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Es war das eigentliche Highlight der letztjährigen Dmexco. Großspurig hatten die Macher einen Talk zwischen Sir Martin Sorrell und Jack Dorsey angekündigt. Der Chef der weltgrößten Agenturholding stand in Köln auch auf der Kongress-Bühne. Es fehlte allerdings überraschend der Twitter-Boss. Stattdessen ließ er sich via Skype und bereits im Schlafanzug von San Francisco aus zuschalten. Er war nicht nach Deutschland geflogen. Damals stand der Kurznachrichten-Dienst offenbar kurz davor, verkauft zu werden.
Martin Sorrell zu Jack Dorsey: „Es scheint, als wären Sie wieder im Pyjama gekommen“
Daraus wurde bekanntlich nichts. Stattdessen schaffte es Dorsey dieses Jahr in Köln zu sein. Beim Blick auf seinen schlaff-hängenden Kapuzenpulli merkte Sorrell jedoch süffisant an: „Es scheint, als wären Sie wieder im Pyjama gekommen.“
Danach begab sich der als knallhart kalkulierender Manager bekannte Brite auf die Suche nach den Gründen, warum Twitter noch immer kein Gewinn schreibe und nicht aus den Puschen komme. Denn tatsächlich sei die Brand Awarness ja weit höher als bei den meisten anderen Firmen. Trotzdem schreibe Twitter noch immer Verluste.
Dorsey blieb nichts anderes übrig, als Sorrell zuzustimmen. Als Gründe für den lahmenden Erfolg nannte er, dass Twitter noch immer nicht so einfach zu bedienen sei, wie es sein sollte und dass die Firma nicht immer so fokussiert gewesen sein, wie sie sein sollte. Das ändere sich aber gerade. Und überhaupt: „Die einflussreichsten Menschen nutzen Twitter, um ihre Nachrichten zu verbreiten.“
Diese Aussage war offenbar auf Donald Trump gemünzt, von dem es immer wieder heißt, dass seine exzessive Twitter-Nutzung und die damit verbundene mediale Öffentlichkeit für gut zwei Milliarden Dollar der Marktkapitalisierung des Unternehmens verantwortlich sei.
Besonders hübsch zu verfolgen war dabei der verbale Tanz, den Dorsey bei der Frage aufführte, wie er zum US-Präsidenten stehe. Die Antwort birgt nämlich ein gewisses strategisches Problem: Zum einen ist der Präsident „der berühmteste Nutzer“, der alleine schon die Firma in den Schlagzeilen hält. Andererseits scheint Dorsey dessen Politik jedoch abzulehnen.
Martin Sorrell: „Unsere Kunden hätten gerne eine dritte Kraft neben Google und Facebook“
Sorrell äußerte sich dagegen gar nicht politisch, sondern bat vielmehr, dass Twitter endlich attraktiver und effektiver für die Werbewirtschaft werde. „Unsere Kunden hätten gerne eine dritte Kraft neben Google und Facebook.“
Damit dies gelingt, will Dorsey wohl vor allem am Algorithmus schrauben. So sollen die Nutzer künftig noch passgenauer nur noch die Tweets angezeigt bekommen, die sie auch wirklich interessieren. Hier ist Facebook offenbar das große Vorbild.
Neben den Talks und lauten Hallen voller aufgeregt umherwuselnder Marketing-Experten gehört auch der schier unendliche Strom an Pressemitteilungen und Studien-Vorstellungen zur Digital-Messe in Köln.
Eine der wichtigsten Untersuchungen, die traditionell auf der Dmexco kommuniziert wird, ist der Ausblick der Vermarkter auf die Entwicklung des gesamten Geschäftsjahres.
OVK: „Mobile und Bewegtbild sind dabei weiter die stärksten Wachstumstreiber“
Hier zeigt sich die Branche weitgehend zufrieden und rechnen mit einem Plus von sieben Prozent am Ende des Jahres. „Mobile und Bewegtbild sind dabei weiter die stärksten Wachstumstreiber“, sagt Paul Mudter von IP Deutschland, der gleichzeitig Vorsitzender des Online-Vermarkterkreises im BVDW ist. „Die Branche trotzt Herausforderungen wie Adblockern und irreführenden Wirkungsdiskussionen.“
Die beherrschenden Werbeformen sind dabei noch immer Pre-Rolls (185 Millionen Euro), Ad Bundles (182 Millionen Euro) und Billboard Ads (134 Millionen Euro). „Alle drei Formate haben allerdings an Umsatz gegenüber dem ersten Halbjahr 2016 Einbußen hinnehmen müssen. Eine deutliche Steigerung konnte stattdessen bei den Formaten Sitebar (von 44 auf 70 Millionen Euro) und Halfpage Ad (von 53 auf 65 Millionen Euro) verzeichnet werden. Ebenfalls stark im Kommen: In-Stream Video Ad (von 13 auf 34 Millionen Euro)“, erklärt der Verband.
Wie in jedem Jahr wird auch diesmal wieder die Frage heiß diskutiert: Ist die Dmexco besser oder schlechter besucht als im Vorjahr? Gerade die etwas chaotischen Preispolitik im Vorfeld lud das Thema noch einmal besonders auf. Aktuelle Zahlen stehen noch aus. Die meisten Besucher scheinen sich aber einig: Es ist leerer als im vergangenen Jahr – zumindest etwas.