen, dass Börsianer mit hohen morgendlichen Testosteronwerten meist höhere Gewinne erzielten als ihre kopfgesteuerten Kollegen. Offenbar ist eine gewisse Selbstüberschätzung und Risikobereitschaft, die das Hormon mit
sich bringt, für die Gewinnerwartung von Vorteil.
Das wirft eine Reihe von Fragen auf: Dürfen Bankkunden demnächst von ihrem Investmentbroker eine Urinprobe verlangen? Wie könnten entsprechende leistungssteigernde Mittel aussehen? Und ist Testosteron-Doping mit dem hohen ethischen Anspruch des Wertpapiermarktes überhaupt vereinbar? Übrigens: Dieser Zusammenhang wurde nur bei Männern beobachtet. Bei Frauen lösen hohe Testosteronwerte keine erhöhte
Risikobereitschaft aus, dafür aber Damenbärte.
Leider hat die Sache einen Haken. Der Testosteron-Bomber unter den Männern gewinnt zwar mehr als sein hormonell benachteiligter Kollege, Gleiches gilt jedoch auch bei Verlusten. Salopp gesagt: Wenn er Scheiße baut, dann richtig. Und noch eine verstörende Nachricht gibt die Studie preis: Das Männlichkeitshormon schmälert die Lernfähigkeit. Auch wenn man sich schon zwei-, dreimal finanziell in die Nesseln gesetzt hat, sagt man sich beim nächsten spektakulären Börsengang: „Ich hab ‘nen super Riecher. Dieses Mal klappt’s ganz sicher!“ Deswegen habe ich natürlich
auch Facebook-Aktien gekauft.
Über den Autor: Vince Ebert ist Physiker und Kabarettist und mit seinem Bühnenprogramm „Freiheit ist alles“ deutschlandweit auf Tournee. Er ist auch Kolumnist der absatzwirtschaft.
Tourdaten unter www.vince-ebert.de.