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„Bruno“ und „Emma“ klingen nun mal besser als Latex 1
Er tauft das Modell „Bodyguard“. Die von Casper heißt „Casper“. Damit ist der nächste Trend geboren: Während die etablierten Hersteller ihren Matratzen Namen geben wie „Latex 1“, „Climasan“ oder „Komfort Med“, nennen die Online-Rebellen ihre Schlafpolster liebevoll „Bruno“, „Emma“, „Muun“ oder „Smood“. Auch in der Bildsprache wird das Produkt emotionalisiert und vermarktet wie ein cooles Lifestyle-Accessoire.
Und dann der Service. 100 Tage Testen zu Hause versprechen die Neuen, mit kostenloser Retoure bei Nichtgefallen. Das leuchtet vielen Verbrauchern mehr ein als ein kurzes Probeliegen im Laden. Rückläufer werden vernichtet, gespendet oder nach Reinigung als B-Ware verkauft. Die Start-ups beenden auch die Gleichung teuer = gut. Qualitätsmatratzen, im Fachhandel kaum unter 1 000 Euro zu haben, kosten plötzlich 500 Euro und weniger. Die Onliner haben geringere Kosten als die Stationären, und sie geben sich mit weniger Marge zufrieden. Die Preisspirale beginnt sich zu drehen – nach unten.
„Der Wettbewerb ist im Matratzensegment sehr schnell sehr hoch geworden“, sagt von Tschirnhaus. Szpyt bietet seine Bodyguard-Matratze heute für 199 Euro an. Casper hat eine Niedrigpreisvariante ins Programm genommen, die Essential für 250 Euro. Es sind Kampfpreise, bei denen von den einst üppigen Margen nicht viel übrig bleibt. „Dieses Niveau wird nicht zu halten sein“, glaubt Ulrich Leifeld, Geschäftsführer des Fachverbands Matratzen-Industrie. Zugleich steigen die Akquisitionskosten, etwa durch Suchmaschinenwerbung. Szpyt schaltet für seine „Bodyguard“ sogar Fernsehwerbung.
Jetzt frisst die Revolution ihre Kinder. Das Berliner Start-up Muun meldet im Sommer Insolvenz an. Eve zieht sich vom deutschen Markt zurück. Homestories (Matratzenmarke Filip Lenz) bekundet öffentlich Fusionsbereitschaft. „Im Augenblick befindet sich der Markt in einer Konsolidierungsphase“, sagt von Tschirnhaus. Für Sleepz kann das positiv sein, weil es Übernahmen erleichtert.
Bei Concord springt ein Verkäufer auf den Lattenrost
Besuch in einer Filiale von Concord. Concord, das war der Discounter, der mit riesigen Matratzenstapeln und handgemalten Preisschildern den Eindruck eines Lagerverkaufs zu erwecken suchte. Heute erwartet die Kundschaft ein vornehm grauer Teppich, gedämpfte Wandfarbe, übersichtliche Markenpräsentation. Die Preise sind dezent am Fuß der Matratzen notiert. Fehlt nur noch Klaviermusik von Mozart.
Die 100 Tage Probezeit der Start-ups übertrumpft Concord jetzt mit 400 Tagen – mehr als ein Jahr. Natürlich gibt es das komplette Sortiment inzwischen auch online. Nur die Beratung ist die gleiche geblieben: Schlaftyp, Probeliegen, Abstand zwischen Rücken und Matratze … Die Haltbarkeit des Lattenrosts demonstriert ein Verkäufer, indem er mit beiden Beinen aufs Holzgestell springt: „106 Kilo!“ Er meint sein Körpergewicht.
Wenn schon der Discounter auf vornehm macht, bleibt für das Fachgeschäft nur noch High End. In München hat Bettenrid, das erste Haus am Platz, günstige Einsteigermodelle aus dem Programm genommen. Man fokussiert sich auf Edelbetten von Manufakturen wie Schramm oder vom schwedischen Hoflieferanten Hästens. Den neuen Look des Showrooms vergleicht das Management mit einer „eleganten Münchner Altbauwohnung“. Es gibt ein Schlaflabor, eine 3-D-Liegediagnose und Büchertische rund ums gesunde Schlafen. Die Verkäufer heißen Schlafberater. „Wir können uns nur nach oben positionieren“, sagt Bettenrid-Geschäftsführer Robert Waloßek.
Doch auch unten, wo der Markt immer enger wird, denkt man über neue Konzepte nach. Die einen setzen auf Showrooms, wie Boxspringbetten-Anbieter Bruno. Andere verabschieden sich von „One-fits-all“ und erweitern das Sortiment. Die Rebellen von Snooze wollen künftig auch Kissen und Kuscheldecken verkaufen. Und Sleepz wird wohl stärker in Richtung Möbel, Wohnaccessoires und Heimtextil gehen – darauf deutet die kürzliche Übernahme von Urbanara hin, einem 2011 gegründeten Online-Designladen mit Flagshipstore in Düsseldorf.
So viel ist sicher: Der Markt bleibt in Bewegung. Aus Kundensicht ist das wohl eine gute Nachricht. Klar ist aber auch, dass die Konsolidierung weitergehen wird. Nina Rieke sagt: „Mal sehen, wer übrig bleibt.“