Vor einigen Monaten endete eine der erfolgreichsten Kooperationen zwischen Musiker*innen und Modemarken: Der US-Rapper Kanye West brachte seit Jahren mit Adidas die Yeezy-Linie heraus. Die deutsche Sportartikelmarke aber ließ die langjährige Kooperation im Oktober 2022 platzen. Der Grund: Der Künstler äußert sich bereits seit längerem rassistisch und antisemitisch. Adidas reagierte auf eine Welle der Kritik über die Kooperation mit West. Nun sitzt der Konzern auf Yeezy-Produkten im Wert mehrerer Hundert Millionen Euro. Die Bestände sollen in diesem Jahr noch verkauft werden.
So wie Adidas geraten Marken immer wieder unter Beschuss, und das vollkommen zurecht. Viele Logos bringen eine rassistische Vorgeschichte mit sich. Das Logo der Wiener Kaffeemarke Julius Meinl zeigt einen Jungen mit Fez, einer traditionellen Kopfbedeckung im Orient und im Balkan. Der „Meinl-Mohr“ sei eine Hommage an die Geschichte, wie der Kaffee nach Wien kam, meint das Unternehmen. Viele sehen in der Figur allerdings blanken Rassismus. Inzwischen hat die Marke das Logo abgewandelt. Teile des Unternehmens beharren weiterhin auf dem ursprünglichen Logo.
Andere Marken tragen Namen mit rassistischem Hintergrund. In der Vergangenheit wurden zahlreiche Lebensmittelmarken aus diesem Grund kritisiert. Als Reaktion haben viele Unternehmen zum Rotstift gegriffen. Bei Nestlé beispielsweise wurden die Kekse namens „Negrita“ zu „Chokitas“. Auch Bahlsen benannte seine „Afrika“-Kekse zu „Perpetum“ um. Der Lebensmittelhersteller Mars hat seiner Marke „Uncle Ben’s“ ebenfalls einen neuen Namen verpasst: „Ben’s Original“. In den USA kam es – insbesondere im Rahmen der „Black Lives Matter“-Bewegung zu einer Vielzahl von Namensänderungen.
Proaktive Statements und Markenimage
Der Zeitgeist verlangt Markenkommunikation viel ab: Die Ansprüche der Kund*innen steigen und eine gewisse politische Haltung wird erwartet. Um mit der Zeit zu gehen, arbeiten viele Markenführungen heute mit politischen Statements und sozialem (Schein-)Aktivismus. Neben Nachhaltigkeit betrifft das vor allem auch alle Themen rund um Diversität.
Dass einige Marken sich in ihrer Kommunikation gegen Rassismus und Diskriminierung positionieren, ist deshalb wenig überraschend. Doch manche Marken gehen einen Schritt weiter und werden proaktiv – neben eigener PR und Statements werden gezielte politische Kampagnen gestartet, Spendengelder generiert und eine ethische Selbstverpflichtung eingeführt.
Vor allem in den USA zeigen sich diese Tendenzen. Marken wie Reebok unterstützten die Black Lives Matter Bewegung nicht nur verbal in ihren Statements und finanziell per Spenden, sondern schrieb auch Kontrollen und Preisverleihungen für Menschenrechtspolitik aus und kündigte außerdem die Einstellung eines externen Beraters an, der mit der wichtigen Aufgabe betreut werden sollte, die Diskriminierungsfreiheit des eigenen Betriebs unabhängig zu überprüfen.
Damit ist Reebok nicht allein: Mit Nike fällt auch eine andere große amerikanische Schuhmarke durch politische Kampagnen auf – zuletzt war das Unternehmen mit einer sehr direkten Kritik an rassistischen Aussagen und Verhaltensweisen des Ex-US-Präsidenten Donald Trump an die Öffentlichkeit gegangen. Auch weitere Marken wie Patagonia, The North Face oder Arc’teryx beziehen Stellung im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung.
Zurückhaltung deutscher Marken
In Deutschland zog 2022 die Deutsche Telekom mit ihrer “Gemeinsam gegen Hass im Netz”-Kampagne nach. Bereits zwei Jahre zuvor hatten sich mehrere deutsche Marken, darunter auch einige Dax-Konzerne wie SAP, Henkel und Beiersdorf, einem Werbeboykott gegen Facebook angeschlossen. Sie wollten das soziale Netzwerk mit diesem Schritt dazu bringen, entschlossener gegen Hasskommentare, Propaganda und „Fake News“ vorzugehen.
Ansonsten haben sich deutsche Marken in der Vergangenheit eher zögerlich verhalten, wenn es darum ging, ihre Stimme gegen Rassismus zu erheben und ihr Marketing dahingehend zu politiseren. Marken wie Fritz-Kola oder Vaude sind hier (positive) Ausnahmen.
Mit Kampagnen gegen Rassismus geht aber auch das Risiko einher, ungewollt genau gegenteilig als rassistisch begriffen zu werden und einen Shitstorm großer Tragweite auszulösen: Die Angst vor einem solchen Markenmissverständnis könnte ein wichtiger Grund für bisher eher zögerliche Kampagnen deutscher Marken sein. Denn am Ende geht es Marken natürlich nicht nur um ihr Image und ihre politische Haltung. Dann stehen ganz klar die Zahlen im Fokus; und missglückte Kampagnen können teuer werden. Im Zuge der Trennung von Kanye West musste Adidas schwere Einbuße verzeichnen. Ein Festhalten an der Kooperation wäre gegebenenfalls noch teurer gewesen. Die Positionierung einer Marke ist also nicht nur ein Zeichen von Haltung, sondern auch der klugen Berechnung von Kosten.