Auf der Bachelor-Zeugnisübergabe traf ich viele Kommilitonen zum ersten Mal. Nicht wegen einer Pandemie oder eines Fernstudiums. Ich hatte schlicht Besseres zu tun, als sechs Semester in Hörsälen zu hocken. Stattdessen saß ich im Büro, stand am Fließband oder im Druckerraum. Bis heute bereue ich das nicht.
In drei Jahren Bachelor-Studium durfte ich die unterschiedlichsten Jobs, Unternehmen und Branchen kennenlernen: Human Resources im Softwareunternehmen, Logistik im Chemiekonzern, Finanzen im Verlagswesen. Wertvolle Erfahrungen, die weit über die trockene Theorie meines Pädagogikstudiums hinausgingen. Eine bessere Vorbereitung auf das Berufsleben hätte mir wohl nur ein duales Studium geboten. Ich bin ehrlich, dafür waren die Studi-Partys der Uni Mannheim einfach zu verlockend.
Experimente und Erfahrung statt Erleuchtung gesucht
In keinem der Jobs, Unternehmen und Branchen fand ich meine Berufung. Verdammt, ich war Mitte zwanzig. Ich wollte Experimente und Erfahrung, keine Erleuchtung. Nicht jede Erfahrung fruchtete, viele Experimente missglückten. Es gibt keine schnellere Möglichkeit, zu lernen.
Geld war für mich nicht der entscheidende Faktor. Eine der wertvollsten Erfahrungen hat mir keinerlei Gehalt gebracht: Ein Jahr ehrenamtliches Vorstandsmitglied einer Marketing-Initiative. Wenn du lernen willst, brauchst du keinen finanziellen Anreiz.
Hausaufgabe: Mach etwas Praktisches! Ob Coding, Backen oder Speaking – keine Frontalbeschallung
Noten und akademischer Ruhm waren zweitrangig. Das brachte einige schlaflose Nächte und unangenehme Gespräche mit meinen Eltern, aber nie ernste Konsequenzen. In Folge war mein Abschluss mit der Note 2,3 maximal durchschnittlich. Mein endgültiges Bachelor-Zeugnis habe ich nie einer Bewerbung beigefügt. Dafür aber ausführliche Arbeitszeugnisse von zwei Konzernen und einem Forschungszentrum. Mich einzustellen war für Unternehmen ein geringes Risiko.
So fand ich schneller einen Job als viele Muster-Studierende meines Jahrgangs. Drei Jahre lang habe ich Praxis über Theorie gestellt. Dafür werde ich auch in dreißig Jahren noch dankbar sein.
Alle bisher erschienen Teile zur Serie „Marketing gegen den Strom“, finden Sie hier:
Teil 1: „Marketing gegen den Strom“: Wenn alle weitermachen, starte neu
Teil 2: „Marketing gegen den Strom“: Wenn alle Theorie lernen, lern Praxis
Teil 3: „Marketing gegen den Strom“: Wenn alle ins Büro fahren, fahr alleine weg
Teil 4: „Marketing gegen den Strom“: Wenn alle Bewerbungen schreiben, schreib DMs
Teil 5: „Marketing gegen den Strom“: Wenn alle stehen bleiben, lauf weiter