Herr Freyberg, Sie sagen: „Wir hauen unsere Kunden nicht übers Ohr und lügen auch nicht.“ Sollte das nicht selbstverständlich sein?
Marc Freyberg: Sollte es. Aber manchmal muss man – bei dem Druck, der in unserer Branche herrscht – auch das Selbstverständliche noch einmal benennen. Wir möchten, dass Kunden möglichst viele Produkte bei uns kaufen, aber es muss sich fair für sie anfühlen. Das Schlimmste, was passieren kann: Ein Kunde kommt nach Hause, zeigt seiner Partnerin und seinen Kindern, was er gekauft hat, und die sagen: „Das steht dir doch gar nicht. Wer hat dir denn das aufgeschwatzt?“ Dieser Kunde kommt nicht wieder. Dann lieber ein Nein-Verkauf.
Ihre Stammverwender sind, so beschreiben Sie sie, „Traditionalisten und Disziplinierte“ über 59 Jahre.
Das ist unsere Fanbase, die jahre- oder sogar jahrzehntelang Erfahrung mit unseren Produkten hat. Viele sind im Kundenclub. Gerade bei ihnen spielt Vertrauen eine äußerst große Rolle. Wir dürfen sie nicht enttäuschen.
Mit dem Braxclub erreichen Sie eine beeindruckende Kundenbindung: 500.000 Mitglieder, mit denen Sie 70 Prozent des Umsatzes im Online-Shop und in Ihren stationären Läden erzielen.
Wir bemühen uns um attraktive Konditionen. Es gibt einen Willkommensgutschein, einen Geburtstagsgutschein, man kann Bonuspunkte sammeln. Ich will aber nicht leugnen, dass sich die Mitglieder durchaus heterogen zusammensetzen. Die Stammverwender nutzen die Karte wiederholt und sehr intensiv. Aber es gibt auch die Einmalkäufer, die nehmen den Willkommensbonus mit und wir sehen sie nie wieder.
Wir müssen mit Vorurteilen, etwa dass wir Hosen für alte Männer machen, aufräumen und die Kunden für uns begeistern.“
Ergänzend zu den Stammverwendern haben Sie eine strategische Zielgruppe definiert: „Offene und Harmoniser“ zwischen 35 und 59 Jahren. Was bedeutet Vertrauen hier?
Bei ihnen handelt es sich um Neukunden, die wenig Kontakt zu unserer Marke hatten. Da geht es um Vertrauensaufbau – vor allem, was modische Kompetenz angeht. Wir wissen, dass es in dieser Gruppe in Bezug auf unsere Marke Vorurteile gibt: dass wir Hosen für alte Männer machen zum Beispiel, weil schon der Opa eine Brax getragen hat. Mit diesen Vorurteilen müssen wir aufräumen und die Kunden für uns begeistern.
Wäre da nicht eine Zwei-Marken-Strategie angemessener?
Sehen wir nicht so. Es geht ja hier nicht um die Etablierung einer Jugendmarke. Unsere strategische Zielgruppe hat Lebenserfahrung, steht voll im Beruf, viele sind Familienmütter und -väter. Wenn ich Kunden zwischen 20 und Anfang 30 adressieren wollte, wäre das etwas anderes.
Brax ist für gute Beziehungen zu seinen Handelspartnern bekannt; Ihr Credo lautet „richtig, vollständig und pünktlich liefern“. Das klingt eigentlich banal.
Es ist ja manchmal gerade das Banale, das schwierig ist. Die Menschheit redet davon, zum Mars zu fliegen, in unserer Branche schaffen es aber viele nicht, sechs Monate vor der Lieferung Teile zu zeigen, die dann auch wirklich so kommen und nicht in einer anderen Farbe oder in einer anderen Ausführung.
Sie selbst sind seit 20 Jahren bei Brax fürs Marketing verantwortlich. Auch das ein vertrauensbildender Faktor?
Ich versuche jedenfalls, eine gute Balance zu finden zwischen Tradition und Moderne, zwischen Zukunftsorientierung und Gegenwartsbezogenheit.