Ihr Werbegeschäft steige damit um 2,6 Prozent, doppelt so viel wie noch im Vorjahr (1,3 Prozent), teilte Hans-Henning Wiegmann, Präsident des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft ZAW, in Berlin mit. Zum Werbeaufschwung beigetragen habe der Anstieg der beworbenen Marken auf rund 64 000 gegenüber 61 000 im Vorjahr der unterdessen 28 770 werbenden Markenartikler und Händler (Vorjahr: 27 000). Für 2007 rechne die Branche mit einem Zuwachs der Werbeaufwendungen von bis zu 2 Prozent.
Das gute Jahresergebnis vermittle den Eindruck, so Wiegmann, als hätte die Branche die Rezession der Jahre 2001 bis 2003 mit dem Verlust von 4,2 Mrd € überstanden. Punktuell stimme diese Sicht: Seit drei Jahren befinde sich der Wirtschaftszweig wieder auf Wachstumskurs. Auch die Summe des im zurückliegenden Jahr hinzugewonnenen Werbevolumens in Höhe von 516 Mio € beeindrucke – sie erreichte die doppelte Menge des Vorjahres, als der Zugewinn nur 251 Mio € ausmachte. Doch es gelte, drei Faktoren mit ins Kalkül der Lageskizze zu ziehen.
Die Werbeinvestitionen des Jahres 2006 liegen erst auf dem Niveau des Jahres 1998. Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt sank sogar leicht auf 1,31 Prozent. „Und das heißt: Die Aufwendungen für Markt-Kommunikation halten mit der allgemeinen Konjunktur in Deutschland gerade noch Schritt und sind vom betriebs- und volkswirtschaftlich notwendigen 1,6 Prozent-Anteil am Wirtschaftsgeschehen wie in den achtziger Jahren noch weit entfernt: Auf das Berichtsjahr 2006 bezogen hätten die Werbeausgaben rund 37 Mrd € betragen müssen“, sagte der ZAW-Chef.
Deutschland investierte generell zu wenig in Werbung, wie die Wachstumsraten der fünf werbestärksten EU-Staaten in der Dekade zwischen 1996-2005 demonstrierten – in der Rangfolge: Großbritannien (+85 Prozent), Deutschland (-3), Frankreich (+26), Italien (+79), Spanien (+68). Angesichts der strukturellen Probleme – insbesondere von Mediengattungen, den Effekten des Internets, des demographischen Wandels sowie der restriktiven Werbepolitik der EU gegenüber der kommerziellen Werbung – könne deshalb zur Zeit noch nicht wieder von einem nachhaltigen Aufschwung im deutschen Werbemarkt die Rede sein.
Der Impulsgeber des Werbeaufschwungs sei die aktuell robuste Konjunktur der deutschen Wirtschaft. „Kippt sie, wie beispielsweise durch politische Weltereignisse, kann auch der Werbemarkt wieder einbrechen: Vor allem mittelständische Unternehmen planen ihre Werbung häufig kurzatmig und seltener mit strategischem betriebswirtschaftlichem Blick – zyklisch also, am allgemeinen Wirtschaftsverlauf entlang“, erläuterte Wiegmann.
Mehr Chancen als Probleme sehe die Werbewirtschaft durch die Erweiterung des Werbeträgersystems um Internet und mobile Kommunikationstechniken, wie aus der Frühjahrsumfrage des ZAW bei seinen 42 Verbänden hervorgeht. Danach gehen 61 Prozent der Mitglieder davon aus, dass die digitalen Kanäle den Spielraum für Werbung erweitern und die Konsumenten zu aktiven Mitgestaltern von Werbung machen (27 Prozent). Nur 12 Prozent rechnen mit der Abwanderung der werbenden Unternehmen aus den traditionellen Medien in das Internet und in mobile Geräte.
Auch die konjunkturelle Stimmungslage in der Branche sei überwiegend positiv. 50 Prozent der ZAW-Verbände rechneten für die zweite Hälfte des Jahres mit höheren Investitionen in Werbung. Zum Vergleich: Im Frühjahr des Vorjahres seien es erst 31 Prozent gewesen. 47 Prozent rechneten mit stabilen Werbeetats (Vorjahr: 66 Prozent), während nur 3 Prozent von sinkenden Werbeetats ausgingen.
Von den 30 Mrd € Investitionen in Werbung konnten die 13 vom ZAW erfassten Mediengruppen 20,35 Mrd € für ihre Unternehmen erwirtschaften – also über zwei Drittel. Damit erreichten sie eine Steigerung von 2,6 Prozent – doppelt so hoch wie im Vorjahr mit 1,3 Prozent Zugewinn. Fast alle Medien lagen im Plus, wie die Werbeumsätze in der Rangfolge ihrer monetären Stärke zeigen.
Von den mehrfachen Umsatzmilliardären unter den Werbeträgern hätten laut Wiegmann die Tageszeitungen die Einnahmenschwäche des Vorjahres (2005: -0,6 Prozent) überwunden (4,53 Mrd € oder +1,3 Prozent). Die leichten Verluste beim Anzeigenumfang hätten sie unter anderem durch mehr Prospektbeilagen ausgeglichen, so dass Tageszeitungen dadurch die Mediengattung mit den meisten Werbeerlösen bleiben. Besonders erfolgreich sei im Werbegeschäft des Jahres 2006 das Fernsehen mit 4,11 Mrd € und damit +4,7 Prozent gegenüber dem Jahr zuvor gewesen. Verholfen hatten zu diesem Ergebnis vor allem Großereignisse des Sports wie die Fußball-Weltmeisterschaft. So sei die Gesamtmenge der geschalteten Spots zweistellig um 13 Prozent gestiegen. Nicht vom anhaltenden Werbeaufschwung profitieren konnte die Werbung per Post. Ihre Netto-Werbeerlöse seien um 2,3 Prozent auf 3,31 Mrd € zurückgegangen, weil insbesondere der Versandhandel seine Werbeaktivitäten eingegrenzt habe.
Insgesamt steigerten die 13 vom ZAW statistisch erfassten Mediengruppen im Jahr 2006 ihre Werbeerlöse um 516 Mio € auf nunmehr 20,35 Mio € (+2,6 Prozent). Von diesem Umsatzgewinn profitierten am deutlichsten die Werbeträger TV mit mehr als einem Drittel (+185 Mio €) und Online-Dienste (+163 Mio €).
Entgegen mancher öffentlich vorgetragenen Analyse haben laut Wiegmann die traditionellen Medien ihre Positionen im deutschen Werbemarkt überwiegend nicht nur gehalten, sondern trotz schwieriger Wettbewerbsverhältnisse punktuell sogar ausgeweitet. „Zwar wird der Anteil der gedruckten Medien im Verlauf der Jahre etwas zurückgehen, Massenkommunikation bleibt aber auch in Zukunft integraler Bestandteil der Unternehmenswerbung“, so der ZAW. In die Debatte geworfene Begriffe wie „Guerilla Marketing“, „Viral Marketing“, „Blog Marketing“ seien letztlich Formen von Produkt-PR, die es bereits seit langem gebe. Aufmerksamkeit für ein Produkt durch überraschende und unterhaltsame Aktionen zu erzielen oder zum Kauf durch Empfehlungsstrategien zu animieren, ergänze die Werbung in Massenmedien jetzt nur unter anderen Etiketten.
Tatsächlich erweitert habe das Instrumentarium der kommerziellen Kommunikation das Internet. „Die von den traditionellen Medien spürbar stärkere Wachstumsdynamik signalisiere nicht das Ende der Werbung in klassischen Medien, sondern den professionellen Umgang mit einem ergänzenden Element, das sich effizient und effektiv mit der Massenkommunikation verknüpfen lässt“, meint Wiegmann.
Das Werbejahr 2006 habe diese Zusammenhänge sichtbar werden lassen: Die traditionellen Medien behielten ihre Position als Werbeträger: Die Marktanteile der Pressemedien blieben bei 47 Prozent auf der Höhe des Vorjahres und damit erneut stabil. Auch die elektronischen Werbeträger – also TV, Radio, Online – verharrten bei ihrem Marktanteil des Vorjahres in Höhe von 25 Prozent. Dabei sei bemerkenswert, dass im gesamten Werbegeschäft Online-Werbung 3 Prozent Marktanteil noch nicht erreicht habe, diese Grenze aber im laufenden Jahr überspringen werde.
Die werbestärkste Branche blieb 2006 der Handel mit Investitionen von 2,5 Mrd € (+6,2 Prozent) – so Erhebungen des Forschungsunternehmens Nielsen Media Research. Deutliche Zuwächse aus diesem Bereich stammen insbesondere von den technischen Kaufhäusern, Einkaufsgenossenschaften und Drogeriemärkten. Dabei wurden von einigen Handelsorganisationen neben der klassischen Handelswerbung in den Tageszeitungen auch verstärkt Fernsehspots geschaltet oder das Fernsehen erstmalig genutzt. Zweitgrößter Werbeinvestor war mit einem Plus von 4,5 Prozent auf 1,5 Mrd € der Pkw-Markt. Auch die Medien investierten 2006 deutlich mehr in Werbung als im Vorjahr. Besonders die Eigenwerbeaufwendungen der Zeitungen (+143 Mio €) und Publikumszeitschriften (+59 Mio €) nahmen zu. Hintergrund: Die Print-Titel sind für ihre Leser nicht mehr nur Informationsquelle, sondern bieten ihnen auch Zusatzleistungen wie beispielsweise Bücher-/CD-/DVD-Editionen, Leserreisen oder Abo-Karten.
Laut Wiegmann komme die kommerzielle Werbung nach wie vor bei den Bundesbürgern mehrheitlich gut an. Für rund 70 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren gelte Werbung als Entscheidungshilfe, Kommunikationsgrundlage bei Produkten und Dienstleistungen und selbstverständlicher Teil des Alltags. Dies lasse sich aus der seit Jahren erhobenen VerbraucherAnalyse der Verlagsgruppe Bauer und Axel Springer Verlag AG ablesen.
Anziehende Suche nach Werbeexperten, sinkende Arbeitslosenquote und sich wandelnde Berufsbilder sind laut Wiegmann die aktuellen Kennzeichen des Arbeitsmarkts für Werbeberufe. Der ZAW, der den Arbeitsmarkt für Werbeberufe regelmäßig analysiere, befürchte angesichts der rasant ansteigenden Nachfrage wachsende Arbeitsmarktprobleme für die Branche. Vor dem Hintergrund der abnehmenden Bevölkerungszahl werde der Wettbewerb um den Nachwuchs in der gesamten deutschen Wirtschaft deutlich heftiger. Die Zahl der Arbeitslosen sei 2006 auf 4,2 Prozent (2005: 4,9 Prozent) abgesunken und spiegele damit die positiven Zahlen der Branche in punkto Erwerbstätigkeit wider.
Besser noch als bei den Medien sei die Geschäftslage der Kommunikationsagenturen. Ihr Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA melde einen Umsatzsprung im Jahr 2006 von +7,5 Prozent. Monetäre Angaben über die erreichten Umsätze mache die Organisation aus rechtlichen Gründen nicht. Die Einnahmen wurden nur noch zu etwas mehr als der Hälfte durch Festverträge (Provisions- und Pauschalhonorare) gestützt. Das weist darauf hin, dass die Agenturen neben ihrem traditionellen Kerngeschäft der Werbung ihre Dienstleistungen auch auf andere Disziplinen der Marktkommunikation ausweiten konnten. Ausgeprägt optimistisch seien die Agenturen auch mit Blick auf ihr Geschäft im Jahr 2007, wie aus einer Umfrage des GWA hervorgehe.
Kritisch setzte sich ZAW-Präsident Wiegmann mit der Politik der Europäischen Union gegenüber der kommerziellen Werbung auseinander. Anfang dieses Jahres seien auch in Deutschland das Tabakwerbeverbot sowie das Verbot gesundheitsbezogener Lebensmittelwerbung in Kraft getreten. Weitere Eingriffe bereite die EU-Kommission in Zusammenhang mit der Markenwerbung der Autohersteller und der Lebensmittelproduzenten sowie der Werbung der Anbieter alkoholhaltiger Getränke vor.
„Man kommt nicht zur Freiheit, indem man alles verbietet, was sie gefährdet“, sagte Wiegmann. Eine liberale Gesellschaft müsse auch normabweichendes Verhalten tolerieren, sich also selbst beispielsweise durch riskanten Sport oder falsche Ernährung zu schaden. Sonst sei in Zukunft grundsätzlich verboten, was nicht ausdrücklich von Brüssel aus erlaubt wird. „Wir bewegen uns dann auf eine EU-Verbotsgesellschaft zu“, mahnte Wiegmann.