absatzwirtschaft-Online sprach mit Professor Dr. Dr. h.c.mult.Heribert Meffert (Bild) vom Institut für Marketing an der Universität Münster über den Status Quo der Disziplin in Deutschland.
Wie könnte man in kurzer, prägnanter Form CRM definieren?
Meffert: Vielfach wird der Begriff in einschlägigen Veröffentlichungen lediglich auf die informationstechnologische Integration von Vertriebs-, Marketing- und Serviceaktivitäten eingeengt. Richtig verstandenes CRM beginnt aber schon auf der konzeptionellen Ebene und im Kopf der beteiligten Personen und sollte zunächst als unternehmensweite Kundenorientierung verstanden werden.
Wieweit sind nach dieser Definition die Unternehmen in Deutschland?
Meffert: Diese Frage lässt sich nicht allgemein beantworten, sondern hängt sehr stark vom Branchenfokus ab. In Dienstleistungsbranchen, bei denen der Kunde zwingend in die Leistungserstellung eingebunden wird, ist die angesprochene Kundenorientierung vielfach höher als bei klassischen Herstellern. Hier haben auch Kundenprogramme, die Ansatzpunkte für eine selektive Bearbeitung des Kundenstamms bieten (z.B. Kundenkarten), eine längere Tradition. Generell stelle ich aber eine steigende Sensibilität für das Thema Beziehungsmarketing und damit zunehmenden Aktivismus im Bereich CRM durch alle Märkte fest.
Welche Fehler werden bei CRM-Projekten in der Vorlauf- als auch in
der Implementierungshase gemacht?
Meffert: CRM ist auf die ganzheitliche und integrierte Steuerung der Kundenbeziehung ausgerichtet, d.h. die Entwicklung einer gemeinsamen Philosophie über alle Distributions- und Informationskanäle hinweg. Vielfach wird dieser zentrale Aspekt jedoch zugunsten rein softwaretechnischer Aspekte schon bei der Planung vernachlässigt. Bei der Implementierung des CRM fehlt zudem oft das nötige Involvement zur Realisierung eines ganzheitlichen CRM-Ansatzes auf höchster Management-Ebene. CRM bleibt aber als Folge reiner Lippenbekenntnisse vielmals eine isolierte IT-Lösung.
Welche Vorgehensweise hat sich bei der Implementierung von CRM
bewährt?
Meffert: Aus den Problemen bei der Umsetzung wird bereits ersichtlich, dass der Integrations- und Führungsaspekt bei der Implementierung von CRM einen zentralen Stellenwert besitzt. Zum einen muß die Unternehmensspitze sich klar zu dem Projekt bekennen und Kundenorientierung selbst aktiv vorleben. Zum anderen ist das verantwortliche Projektteam möglichst funktions- und abteilungsübergreifend mit Experten aus den Bereichen IT, Marketing, Sales und Services zu besetzen.
Was kann man Unternehmen mit auf den Weg geben, die planen, CRM einzuführen?
Meffert: CRM sollte nicht als isoliertes Vertriebs-, Marketing- oder IT-Projekt begriffen werden, sondern ist in die gesamte Unternehmensstrategie zu integrieren. CRM ist kein Selbstzweck, sondern muß sich wie jede Investition langfristig rechnen: In Zukunft werden daher verstärkt Verfahren an Bedeutung gewinnen, die eine klare Effizienzbewertung von Kundenbeziehungen und damit auch des CRM-Konzeptes zulassen. Die Unternehmen sollten den Fokus jedoch nicht einseitig auf die technischen Aspekte im Beziehungsmanagement legen: Der persönliche und individuelle Kundenkontakt ist und bleibt die Basis für nachhaltige Wettbewerbsvorteile in den meisten Branchen.
Die Fragen stellte Christian Thunig.
eingestellt am 22. Juni 2001