Marketer haben vielleicht den härtesten Job überhaupt im Unternehmen. Sie tragen Verantwortung für den Teil der Wertschöpfungskette, der als Schnittstelle zu den Abnehmer*innen die größte Bedeutung hat. Trotzdem genießen sie zu wenig Wertschätzung in der Unternehmensführung – der sie konsequenterweise denn auch selten angehören. Nur die wenigsten (nach unseren Recherchen genau zwei) Dax-Unternehmen leisten sich einen CMO im Vorstand.
Warum ist das so? Zunächst einmal sind Marketer mit einer hochkomplexen Aufgabe betraut. Sie müssen in einem sich permanent verändernden Umfeld Entscheidungen treffen, etwa hinsichtlich der Verteilung von Budgets auf verschiedene Kanäle, über Kampagnen, über die Auswahl der richtigen Partner*innen und vieles mehr. Das sind andere Führungspositionen aber auch. Die vielleicht größere Herausforderung besteht im Nachweis dessen, was ihr Beitrag zum ökonomischen Erfolg ihres Unternehmens eigentlich genau ist, und hier liegt er Hase im Pfeffer. Laut einer Studie von WARC sagen 92 (!) Prozent der befragten Marketer, sie sähen sich genau hierzu nicht in der Lage.
Einfache, statt richtige Nachweise
Es mangelt, so die Studie weiter, beispielsweise an einem Kennzahlensystem, das die vielen vorhandenen Daten zu sinnvollen KPIs zusammenfasst. So sehen sich die Marketer außer Stande, einen Business-Case zu konstruieren, mit dem sie die „C-Suite“ beeindrucken können.
Die fehlende Fähigkeit, überzeugende Erfolgsnachweise zu liefern, ist aus meiner Sicht der wichtigste Grund dafür, dass Marketer in der Unternehmenshierarchie häufig allenfalls im Mittelfeld zu finden sind, und sicher auch dafür, dass die Verweildauer auf ihren Positionen vergleichsweise kurz ausfällt.
Absichern, absichern, absichern
Eine Folge davon ist, dass Marketingverantwortliche tendenziell konservativ entscheiden, also lieber auf Nummer sicher gehen. Wenn ich den Effekt meiner mutigen Entscheidungen nicht wirklich nachweisen kann, spare ich mir das Risiko lieber. Ein Beispiel: Studien zeigen, dass Budgets vor allem in Kanäle wie Social Media investiert werden, weil hier der (vermeintliche) Erfolgsnachweis besonders leichtfällt. Nicht der Impact der Budgetverteilung auf den Erfolg des Unternehmens steht also im Vordergrund (diesen sehen die Marketer sogar selbst eher kritisch), sondern die einfache Absicherung der Entscheidung. No risk, no fun.
Was folgt daraus für Agenturen? Sie sollten ihren „Purpose“ überdenken. Aus meiner Sicht müssen Agenturen ihre Aufgabe mehr denn je darin sehen, den Marketingverantwortlichen als Partner bei den beschriebenen Herausforderungen zur Seite zu stehen. Die Lieferung von „Big Ideas“ und kreativen und effektiven Kampagnen ist dabei nur ein Teil der Lösung. Es ist zusätzlich wichtiger denn je, dass Marketer und ihre Agenturpartner*innen gemeinsam Wirkungsnachweise zu ihrer Arbeit entwickeln, die auch ein CFO versteht. Hier liegt noch viel Arbeit vor uns.