Die Peking Auto Show elektrisiert gerade die internationale Automobilbranche. Während andere Regionen auf veränderte Mobilitätsbedürfnisse reagieren müssen, verspricht der chinesische Markt weiter steigende Absätze. Allein 2013 verkauften Hersteller aus aller Welt 16,3 Millionen Pkw. Für dieses Jahr geht das CAR-Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen von einem Absatz von rund 18 Millionen Fahrzeugen aus. Das ist erneut ein deutliches Plus von über zehn Prozent, von dem vor allem auch Premiummarken profitieren werden. Kein Wunder also, dass Autobauer rund um den Globus ihr Engagement in China weiter verstärken.
Bei allen Chancen warten vor Ort jedoch auch Fallstricke für die Unternehmen. „Wer sich chinesischen Kunden einfach so präsentiert wie in anderen Märkten auch, wird scheitern“, warnt Leif Geuder, Geschäftsführer von Becc, einer Agentur für Markenstrategie und Markenkommunikation mit langjähriger China-Erfahrung. „Nur Marken, die China verstehen und in ihre Präsenz aufnehmen, werden langfristig profitieren“, sagt Geuder. Aus seiner Sicht gibt es drei elementare Spielregeln, die Unternehmen bei der Markenführung in China berücksichtigen müssen.
1. Einzigartigkeit und Luxus
Gerade westliche Marken sind für die aufstrebenden chinesischen Schichten das, was sie lange in Europa waren: ein Statussymbol, mit dem sie sich in der Gesellschaft von anderen abheben können. Im Gegensatz zu Europa will Chinas Elite ihren Erfolg offen zeigen. Sie entscheidet sich für Produkte, denen man ansieht, dass sie etwas Besonderes sind. „Das gilt vor allem für Premiumfahrzeuge“, unterstreicht Geuder. „Bei den Kunden boomt geradezu das Bedürfnis nach dem Statussymbol ‚Auto‘.“ Hierbei gilt konkret: Je exklusiver, desto besser. Entsprechend sieht man auf Chinas Straßen sehr viele Premium- und Luxusfahrzeuge in Exklusiv-Versionen.
Ebenfalls hoch im Kurs stehen Individualisierung und Patriotismus. Rolls-Royce beispielsweise hat in den vergangenen Jahren Sonderanfertigungen für den asiatischen Markt herausgebracht. Passend zum „Year of the Dragon“ schmückt unter anderem ein goldfarbener Streifen mit Drachenlogo die Silhouette der Karosserie. Auf der diesjährigen Peking Auto Show präsentiert der Luxusfahrzeughersteller den Rolls-Royce Pinnacle Travel Phantom. Der Innenraum des Phantom ist mit Holzintarsien verkleidet, die eine fahrende Dampflok darstellen. „Ein Hinweis auf die Liebe zum Luxus bei Chinas Elite“, sagt Geuder. Aber auch andere Hersteller greifen den Wunsch nach Größe auf – Mercedes mit der C-Klasse in der Langversion und BMW mit seiner Konzeptstudie „Vision Future Luxury“.
Während in Europa oft darauf verzichtet wird, Modell und Motorisierung teurer und großer Autos auf dem Heck zu kennzeichnen, wird in China gerade darauf Wert gelegt. Bei der Kommunikation und Präsentation von Marken gilt ebenfalls: Mehr ist mehr. Geuder erläutert: „Filme und Bespielungen auf chinesischen Messeständen und in Schauräumen sind prachtvoller und offensichtlicher auf Luxus ausgelegt als in Europa. Die große Bühne sowie ein lauter und mitunter auch schriller Auftritt gehören dazu. Dem Markenexperten zufolge müssen europäische Premiumhersteller mit dem Hang zum reinen Understatement deshalb die Balance finden. Sie sollten ihrem Markenkern gerecht werden und gleichzeitig chinesische Anforderungen erfüllen.
2. Auf chinesischen Straßen liegt kein schnelles Geld
Für den Erfolg in China ist ein ehrliches und langfristiges Engagement erforderlich. China tickt auf seine eigene Art und Weise. Funktionierende Strategien aus anderen Märkten fruchten deshalb sehr selten. „Marken müssen das Land und seine Besonderheiten ernst nehmen“, verdeutlicht der Becc-Geschäftsführer. „Sie müssen die chinesischen Konsumenten und ihre Bedürfnisse verstehen und entsprechend adressieren.“ Verantwortliche und Unternehmen sollten sich deshalb die Zeit nehmen, um ihre neuen Kunden kennenzulernen und entsprechende Angebote machen.
Ein Beispiel dafür ist die Nachfrage nach Limousinen mit gestrecktem Radstand auf dem chinesischen Markt. Für viele gutsituierte Chinesen ist die Langversion wichtig, denn wer es sich leisten kann, fährt nicht selbst. Diese Aufgabe übernehmen Chauffeure. Und wer hinten sitzt, will Komfort. „Was für den westlichen Geschmack ungewohnt aussieht, verspricht für chinesische Kunden den gewünschten Auftritt“, sagt Geuder. Marken müssen sich das Wissen um diese Bedürfnisse erarbeiten. Nur auf dieser Basis ist es möglich, wirksame Ideen und Angebote zu entwickeln sowie die eigene Identität im chinesischen Markt entsprechend zu positionieren. Das erfordert Ausdauer und geht nur Schritt für Schritt. „Wer auf kurzfristige Gewinne aus ist, sollte den chinesischen Markt meiden“, rät Geuder.
3. Qualität ist kein Alleinstellungsmerkmal
China verfügt über eine eigenständige Identität mit einer mehr als 5.000 Jahre alten Kultur. In seiner Geschichte hat das Land zahlreiche technische Entwicklungen und Innovationen hervorgebracht und weiter ausgebaut. Gerade im Bereich der Qualität holen chinesische Unternehmen auf und erreichen mit westlichem Know-how mittlerweile fast dasselbe Niveau wie etablierte Marken: Aus „Made in China“, dem Synonym für günstige Massenware, wird „New made in China“, Qualität nach europäischen Standards zu einem attraktiven Preis. Auf diese Leistung sind chinesische Verbraucher sehr stolz. Passt die Qualität, entscheidet sich eine Vielzahl der Konsumenten heutzutage deshalb auch für einheimische Produkte.
„Marken müssen den chinesischen Patriotismus berücksichtigen“, sagt Geuder. Dazu gehören auch stets ein chinesischer Partner sowie ein gutes Netzwerk vor Ort. Auch eigene Produktionsstandorte und exklusiv für den chinesischen Kunden gefertigte Produkte unterstützen den Erfolg im Reich der Mitte. Marken, die allein auf westliche Qualität setzen, werden langfristig verlieren. Vielmehr müssen Unternehmen und ihre Marken echte chinesische Komponenten erhalten.