Besonders deutlich zeigt sich dieser drastische Wandel im Lebensmittelhandel: Der Trading-Up Trend der Discounter bei gleichzeitigem Preiskampf führt dazu, dass sich die Filialketten in Richtung einer unprofilierten Mitte bewegen. Die Kunden wissen nicht mehr, wofür die Marken stehen und warum sie dort und nicht woanders kaufen sollen.
Diese Kernergebnisse der Verbraucherstudie „Retail Brands in Deutschland“ veröffentlicht die Strategieberatung für marktorientierte Unternehmensführung Batten & Company. Die alle zwei Jahre erhobene Studie setzt dabei ein Frühwarnsystem ein, das relevante Indikatoren über die Aktualität des Geschäftsmodells und Relevanz der Marktbearbeitung liefert. So lassen sich Veränderungen in der Konsumentenwahrnehmung frühzeitig identifizieren und relevante Gegenmaßnahmen ableiten.
Edeka und dm verringern Abstand zu Amazon
Die aktuelle Studie kommt zu folgenden Ergebnissen: Die Top 3: Amazon ist zum dritten Mal Deutschlands stärkste Retail Brand. Allerdings ist die Markenstärke von 8,74 auf 8,32 gesunken, was den Abstand zur Konkurrenz deutlich verringert. Diese konnte durch zunehmende Cross- und Multi-Channel-Angebote gewinnen und die Markenstärke ausbauen. Überraschungssieger auf Platz zwei ist Edeka. Hier wurde nach dem Absturz in der Studie von 2012 erfolgreich gegengesteuert. Drogeriemarkt dm ist mit 7,79 konstant stark und verteidigt Platz drei.
Die Marken mit positiver Entwicklung: Media Markt (7,22) kann den massiven Abwärtstrend der letzten Jahre abfangen und die Markenstärke wieder stabilisieren. Müller (6,76) ist mit einer Verbesserung von 13 Plätzen der Aufsteiger der Drogeriemärkte und gewinnt durch hochwertigen Markenauftritt und stetiger Filial- und Sortimentsprofilierung beim Kunden. Auch Edeka (7,80) hat seine Herausforderungen erkannt und mit umfassender Filialoptimierung und konsequentem Markenauftritt gegenüber Rewe an Markenstärke gewonnen.
Die Marken mit negativer Entwicklung: Karstadt (6,62) ist um 17 Plätze abgestürzt und liegt nun auf Rang 25. Die bisherigen Versuche der Neuausrichtung kommen nicht beim Kunden an. Auch Douglas (6,75) gehört zu den Verlierern. Ebenso wie bei Karstadt zeigen die Werte, dass der Relaunch der in die Jahre gekommenen Marke aus Konsumentensicht noch nicht geglückt ist. In der Baumarktbranche sorgen die Baumarktpleiten und der intensive Preiskampf für Verunsicherung. In diesem Segment verliert Hornbach (6,38) mit 12 Plätzen noch drastischer als die Konkurrenz.
Volatilität der Handelsbranche: Die hohe Volatilität sowie der starke Wettbewerbsdruck des Handels wirkt sich negativ auf die Klarheit der Markenimages sowie auf das Vertrauen in die Handelsunternehmen aus. Die Verbraucher reagieren mit Verwirrung auf die Vielzahl an Aktivitäten der Handelsakteure und quittieren die massiven Umbrüche durch Firmenpleiten beziehungsweise -krisen (Schlecker, Praktiker, Karstadt) und die Skandale um die Sicherheit der Nutzerdaten mit Verunsicherung und Vertrauensverlust. Es heißt zwar: „Handel ist Wandel“. Die Ergebnisse zeigen jedoch deutlich, dass viele Handelsmarken die richtige Balance zwischen Wandel und Kontinuität wiederfinden müssen.
Zeitliche Entwicklung von 2007 bis 2014: Der Vergleich im Zeitablauf zeigt eine insgesamt geringfügige Steigerung der Markenstärke. Diese ist jedoch maßgeblich durch den Anstieg der Bekanntheit getrieben und spiegelt damit lediglich die Intensivierung der Marktbearbeitung in der Branche. Gleichzeitig sinkt der emotionale Markennutzen über die Zeit deutlich. Dies ist als dramatisches Warnsignal für eine nachlassende Markenbindung der Verbraucher zu verstehen. Die Marken Amazon, Aldi und dm konnten sich konstant unter den Top 5 platzieren; Tchibo, Aldi, Ikea und Douglas zeigen im Zeitverlauf eine Abwärtstendenz.
Beispiele aus Baumarkt und Versandhandel: Überschattet durch Branchenpleiten schwächeln die großen Baumarktketten Bauhaus, Hornbach und Obi. Sie müssen sich unabhängig vom Preis wieder auf eine klare, differenzierende und nutzenstiftende Positionierung fokussieren. Auch Online-Pioniere können sich nicht auf ihren Erfolgen ausruhen, wie die ersten Warnsignale bei Amazon und Zalando zeigen.
Beispiele aus dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH): Viel Bewegung im LEH – der ehemalige Konzeptpionier Aldi fokussiert sich auf Preisaktionen und verliert damit die Kundenbedürfnisse aus dem Blick. Auch Rewe verzettelt sich in einer Vielzahl von Initiativen. Lediglich Edeka, Globus und Norma konnten ihre Markenstärke im Vergleich zur Studie von 2012 steigern.
Wirkung der LEH-Trends des Trading-Up und des Cross-Channel: Discounter befinden sich im Umbruch und nähern sich Supermärkten an, indem sie gestiegene Kundenbedürfnisse durch erhöhte Qualität optimal befriedigen möchten. Durch diesen Trading-Up Trend, gekoppelt mit der Aufwertung des allgemeinen Auftritts, werden die Marken austauschbarer. Cross-Channel-Prozesse als weitere Herausforderung: Supermärkte wie Edeka/Rewe betreiben bereits Lieferservices mit Lebensmitteln; jedoch verzichten Discounter wie Penny/Aldi darauf ganz bewusst. Lidl, Real und Netto hingegen setzen auf Erweiterungen des Sortiments durch Non-Food-Onlineshops. Diese Inkonsistenz der Positionierungen im LEH führt zur weiteren Markenverwässerung, obwohl der Konsument selbst sich eine „No-Line-Experience“ wünscht.
Was zu tun ist: vier „goldene Regeln“
- Handel ist Wandel – Händler müssen die richtige Balance zwischen Kontinuität und Innovation finden.
- Der Schlüssel zum Kunden ist eine kontinuierliche klare, attraktive und differenzierende Positionierung, die konsequent auf allen Ebenen und an allen Kontaktpunkten umgesetzt wird.
- Nachhaltige Profilierung von Retail Brands erfordert ein innovatives Markenmanagement, das sich mit ändernden Rahmenbedingungen fortwährend anpasst.
- Optimale Implementierung von Cross-Channel Maßnahmen führt zu Vorteilen von „No-line Experience“ beim Kunden und bietet die Chance zu reinen Online-Anbietern aufzuschließen.
(Batten & Company/asc)