Es ist ruhiger geworden um die Frau mit der markanten blonden Mähne und dem stolz-dominanten Auftritt. Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann, die über Jahrzehnte starke Frau im fränkischen Firmenimperium Schaeffler und einer der reichsten Menschen in Deutschland, hält die Fäden vor ihrem 80. Geburtstag mit weniger Öffentlichkeit in der Hand.
Schaeffler-Thumann wollte Ärztin werden
Bis vor ein paar Jahren war die Präsenz der Grand Dame im Unternehmen größer: Schaeffler-Thumann ließ es sich nicht nehmen, etwa bei Werksjubiläen mit Mitarbeitern zu sprechen oder Ehrungen selbst vorzunehmen. Den Geburtstag will sie nun ohne groß Aufhebens mit ihrem Mann und einigen Wegbegleitern in ihrem Haus in Kitzbühel feiern. Die Jubilarin hält sich inzwischen aus dem operativen Geschehen fern.
Viele Jahre war das anders. Maria-Elisabeth wollte Ärztin werde, als die junge Frau im Alter von 22 Jahren an ihrem Studienort Wien den 24 Jahre älteren Unternehmer Georg Schaeffler kennenlernt. Die junge Frau gab ihre beruflichen Ambitionen auf und zog von Wien ins beschauliche Herzogenaurach. Ihr Weg als glamouröse Unternehmergattin schien vorgezeichnet – es sollte ein Weg mit vielen Kurven werden.
1996 starb Ehemann Georg Schaeffler, im gleichen Jahr zog es Sohn Georg F.W. in die USA. Maria-Elisabeth, die Frau aus gutem Hause, privat eher den schönen Künsten zugewandt, stand im Alter von 55 Jahren alleine da, an der Spitze eines schon damals weltweit agierenden Technologie-Unternehmens mit Milliardenumsatz, mitten in einer Männerwelt. Maria-Elisabeth Schaeffler wird von da an in einem Atemzug genannt mit deutschen Unternehmerinnen-Persönlichkeiten wie Friede Springer oder Liz Mohn.
Gesicht und Seele von Schaeffler
Sie nahm die Aufgabe an, wurde Gesicht und Seele des Unternehmens, fand den Draht zur Belegschaft genauso wie zum Management. „Elegant im Auftritt, mit dem Hang zur Perfektion, dabei ungewöhnlich willensstark und entschlossen, keine Schwäche zu zeigen, stellt Maria-Elisabeth Schaeffler vom ersten Tag an klar, dass sie sich dieser Aufgabe gewachsen fühlt“, urteilt der Autor und Historiker Gregor Schöllgen.
„Neben unermüdlichem Fleiß, brillanter Auffassungsgabe und eiserner Disziplin zählt zu den Managementqualitäten vor allem das Talent, die eigenen Möglichkeiten genau zu kennen. Ebenso wie deren Grenzen“, schreibt der Conti-Aufsichtsratschef und langjährige Wegbegleiter Wolfgang Reitzle in der Sonderausgabe der Firmenzeitung zum runden Geburtstag. Auch darin habe es Maria-Elisabeth Schaeffler zur Meisterschaft gebracht.
Klaus Rosenfeld, seit zwölf Jahren im Unternehmen und inzwischen Vorstandschef, zählt mittlerweile zu ihren engsten Vertrauten. „Frau Schaeffler-Thumann hat die Schaeffler Gruppe seit 25 Jahren maßgeblich geprägt. Unter Ihrer Ägide hat das Unternehmen seine Marktposition kontinuierlich ausgebaut, sich immer wieder neu erfunden und mutig neue Wege beschritten“, sagte Rosenfeld der Deutschen Presse-Agentur über die Gesellschafterin. Heute zähle Schaeffler zu den weltweit führenden Automobil- und Industriezulieferern.
Schaeffler kurz vor einer spektakulären Milliardenpleite
Meint man es wohlwollend mit Maria Elisabeth Schaeffler-Thumann, dann würde man sie wohl als mutig bezeichnen. Weniger Wohlmeinende würden diese Eigenschaft vielleicht als Verwegenheit oder als Abenteuerlust auslegen. Zusammen mit Sohn Georg hätte die Unternehmenschefin ihr Lebenswerk beinahe in die dann vielleicht spektakulärste Milliardenpleite der deutschen Industriegeschichte geritten.
Die Schaefflers übernahmen 2008 den viel größeren Autozulieferer Conti. Ein paar Jahre zuvor waren zwei weitere Übernahmen, unter anderem die von FAG Kugelfischer, gut gegangen. Kurz darauf aber ging die US-Investmentbank Lehman Brothers in die Knie, die Märkte kollabierten weltweit, Schaeffler und Conti wurden mitgerissen. Die Schaefflers drohten, zu Schulden-Milliardären zu werden. Maria-Elisabeth Schaeffler musste den Gang zum Staat antreten – und wurde kalt abserviert.
Olaf Scholz sagte Staatshilfen ab
„Man kann nicht im Nerzmantel nach Staatshilfe rufen“, sagte ein gewisser Olaf Scholz damals dem „Tagesspiegel“. Und der heutige Kanzlerkandidat und damalige Arbeitsminister fügte hinzu: „Wir sind nicht dafür da, für Fehlentscheidungen von Milliardärinnen und Milliardären geradezustehen. Es kann jedenfalls nicht sein, dass jemand, der sich verspekuliert hat, auch noch einen Reibach auf Steuerzahlerkosten macht.“
Den Reibach machte Schaeffler dann auch ohne den Staat, mit Glück, unternehmerischem Geschick – und der tatkräftigen Hilfe von Mitarbeitern, Gewerkschaften und selbst zum Teil taumelnden Banken. Mit der Firmenchefin an der Spitze kämpfte sich das Unternehmen aus der Schuldenfalle.
Neues Glück zum Börsengang
Als die Schaeffler AG 2015 an die Börse geht und Maria-Elisabeth Schaeffler auf dem Frankfurter Parkett medienwirksam die berühmte Glocke schwingt, sind sie und ihr Sohn Georg nach Darstellung in Wirtschaftsmedien in die Liga der Menschen mit dem größten Vermögen weltweit aufgestiegen. Ein Jahr zuvor hatte die Unternehmerin auch privat ihr neues Glück gefunden und in Kitzbühel den auf den Tag gleichaltrigen früheren BDI-Chef Jürgen Thumann geheiratet.
Natürlich trägt Maria-Elisabeth Schaeffler das Bundesverdienstkreuz. Natürlich auch den Bayerischen Verdienstorden. Natürlich saß sie am Tisch, als US-Präsident Barack Obama 2016 bei seinem Berlin-Besuch deutsche Unternehmer zum Dinner empfing. Die Schaefflers sind bestens verdrahtet, auch wenn ihr Vermögen seit dem Höhenflug der Jahre 2015 und 2016 deutlich geschrumpft sein dürfte.
Und das Unternehmen steht wieder glänzend da: Nach einer Schrumpfungskur beim Auto- und Industriezulieferer und einer Neuausrichtung unter anderem auf Elektroantriebe und Wasserstofftechnik fließen in Herzogenaurach wieder saftige Gewinne. „Fast so wie früher“, sagte Vorstandschef Rosenfeld jüngst.
Von Michael Donhauser, dpa