Marketing zwischen Rohstoffmangel und Nachhaltigkeit

Die deutsche Wirtschaft leidet unter Rohstoffmangel und Lieferengpässen. Auch neue Bestrebungen in Sachen Nachhaltigkeit treiben die Preise in die Höhe. Im Marketing muss sich etwas ändern. Das zeigt eine exklusive Umfrage der absatzwirtschaft und Anxo Management Consulting.
Knappheiten und Nachhaltigkeit: Für viele Produkte sind die Preise gestiegen. Was heißt das fürs Marketing? (© Unsplash)

Durch den zunehmenden Rohstoffmangel stehen deutsche Unternehmen und Marken vor neuen Herausforderungen. Das betrifft inzwischen nicht mehr nur die Energiewirtschaft, sondern auch das produzierende und verarbeitende Gewerbe. Seit einigen Monaten ist zum Beispiel selbst Papier ein rares Gut. Außerdem herrschen Lieferengpässe in verschiedenen Branchen, was die oftmals coronabedingt gestiegenen Preise weiter in die Höhe treibt. Spätestens der russische Angriffskrieg auf die Ukraine festigt diesen Ausnahmezustand.

Gleichzeitig werden Rufe nach mehr Nachhaltigkeit lauter. Konsument*innen erwarten mehr Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen. Druck kommt immer mehr auch aus der Politik: Spätestens mit Inkrafttreten des Lieferkettengesetzes müssen Unternehmen unter anderem Klima- und Umweltschädlichkeit auch dann verhindern, wenn sie von kleinen Zulieferern in anderen Teilen der Erde verursacht werden.

Wie reagiert die Marketingbranche auf diese herausfordernde Gemengelage? Antworten hierauf liefern die Ergebnisse unserer Umfrage „Nachhaltigkeit: Mehr als reine Willensbekundung?“ in Zusammenarbeit mit Anxo Management Consulting.

Marketing hat die Augen offen

Das Marketing erkennt die Brisanz der Situation. Für einen Großteil der befragten Marketer*innen besteht dringender Handlungsbedarf. 83 Prozent von ihnen sind der Meinung, dass sich das Marketing angesichts aktueller Lieferengpässe und der Notwendigkeit nachhaltigen Handelns ändern muss. Das zeigt: Das Marketing klammert sich nicht an bestehende Strukturen und ist zum Handeln bereit.

Quelle: Umfrage von Anxo/absatzwirtschaft

Engpässe sind Preistreiber

Viele der Befragten befürchten, dass die aktuellen Knappheiten zu einer geringeren Vielfalt führen. Knapp die Hälfte von ihnen (47 Prozent) geht davon aus, dass Lieferengpässe zu einer reduzierten Produktvielfalt führen. Allerdings sind sich auch 28 Prozent noch unsicher und enthalten sich in dieser Sache.

Aktuell sind manche Produkte in Deutschland tatsächlich kaum verfügbar. Im März führte das immer wieder zu Hamsterkäufen von Lebensmitteln wie Sonnenblumenöl oder Weizenmehl. Hieraus resultierten wiederum höhere Preise für Konsument*innen. Den Ergebnissen unserer Umfrage zufolge sind die Preissteigerungen eine Folge von Lieferengpässen, wie 89 Prozent der Befragten angeben.

Knappheiten hemmen den Vertrieb

Die herausfordernde Lage hat auch Auswirkungen auf den Vertrieb. In Zeiten von Lieferengpässen muss der Vertrieb die Betreuung der Bestandskund*innen verstärken und dafür mehr Zeit aufwenden. 70 Prozent der Befragten bestätigen entsprechende Verzögerungen. Eine ähnliche Wirkung haben auch die branchenübergreifenden Preiserhöhungen. 74 Prozent geben an, dass Vertriebsorganisationen aufgrund gestiegener Preise mehr Zeit für das Management von Bestandskund*innen benötigen.

Qualitätsreduktion ausgeschlossen

Die Lage ist verzwickt. Unternehmen können Preiserhöhungen einerseits umgehen, indem sie die Qualität ihrer Produkte senken. Das wäre der kund*innenunfreundliche Ansatz. Glücklicherweise erachten nur 15 Prozent der befragten Marketer*innen eine geminderte Qualität als eine wirkliche Handlungsoption, um weiterhin profitabel arbeiten zu können. Das Gros (72 Prozent) lehnt entsprechende Maßnahmen strikt ab. Diese Mehrheit der Marketer*innen will die eigenen Standards aufrechterhalten, auch wenn Lieferengpässe für erhöhte Preise sorgen.

Quelle: Umfrage von Anxo/absatzwirtschaft

Neuer Fokus auf Transformation

Durch den Megatrend Nachhaltigkeit sieht ein Großteil der befragten Marketer*innen den Anlass für eine Neuorientierung. 82 Prozent von ihnen sind der Meinung, dass künftig die Begleitung der Transformation hin zur Nachhaltigkeit im Marketing in den Fokus rückt.

Die Transformation zum nachhaltigen Handeln muss vor allem eines: ganzheitlich gedacht werden. Viele Marken müssen sich repositionieren. 90 Prozent der Befragten betrachten das als logische Folge des aktuellen Nachhaltigkeitstrends. Damit begegnet das Marketing nicht nur den Zwängen des Klimawandels, sondern kommt auch den Forderungen und Erwartungen der Konsument*innen nach.

Der Trend zu mehr Nachhaltigkeit scheint sich auf allen Ebenen und in allen Bereichen durchzusetzen: Dass sich Marken zugunsten der Nachhaltigkeit repositionieren müssen, meinen die Befragten aus dem werbetreibenden (88 Prozent) und Dienstleistungssektor (94 Prozent) zu fast gleichen Anteilen. Ähnliches gilt auch für die Position im Unternehmen. Geschäfts- und Bereichsleitung folgen dem Trend mit einer Mehrheit von 89 Prozent. Gruppenleiter*innen und Mitarbeiter*innen stehen ihnen dabei in nichts nach – für sie beträgt der Wert sogar 96 Prozent.

Quelle: Umfrage von Anxo/absatzwirtschaft

Methode

Für die Umfrage haben wir vom 17. Februar bis 3. März online insgesamt 132 Personen befragt, die in den Bereichen Marketing und Vertrieb in Unternehmen, Beratungen und Agenturen tätig sind. Darunter waren 38 Prozent weibliche, 58 Prozent männliche und 1 Prozent diverse Teilnehmer*innen.

Die Positionen der Teilnehmenden im Unternehmen verteilt sich auf vier Ebenen: Geschäftsführung (35 Prozent), Bereichsleitung (37 Prozent), Gruppenleitung (17 Prozent) und Mitarbeiter*in (12 Prozent). 41 Prozent der Befragten arbeiten im Dienstleistungssektor (Agentur, Beratung und Sonstige), 59 Prozent der Befragten ist im Sektor der Werbetreibenden tätig.

(js, Jahrgang 2001) ist seit Juli 2023 freier Autor der absatzwirtschaft. Er ist fasziniert von neuen Technologien und der Frage, warum Konsumenten das tun, was sie tun. Außerdem ist er ein wahrer Espresso-Enthusiast.