von Michael Ziesmann
Nicht nur Umsätze brechen weg, sondern auch die wesentlichen Erlösquellen erodieren. Bisher orientieren sich die Honorareinnahmen der Mediaagenturen mehrheitlich am Schaltvolumen der Werbekunden. In vielen Verträgen wurden Honorare von weniger als ein Prozent fixiert. Im Wissen, dass sich eine Mediaagentur die Differenz zu den Renditevorgaben von bis zu 30 Prozent bei den Medien durch Bündelungsrabatte holt. Kunden wurden durch die öffentliche Diskussion zusehends irritierter darüber, dass jahrelang versteckte Gelder in erheblicher Höhe flossen, die ihnen verschwiegen wurden. Versteckte Gelder, von denen auch Kundenvertreter direkte und indirekte Vorteile erhielten.
Der Kreislauf des „Schweigekartells“ (vgl. absatzwirtschaft 3/2006), um eine angeblich existierende Grauzone zu forcieren, ist durchbrochen. Die meisten Mediaagenturen diskutieren auch angesichts der noch nie dagewesenen Pitch-Welle um fast sämtliche großen Media-Etats über neue Geschäftsmodelle und Erlösmöglichkeiten. Namhafte Unternehmen wie Ferrero, Danone, Vodafone, Unilever, Reckitt Benckiser, Beiersdorf, Bayer, Tchibo und Ikea haben zum Pitch gebeten. Auch beim größten Werbungtreibenden, Procter & Gamble, soll eine Überprüfung der Media-Etats im Gespräch sein. Ein Hauptgrund, warum dieselben Marktteilnehmer heute offensiv über ein Maximum an Transparenz anstatt über Grauzonen reden. Alle Marktteilnehmer sind sich einig, dass die Provision der Medien von 15 Prozent, eingeführt als Anzeigen-Expedition (AE) im vorletzten Jahrhundert, längst überholt ist und abgeschafft werden sollte.
Womit früher Kreativ- und Medialeistungen bezahlt wurden, wird die AE heute meist vollständig an die Werbekunden weitergereicht. Lediglich zu Abrechnungszwecken wird oft eine gekürzte Mittlerprovision verwendet, um die Berechnung des Honorars zu automatisieren und bei jeder einzelnen Werbebuchung in Abzug zu bringen. Erlöse aus strategischer Beratung, kreativen Media-Ideen und einer auf den jeweiligen Einzelkunden abgestimmten Betreuung nehmen an Bedeutung zu – insbesondere dann, wenn sie nicht mehr prozentual vom Schaltvolumen diktiert werden, sondern sich am tatsächlichen Aufwand der Mediaagentur orientieren. Alle Mediaagenturen etablieren daher neue Geschäftsmodelle und Erlösquellen mit unterschiedlichen Ansätzen. Für besonders kontroverse Diskussionen sorgt dabei Scaling. Bei dem auch Broking oder Trading genannten Prinzip kaufen Mediaagenturen, oder neu gegründete Dritt- und Dachfirmen, Werbezeiten und –flächen als Großkunden bei den Medien ein. Dies geschieht zunächst ohne konkreten Auftrag eines Kunden auf eigene Rechnung und Risiko. Danach können Mediaagenturen die nun in ihrem Besitz befindlichen Werbezeiten und –flächen zu eigenen Preisen an die Kunden der Netzwerkagenturen verkaufen. Losgelöst von den Medienanbietern kann mit den Werbeplätzen als auch den Rabatten und Naturalrabatten ähnlich gehandelt werden, wie mit Aktien an der Börse. Kunden verlieren den Anspruch auf Weitergabe von Preisen und Rabatten. Medien verlieren Preishoheit und die Kontrolle über die Verwendung ihrer Werbezeiten und –flächen.
Unter dem Namen „Opera“ baut die Omnicom Media Group für ihre Agenturmarken OMD und PHD die Verhandlungen mit den Medien und den zentralen Mediaeinkauf aus. Ziel ist es, Opera als zentrale Serviceeinheit zu installieren. Motiviert wird dies auch durch den steigenden Kostendruck und sinkende Erlöse beim Mediaeinkauf. Georg Berzbach, Managing Director von Opera, sagt: „In der Tat ist es so, dass Erlöse, die über das Schaltvolumen errechnet werden, erodieren. Wir leisten einen kontinuierlich hohen Aufwand für unsere Kunden, da die Fragmentierung des Medienmarktes mehr Beratung erfordert.“ Das Schaltvolumen sei dabei nicht mehr die richtige Basis um ein Honorar zu berechnen. Die Kosten einer digitalen Kampagne bildeten beispielsweise nicht den Aufwand ab, den diese Kampagne hat. „Unsere Kunden erwarten integrative Konzepte und kreative Ansätze im digitalisierten Medienmarkt. So entsteht eine Differenz zwischen Aufwand und Income. Oft wird öffentlich eine eindimensionale Diskussion geführt. Das Verständnis der Kunden, für die Notwendigkeit fixe Beratungsleistungen und tatsächliche Kosten zu zahlen, wächst“, so Berzbach. Um das in der Praxis auch umzusetzen, führe man intensive Gespräche mit Kunden. Kunden hätten oft intern das Problem, das gewachsene Verständnis intern umzusetzen. „Es genügt heute nicht mehr, die Zahl unten rechts auf der Excel-Übersicht eines Mediaplanes zu beachten, aber den Weg dahin nur am Rande wahrzunehmen.“ Nachgefragt, ob sich Opera auch mit dem kundenunabhängigen Kauf von Werbeflächen, genannt Broking oder Scaling, beschäftigen wird, meint Berzbach: „Ich kann nicht ausschließen, dass wir für 2010 darüber nachdenken werden“.
Auch bei Publicis tut sich etwas. Im Vorjahr gründete das Publicis Netzwerk „Vivaki“. Eine strategische Einheit mit dem Ziel, die Wirkung von Kommunikationsinvestments für die Werbungtreibenden zu verbessern und gleichzeitig das Wachstum der Publicis Groupe vor dem Hintergrund schnell expandierender digitaler Märkte stärker anzukurbeln. Vivaki soll die kreative und technologische Schlagkraft der Agenturmarken Digitas und Razorfish mit den Stärken der klassischen Medianetworks StarcomMediaVest Group und ZenithOptimedia bündeln. Nachgefragt, wie sich Vivaki angesichts sinkender Provisionen im Mediageschäft finanziert, antwortet Michael Bohn, Chairman von Vivaki Deutschland: „Die kreative Umsetzung von Werbeideen lässt sich nicht über Provisionen vergüten, die sich am Schaltvolumen orientieren. Dieser Ansatz stammt noch aus den 80er Jahren, als ein Media-Mix kaum möglich war, weil der Werbekanal fast immer Print war. Heute wissen die Kunden längst, dass Beratungsleistungen, strategische Planung und digitale Kreation allenfalls teilweise auf Provisionsbasis honoriert werden können. Die Umsetzung einer digitalen Kampagne ist aufwändiger als das Schalten einer TV-Kampagne. Wir orientieren uns deshalb gemeinsam mit unseren Kunden beispielsweise am Cost-Plus-System, das den tatsächlichen Aufwand zugrunde legt. Vivaki vereint das in Mischformen je nach Kundenbedürfnis. Die höchste Effizienz ist ein legitimes Kundenbedürfnis, beim Mediaeinkauf ebenso wie bei der Umsetzung von kreativen Ideen für digitale Werbekampagnen“. Gefragt, ob Vivaki auch den Mediaeinkauf der Publicis-Agenturen bündelt und ob das Geschäftsmodell von Scaling oder Trading bei Vivaki stattfindet, antwortet Bohn: „Eine Vorratsbildung von Werbezeiten oder -flächen ist ein legitimes Kundeninteresse. Wollen Kunden beispielsweise rund um die Fußball-WM 2010 präsent sein, macht es durchaus Sinn, in diesem Umfeld frühzeitig ohne dezidierten Kundenauftrag Werbezeiten oder -flächen zu kaufen. Das geschieht bei Vivaki transparent und unter Berücksichtigung der prinzipiellen Kundenbedürfnisse, die für uns dabei im Vordergrund stehen.“ Ob Werbekunden die Tätigkeit von Vivaki ausreichend honorieren, meint Bohn: „Kunden fragen uns nicht, was sie für x Prozent Honorar bekommen. Kunden fragen uns, was bestimmte Leistungen kosten und was das ihrem Unternehmen bringt. Kunden haben erkannt, dass Dumping-Honorare einer transparenten Abwicklung im Weg stehen können und ihre Agentur mit einer fairen Honorierung bessere Leistungen für ihre Produkte erbringen kann. Das wirkt sich schlussendlich positiver auf die Ergebnisse der Kampagnen aus als das Feilschen um Zehntelprozente bei den Honoraren.“
Aegis Media hat für größere Kunden einen zusätzlichen Ansatz umgesetzt. Um eine 360 Grad Betreuung von Werbekunden im Kommunikations- und Mediabereich umzusetzen, wurde beispielsweise für den Kunden Johnson & Johnson eine eigene Agenturlösung etabliert: „J+ Media Care“ in Düsseldorf. Wesentlich dafür ist auch ein Kunde, der zusätzlich erbrachte Leistungen ausreichend honoriert. Sonja Klasen, Head of Communications & Marketing Innovation bei Johnson & Johnson erläutert gegenüber absatzwirtschaft: „Grundsätzlich sagen wir, dass gute Leistung besser honoriert wird als durchschnittliche Aktivität. Das Nettoschaltvolumen als älteste Basis der Vergütung ist nicht komplett zu verwerfen. Allerdings müssen auch Anreize für Leistungsverbesserungen gegeben werden. Ein Kunde kann kein Interesse daran haben, dass die Mediaagentur nicht kostendeckend arbeitet. Eine gesunde Mischung aller Bestandteile sichert sowohl der Agentur als auch dem Kunden eine wirtschaftlich sinnvolle Basis.“ Um den Kunden sämtliche Beratungsleistungen inklusive Spezialdisziplinen aus einer Hand anzubieten und nicht mit zu vielen Agenturmarken von Carat über Posterscope, Isobar, Connect Factory, Vizeum bis zu Spezialagenturen für Content und Product Placement wie Westerstar oder Pharmamarketing zu konfrontieren, gilt bei J+ Media Care das Prinzip des „single entry points“ für den Kunden. Klasen dazu: „J+ Media Care wurde vor zwei Jahren nach einem gewonnenen Pitch von Aegis Media für Johnson & Johnson gegründet. Ziel war es, uns eine „dedicated unit“ anzubieten, bei der die Berater auf Agenturseite zu 100 Prozent für einen Kunden eingesetzt sind. Ein eigener Name für das Team fördert dabei die Identifikation der Mitarbeiter auf Agenturseite mit unserem Unternehmen und unseren Produkten. So können die Berater das Geschäft von Johnson & Johnson deutlich besser verstehen. Wir gehen mit J+ Media Care die meisten Prozesse gemeinsam an. Bei „J+ Media Care wird genau die Struktur von Johnson & Johnson widergespiegelt. Im Vergleich zu herkömmlichen Agenturstrukturen, bei denen häufig separate Ansprechpartner pro Land existieren, stellt das im Media Management der Länder Deutschland, Österreich, Schweiz, Belgien und Holland eine Effizienzsteigerung dar“.
Im Oktober müssen Mediaagenturen ihren Jahresabschluss 2009 ihren Headquarters mitteilen. Auch einen ersten Forecast für das Jahr 2010 müssen dann bereits fixiert sein. Werbekunden haben dann entschieden, von welchen Mediaagenturen ihre Etats betreut werden und welche Media-Investitionen im kommenden Jahr getätigt werden. Gleiches gilt für die Wahl eines Honorierungsmodells, das bilateral und transparent mit der Mediaagentur vereinbart wird. Transparent wird dies nur dann, wenn Werbekunden so honorieren, dass die Mediaagentur mindestens kostendeckend arbeiten kann, um die im Pitch präsentierten qualitativ hochwertigen Leistungen auch im Alltag umsetzen zu können. Transparent wird dies auch nur dann, wenn Mediaagenturen bei der Gestaltung des bilateralen Vertrages sämtliche geldwerten Vorteile offenlegen und zum Bestandteil der Honorierung machen.