Am Dienstagabend um Punkt 22:30 Uhr veröffentlichte Thyssen-Krupp eine überraschende Ad-hoc-Meldung. Sie beinhaltete unter anderem die folgende Information: „Der Personalausschuss des Aufsichtsrats der thyssenkrupp AG empfiehlt dem Aufsichtsrat, mit dem Vorsitzenden des Vorstandes, Guido Kerkhoff, Verhandlungen über eine zeitnahe Beendigung seines Vorstandsmandates aufzunehmen. Nach Beendigung des Vorstandsmandats von Guido Kerkhoff soll Martina Merz interimistisch – für eine maximale Dauer von zwölf Monaten – als Vorsitzende in den Vorstand entsandt werden.“
Darüber hinaus empfahl der Personalausschuss dem Aufsichtsrat, Klaus Keysberg mit Wirkung zum 1. Oktober 2019 als zusätzliches Mitglied des Vorstands von Thyssen-Krupp mit Ressortverantwortung für die Business Areas Materials Services und Steel Europe zu bestellen, während Siegfried Russwurm nach Übernahme des Vorstandsvorsitzes durch Martina Merz interimistisch zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats werden soll. Diese Position hat bis dato Martina Merz inne.
Thyssen-Krupp: Merz steht vor großen Aufgaben
Auf Merz kommen nun große Aufgaben zu: Das Stahlgeschäft schwächelt, Bereiche wie der Anlagenbau müssen neu strukturiert werden und wie die Deutsche Börse Anfang September mitteilte, ist Thyssen-Krupp aufgrund des deutlich gesunkenen Aktienkurses nach 31 Jahren erstmals den Dax verlassen. Der Konzern zählt damit nicht mehr zu Deutschlands 30 wertvollsten Börsenunternehmen.
Merz, 1963 geboren im baden-württembergischen Dorf Durchhausen (Landkreis Tuttlingen), kann eine lange Vita vorweisen, die ihr für die anspruchsvollen Herausforderung bei Thyssen-Krupp zugutekommen wird. Nach dem Maschinenbau-Studium mit Schwerpunkt Fertigungstechnik an der Berufsakademie Stuttgart (heute: DHBW Duale Hochschule Baden-Württemberg) weist ihr berufliche Werdegang namhafte Arbeitgeber auf:
- 1985-2002: versch. Management-Positionen, Robert Bosch
- 2002-2005: Executive Vice President, Brose Fahrzeugteile
- 2005-2012: Executive Vice President, Robert Bosch
- 2012-2015: CEO, Chassis Brakes International
Aufsichtsratsmandate von Lufthansa bis Volvo
Zusätzlich zu ihrem bisherigen Aufsichtsratsvorsitz bei Thyssen-Krupp ist Merz hierzulande auch Aufsichtsratsmitglied bei der Lufthansa. Beim unterfränkischen Lkw-Zulieferer SAF Holland fungiert die 56-Jährige sogar als Aufsichtsratschefin und sie gehört darüber hinaus unter anderem auch dem Kontrollgremium des schwedischen Automobilherstellers Volvo an.
Merz scheint bereit für die zwingend notwendige Transformation von Thyssen-Krupp zu sein. „Unser Unternehmen steht vor großen Veränderungen“, kündigte sie noch Dienstagnacht in einer E-Mail an die Mitarbeiter an, die dem „Handelsblatt“ vorliegt. Ob und mit welchen Maßnahmen es Merz nun schafft, Thyssen-Krupp in ruhige Fahrwasser zu führen, wird sich zeigen.