Zwei Wochen nach Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten nimmt das Kabinett der neuen Regierung Gestalt an. In vorderster Reihe: Elon Musk – manchmal der reichste Mensch der Welt, immer der mit einer eigentümlichen Vorstellung von Meinungsfreiheit (bei ihm geht’s ja schließlich um die Freiheit zu seiner Meinung). Musk nimmt im „Dream Team“ des Autoritären eine Sonderrolle ein und soll als Chef einer „Abteilung für Regierungseffizienz“ die Staatsausgaben kürzen.
Derweil schrecken Marken auf, die eben noch die „moralische Haltung“ vor sich hertrugen und X (ehemals Twitter) boykottierten. Manche kehren sogar zurück: Disney, IBM, Comcast und Warner Bros haben sich wieder eingefunden. Zweck: bloß keine finanziellen Einbußen riskieren. Der Financial Times zufolge wollten die Konzerne sich nicht den Unmut der Trump-Musk-Allianz zuziehen, um keine möglichen wirtschaftlichen Nachteile heraufzubeschwören.
Die Angst ist nicht unbegründet, Musk hatte boykottierende Unternehmen beschimpft und verklagt. Doch mit der Rückkehr zu X wird Haltung zur Randnotiz – vor allem dann, wenn es ums Geschäft geht. Ein Armutszeugnis: Werte halten manchmal eben nur bis zu den nächsten Quartalszahlen.
Marken tauschen kurzfristige Gewinne gegen langfristige Glaubwürdigkeit
Denn was ist diese Rückkehr anderes als „Purpose Washing“? Haltung predigen und sie im nächsten Atemzug ablegen, wenn es unbequem wird. Klar, Mut kostet, gerade wenn ein Zornriese wie Musk mit Repressalien droht. Doch die Sache hat einen Haken: Diese Unternehmen riskieren einen langfristigen Reputationsschaden, der sich nicht so schnell reparieren lässt. Die Rückkehr zu X ist ein Kniefall, der nachhallen wird – denn wer einknickt, bleibt im Gedächtnis.
Die wahre Gefahr für die Zukunft dieser Unternehmen liegt dabei nicht in der Opposition zu Musk oder Trump, sondern in ihrer Zustimmung. Die Nobelpreisträger Daron Acemoglu, James Robinson und Simon Johnson haben gezeigt: Wohlstand und Stabilität gründen auf starken Institutionen, nicht auf „starken Männern“. Doch Trump und Musk haben nichts Geringeres im Sinn, als genau diese Institutionen zu schwächen. Unternehmen, die zurückkehren und sich aus Angst oder Profitkalkül anpassen, setzen sich in die Abhängigkeit von Machtstrukturen, die langfristig nur einer kleinen Elite nützen.
Die eigentliche Frage lautet daher: Welche Zukunft wollen sich diese Marken schaffen? Wollen sie kurzfristige Gewinne eintauschen gegen die langfristige Glaubwürdigkeit und Integrität ihrer Marke? Wer fürchten muss, dass seine „moralische Haltung“ nur hält, bis die nächste Quartalsbilanz winkt, wird es schwer haben, das Vertrauen der Konsument*innen zurückzugewinnen. Denn Markenwerte sind kein modisches Accessoire – sie sollten das Fundament sein, auf dem die Reputation eines Unternehmens ruht.