Von Peter Hanser
Schmuddelige Waschsalons mit Bahnhofshallenatmosphäre und überalterten Geräten? Das war gestern. Neu interpretiert haben das Thema die Münchner BSH Bosch und Siemens Hausgeräte und der Düsseldorfer Konsumgüterkonzern Henkel. „Hier hat der Mythos vom Flirt im Waschsalon eine reelle Chance. Denn ein bunter Querschnitt durch die Bevölkerung nutzt das einzigartige Angebot, seine schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit zu waschen und dabei gemütlich am Notebook zu arbeiten, im Internet zu surfen, zu lesen, Kaffee zu trinken – oder eben ins
Gespräch zu kommen.“ So euphorisch preist der Stadtführer „Cool Munich“ den Waschsalon „Wash & Coffee“ in der Münchner Klenzestraße 1 im pulsierenden Glockenbachviertel an.
Seit fünf Jahren arbeiten der Hausgerätehersteller BSH und der Düsseldorfer Henkel-Konzern im Marktforschungsbereich zusammen. Die Idee zu „Wash & Coffee“ entsprang einem Gespräch über weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Von Anfang an war den Beteiligten klar, dass es kein gewöhnlicher Waschsalon werden sollte. Und da Sabina Schmitz, Leiterin des Launch-Managements im Bereich Wäschepf lege, gerade aus der Welt der Bosch-Kaffeeautomaten kam, lag nichts näher als die Verbindung von Wäscheund Kaffeewelt. „Wir wollten keinen Waschsalon in nüchterner Form machen, sondern eine schöne neue Erlebniswelt auf bauen“, formuliert Schmitz den Anspruch an das Konzept. Die Umsetzung der Idee oblag dann dem Hamburger Team der Peter Schmidt Group, das die Designkonzeption entwickelte, während das Münchner Architekturbüro Firmhofer + Günther die architektonische Umsetzung realisierte. Herausgekommen ist eine loungig-gemütliche Atmosphäre, die die Besucher dazu einlädt, es sich bei Kaffee und leckeren Snacks gut gehen zu lassen, während die Wäsche wieder sauber wird.
Dezent spiegeln sich auch die beiden Markenwelten von Persil und Bosch im Waschsalon wider. Dazu gehören die runden Formen, die von den Sichtscheiben der Waschmaschinen herrühren. Die in die Einbauschränke eingelassenen grünen und blauen Halbkugeln dürften dem Kunden vielleicht von den Persil-Verpackungen bestens bekannt sein. Die grüne Welle an der Wand findet sich auch auf den Persil-Flaschen wieder. Und die Wand im hinteren Bereich des Waschsalons ist nicht zufällig dunkelrot, sondern es ist die Markenfarbe von Bosch.
Mit Wash & Coffee entwickelten die beiden Partner ein Markenkonzept, das gerade jüngere Leute ansprechen soll, die unkompliziert an das Thema „Wäsche selber waschen“ herangeführt werden sollen. Um immer wieder neue Anreize zum Schnuppern und zum Kennenlernen des Waschsalons zu schaffen, gibt es zielgruppengerechte und themenbezogene Aktionen. Jeden Dienstag und Donnerstag zwischen zwölf und 14 Uhr ist Happy Hour mit wechselnden Offerten fürs Waschen oder für das kulinarische Angebot. Kulturelle Veranstaltungen, Konzerte, Lesungen, Comedy-Shows, Charity-Aktionen oder auch Beauty-Partys haben den Waschsalon zu einer angesagten Event-Location in München gemacht.
Während die Kunden Wash & Coffee als Waschsalon und Event-Location wahrnehmen, ist es für die BSH und Henkel nicht nur ein neues Laden-, sondern auch ein innovatives Marktforschungskonzept. „Unsere Perspektive ist es, zum einen über den Kunden zu lernen und ihn zu verstehen, bevor man beginnt, über Marketingkonzepte nachzudenken. Zum anderen geht es darum, junge Zielgruppen anzusprechen“, skizziert Schmitz die Projektziele. Denn bisher sind die Marken Bosch und Persil insbesondere beim mittleren Alterssegment und Best Agern sehr beliebt und bekannt. Lokal zeigt das Konzept die gewünschte Wirkung auf der Kundenseite. Die Kundschaft setzt sich aus rund 30 Prozent Studenten, 30 bis 35 Prozent jungen Berufstätigen und 20 bis 25 Prozent Touristen zusammen. Aber auch trendige Best Ager, die mal wieder ratschen wollen, gehören zu den Besuchern.
Dezentes Branding: Das Münchner Wash & Coffee spiegelt unauffällig die Markenwelten von BSH und Persil wider.
Obwohl mit Wash & Coffee eine neue Marke geschaffen wurde, werden die Marken Bosch und Persil von der jungen Zielgruppe als innovativ und modern wahrgenommen. In Fokusgruppendiskussionen zeigte sich dabei das überraschende Ergebnis, dass nicht die Marken Bosch und Persil ihre Kompetenz auf die neue Marke Wash & Coffee übertragen, sondern dass die Imagebildung bei der jungen Zielgruppe anders herum erfolgt. Aber steigt durch die positive Erfahrung mit der Marke auch die Kaufwahrscheinlichkeit? Eine Frage, die natürlich auch in München untersucht wurde. „Wir wissen, dass 80 Prozent unserer Kunden unter 40 Jahre alt sind, ihre ersten Wascherfahrungen im Waschsalon machen und in der nächsten Lebensphase selbst Waschmaschinenbesitzer werden. Laut eigenen Angaben würden sich 90 Prozent der Kunden dann ein Bosch-Gerät kaufen und die anderen zehn Prozent auch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit“, fasst Schmitz nicht ohne gewissen Stolz die Ergebnisse zusammen. „Und“, berichtet die Launch-Managerin, „es gibt bereits die ersten Kunden, die sich mit den Worten ‚Jetzt habe ich meine eigene Bosch-Waschmaschin‘ verabschiedet haben.“
Innovatives Konzept: Kalte und warme Speisen, Kuchentheke und Loungebereich, wie hier im Amsterdamer Wash & Coffee, machen den Waschsalon zu einem Treffpunkt übers Wäschewaschen hinaus.
Reichliche Erkenntnisse liefert das Konzept Marktforschern und Produktentwicklern. Da werden zum einen harte technische Fakten erhoben. In die Geräte sind Zähler und Messeinheiten eingebaut, die festhalten, welche Wäschearten am häufigsten gewaschen werden sowie welcher Waschgang gewählt wurde.
Der Waschsalon liefert zudem wichtige Informationen für die Produktentwicklung. Denn im Wash & Coffee kommen keine Profigeräte zum Einsatz, sondern Waschmaschinen, wie sie auch im Haushalt der Verbraucher stehen. Der Waschsalon dient somit gewissermaßen als Dauerteststudio, was Vorteile gegenüber den Labortests bietet. Denn letztere sind maschinelle Tests, bei denen beispielsweise eine Maschine die Tür 5000-mal auf und zu macht – immer nach dem gleichen Rhythmus. „Hier gehen die Leute mit den Geräten ruppiger um, schlagen die Tür zu, ziehen an den Griffen, obwohl die Maschine noch nicht fertig ist“, berichtet Schmitz aus dem Alltag des Waschsalons. Aus diesen Erkenntnissen resultierten bereits erste Produktverbesserungen. So wurden die Türgriffe verändert und auch die Bedienung der Displays vereinfacht.
In den vergangenen Jahren wurden rund 400 Befragungen von Waschsalonbesuchern durchgeführt. Mit Wissen der Kunden werden diese auch beobachtet. Die Mitarbeiter des Waschsalons schauen, welche Probleme die Kunden mit den Geräten haben oder welche Wäscheteile sich als schwierig erweisen. „So bekommen wir die Problemfelder hautnah beim Umgang mit Maschine und Wäsche mit“, resümiert Schmitz. Darüber hinaus haben die BSH-Marktforscher Interesse an den Erwartungen der jungen Leute: Was ist ihnen wichtig beim Waschen, auf welche Themen kommt es ihnen an? Wie stellen sie sich optimales Wäschewaschen vor? Wie sieht das Waschen im Jahr 2050 aus? Solche Fragen werden in Diskussionsforen oder kleinen Workshops behandelt. „Es ist wichtig für uns, den direkten Kundenkontakt zu haben, denn sonst haben wir immer den Handel dazwischen“, hebt BSH-Marktforscherin Kathrin Bader einen wesentlichen Vorteil hervor.
Das Konzept ist nicht preiswert. Der intensive Personaleinsatz mit drei Mitarbeitern ist gegenüber einem klassischen Waschsalon schon eine besondere Besetzung. Zudem sind die Mietkosten im trendigen Glockenbachviertel nicht gerade niedrig. Aber das Konzept ist vor allem auf die direkte Interaktion mit den Kunden ausgerichtet, um vom Kunden zu lernen – sowohl wie die ideale Waschmaschine als auch das optimale Waschmittel für die Zukunft ausgestattet sein sollte.
Zudem ist es trotz allen Aufwands ein kostengünstiges Marktforschungskonzept
wie eine Studie mit der Ludwig-Maximilians-Universität München ergab. Ermittelt wurden die Opportunitätskosten, die bei der Beauftragung eines
externen Instituts entstanden wären. Die Wissenschaftler ermittelten für den Zeitraum von April 2010 bis Ende 2011 einen Wert von 160 000 Euro für
BSH und Henkel, mit Luft nach oben, denn noch sind nicht alle marktforscherischen Möglichkeiten ausgeschöpft.
Ein solcher Erfolg macht leicht Appetit auf mehr. In Amsterdam wurde bereits das zweite Wash & Coffee eröffnet – natürlich um zu erforschen, wie der holländische Verbraucher seine Wäsche wäscht. Anfragen aus den USA und anderen Ländern, die das Konzept übernehmen
wollen, sind schon in München eingegangen. Das spricht eigentlich für einen größeren Rollout des Konzepts. Doch mitnichten. In München gibt man sich eher zurückhaltend. Die Chance, ein neues Geschäftsmodell zu etablieren, sieht zwar auch Launch-Managerin Schmitz. Allerdings hält sie einen nationalen Rollout für zu verfrüht. Hierfür müssten erst noch mehr Erfahrungen gesammelt werden, denn der Erfolg eines solchen Waschsalonkonzepts hänge von vielen Faktoren ab. Aber, nichts ist unmöglich.