von Friederike Wagner
Sekundenbruchteile nachdem die Folie abgerollt ist, verschwindet sie im Formwerkzeug. Heraus kommt eine Packmulde – bereit, manuell oder automatisch befüllt zu werden: mit Lebensmitteln, medizinischen Sterilgütern oder Nonfood-Artikeln. Bevor die Verpackung mit einer zweiten Folie versiegelt wird, kann die Luft entzogen werden und Schutzatmosphäre einströmen. Bis zu 20 000 Kilogramm Fleisch können Nahrungsmittelproduzenten täglich mit einer Tiefziehverpackungsmaschine verpacken. Hersteller medizinischer Sterilgüter setzen sie ein, um bis zu 500 000 Einwegspritzen pro Tag sicher versandfertig zu machen.
Die Multivac Sepp Haggenmüller GmbH & Co. KG liefert rund 5 500 Verpackungsmaschinen im Jahr an Kunden rund um den Globus. Bei Tiefziehverpackungsmaschinen ist das Unternehmen weltweit Marktführer. „Unsere Kunden drängen auf kurze Lieferzeiten und die Verpackungslösungen werden immer anwendungsspezifischer“, sagt Christian Heinemann, Teamleiter Konfiguration bei Multivac. Daher beschäftigt das Unternehmen mit Sitz in Wolfertschwenden bei Kempten Verpackungsexperten, die für den Kunden eine für sein Produkt ideale Kombination von Verpackungsmaterial, Atmosphäre und Temperatur erarbeiten.
Zudem hat Multivac einen eigenen Geschäftsbereich Systeme, der Komplettlösungen inklusive Projektmanagement für den Verpackungsprozess entwickelt. Das Unternehmen erweitert aber auch die Vertriebsorganisation stetig, um in allen wichtigen und an Bedeutung gewinnenden Märkten präsent zu sein. Die Expansionsstrategie hat wiederum Auswirkungen auf die Produkte. „Unsere Maschinen werden auf den Bedarf der jeweiligen Kunden maßgeschneidert“, erläutert Heinemann. „Um dies noch besser standardisieren zu können, erhöhen wir den Modularisierungsgrad unserer Maschinen weiter. Darüber hinaus steigern wir den Automatisierungsgrad in Konstruktion und Projektierung – alles Maßnahmen, um den Markt schneller und kostengünstiger zu bedienen.“
Dabei beginnt die Automatisierung bei den Vertriebs- und Auftragsabwicklungsprozessen, die vor einigen Jahren mit IT-gestützten Methoden standardisiert wurden. Dezentrale, inkonsistente Lösungen wurden eliminiert und Medienbrüche vermieden. Angebots- und Auftragskonfigurationen werden über eine selbstprogrammierte Schnittstelle an das SAP-Enterprise-Resource-Planning-System übertragen. Mehr als 500 Vertriebsmitarbeiter weltweit nutzen den Produktkonfigurator des Stuttgarter Anbieters Camos, um schnell ein technisch korrektes Produkt zu konfigurieren und ein Angebot oder einen Vertriebsauftrag zu erstellen. Dauerte es zuvor Stunden, bis ein Angebot für eine komplexe Maschine inklusive Formatskizzen das Unternehmen verließ, ist das heute in maximal einer halben Stunde geschehen. Mithilfe der Software „Camos Configurator“ werden aber nicht nur die Angebote für neue, modulare Produkte konfiguriert, sondern auch Nachlieferungen und Sonderlösungen.
Zudem spielt die Lösung eine wichtige Rolle im Multivac-Schulungskonzept. „Unsere weltweit agierenden Vertriebsmitarbeiter vertiefen damit ihr Produktwissen“, bekräftigt Heinemann. Im Arbeitsalltag unterstützt sie die Lösung dabei, Maschinenbestandteile und Preise sicher zuzuordnen. Somit können auch neue Mitarbeiter fehlerfreie Angebote erstellen. Dabei dienen unter anderem Angebotsvorlagen aus bereits realisierten Projekten als Grundlage. Mit dem selbstentwickelten „Multivac Solution Finder“ verschafft sich der Mitarbeiter einen Überblick über die bereits gebauten Verpackungsmaschinen.
„Den Auftragseingang wollten wir so einfach wie möglich gestalten. Deshalb lassen sich Maschinenkonfigurationen kopieren und beliebig weiterverwenden“, schildert Heinemann. Konfigurationen inklusive integrierter Checklisteninformationen werden von den Tochterunternehmen im Auftragsfall als Bestellbasis an die Konzernzentrale elektronisch übermittelt und dort weiterverarbeitet. Generell legt der Konfigurationsexperte größten Wert darauf, in der Gestaltung der Prozesse flexibel zu sein. Daher wurde die Software auch danach ausgewählt, dass eigene Programmierexperten das System modifizieren können. Die mehrsprachige Software ist auf den Expansionskurs ausgerichtet. Das Angebotslayout lässt sich länderspezifisch anpassen, ebenso die Preiskalkulation mit – durch den Online-Betrieb – tagesgenauen Preisen. Über das Internet und Firmennetzwerk besteht die Möglichkeit, Angebotskonfigurationen wie beispielsweise Sonderlösungen zur Gegenprüfung an die Konzernzentrale weiterzuleiten.
Allein im Jahr 2009 wurden mehr als 39 000 verschiedene Konfigurationen (Angebots-/Auftragskonfigurationen) zentral im System gespeichert. Aus definierten Produktstrukturen sowie ausführlichen Maschinen- und Komponenteninformationen in Wort und Bild ist ein solides Wissensfundament entstanden, das von der gesamten Multivac-Gruppe mit ihren Tochterunternehmen genutzt wird und das gesamte Produktportfolio umfasst. Die im Rahmen der Angebotserstellung gesammelten Informationen sind für sämtliche Abteilungen einsehbar, die am Projekt beteiligt sind. Zudem bilden die im Konfigurator erfassten Daten die Basis für den gesamten Auftragsabwicklungsprozess. So verkürzt sich die Durchlaufzeit, zumal sich die gesamte Auftragsabwicklung inklusive der Bestellprozesse vereinfacht hat.
Trotz steigender Anforderungen ist der Verpackungsmaschinenhersteller bestrebt, durch die Software die Arbeitsbelastung in den Fachabteilungen weiter zu senken – etwa bei Fragen zum Thema Energieeffizienz: „Unsere Kunden interessiert zunehmend, wie viel Strom, Kühlwasser oder Druckluft die Maschine benötigt. Es ist geplant, die Verbrauchsberechnungen in den Konfigurator zu integrieren, sodass sich der Vertrieb mit wiederkehrenden Fragen nicht länger an die Fachabteilungen wenden muss“, stellt Heinemann fest. Systematisch bittet der Konfigurationsexperte die weltweiten Vertriebsmitarbeiter um Verbesserungsvorschläge dieser Art. Drei Entwickler passen die Software kontinuierlich an die Anforderungen der Anwender an. Laut Heinemann betreut das Unternehmen ein lebendes System, das sich ständig verändert – „wie die dynamischen Branchen, in denen wir zuhause sind.“
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.camos.de
Über die Autorin:
Friederike Wagner ist Fachjournalistin aus Sindelfingen mit Schwerpunkt IT sowie Maschinen- und Anlagenbau.