Marken mit echtem Impact 

Verbrauchende verändern ihr Kaufverhalten, aber nur, wenn die Narrative und Geschichten relevant und glaubwürdig sind. Ein Gastbeitrag über nachhaltigen Konsum und die Lücke zwischen Sagen und Machen.
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Europa Bendig ist seit 18 Jahren Co-Geschäftsführerin der Hamburger Research- und Transformations-Agentur Sturm und Drang. (© privat/ Montage: Olaf Heß)

Fragt man die Verbrauchenden, ob es ihnen wichtig ist, ökologisch und ethisch nachhaltige Produkte zu kaufen, antworten sie mit überwältigender Mehrheit mit ‚Ja‘: 78 Prozent finden laut einer McKinsey-Studie einen nachhaltigen Lebensstil für sich persönlich wichtig. Dennoch berichten uns Marketing- und Produktverantwortliche, dass die Verbrauchernachfrage für nachhaltige Produkte schwierig zu erzeugen sei: Viele Marken bringen neue Produkte mit ESG-Aussagen auf den Markt, um dann feststellen zu müssen, dass der Absatz hinter den Erwartungen zurückbleibt. Wie kann beides wahr sein? Interessiert es die Verbrauchenden wirklich, ob Produkte ESG-bezogene Aussagen enthalten? 

Glaubwürdige ESG-bezogene Claims finden

Weitere Studien von McKinsey und NielsenIQ zeigen: Produkte, die ESG-bezogene Aussagen machen, verzeichnen ein Wachstum von 28 Prozent gegenüber 20 Prozent bei Produkten, die keine derartigen Aussagen machen. Verbrauchende verändern somit tatsächlich ihr Kaufverhalten, aber nur, wenn die Narrative und Geschichten relevant und glaubwürdig sind. Die Kaufbereitschaft der Konsumierenden kann nur aktiviert werden, wenn Marken spezifische ESG-bezogene Aussagen machen. Solche, die den Markenwert, die Innovations- und Interaktionsstrategie unterstützen.   

Um solch glaubwürdige ESG-bezogene Claims für Marken zu finden, haben wir ein strategisches Steuerungstool entwickelt: eine Karte der nachhaltigen und regenerativen Narrative. Diese Übersichtskarte beinhaltet die vier wichtigen Territorien, in denen sich Marken heute glaubwürdig und relevant als nachhaltige Marken positionieren können: 

a) Conscious Behavior – Hier unterstützen Marken regeneratives Verhalten wie Refill, Repair, Recycle, Upcycle und die Nutzung von Zweitmärkten. 

b) Responsibility of Resources – In diesem Feld betonen Marken ihre Transparenz, planetare Verantwortung und ressourcenschonende Geschäftsabläufe.  

c) Fairness to others – Marken in diesem Territorium agieren sozial, übernehmen Verantwortung für alle Lebewesen und ihre Vielfalt. 

d) Healthy Life – Hier versprechen Marken körperliche und mentale Gesundheit durch eine Reinheit und Natürlichkeit der Inhaltsstoffe. 

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Unsere Karte der nachhaltigen und regenerativen Narrative. (©Sturm und Drang)

Von neuen Narrativen zum Impact 

Echter Impact entsteht aber nicht, indem man über Nachhaltigkeit spricht. Daher ergänzt unser “Protopia Playbook” die Karte der nachhaltigen und regenerativen Narrative um verhaltensleitende „Hacks“. Hier haben wir sich wiederholende Erfolgsmuster aus Unternehmen verschiedener Größen für alle Narrative auf der Karte gesammelt. Diese Hacks helfen Markenverantwortlichen, Nachhaltigkeit in der Markenerfahrung und -Interaktion zu verankern. Ein einfaches Beispiel: Wenn Sie sich nicht zu mehr Bewegung an der Luft durchringen können, schaffen Sie sich einen Hund an.

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Das “Protopia Playbook” mit dem Narrativ “längere Lebenszyklen”. (©Sturm und Drang)

Bekannte Beispiele großer Marken sehen wir aktuell vor allem im Quadranten „Conscious Behavior“. Wenn eine Marke sich beispielsweise für das Narrativ “längere Lebenszyklen” entscheidet, stehen verschiedene Hacks zur Auswahl. Spielen Sie es gedanklich mal durch: Wie könnte einer der Hacks vielleicht Ihr Angebot und das Konsumverhalten verändern? Hier eine Auswahl: 

1. Refurbished – Der Hack nutzt den deutlich günstigeren und daher attraktiven Preis und gleichzeitige Garantien für die Verhaltensänderung, wie bei den Plattformen Backmarket oder Refurbed, die runderneuerte Secondhand-Technik anbieten. 

2. Pre-Loved – Dieser Hack beinhaltet eine Umdeutung des Glaubenssatzes: Alt ist wertlos. Hier wird gebrauchten Produkten durch ihre Geschichte und Geschichten Wert gegeben. Ein Beispiel ist Ebay, das zu Weihnachten mit seinem Pre-Loved-Pop-up-Store für Geschenke wirbt, “die Geschichten erzählen”. Ein weiteres Beispiel sind die “Worn-Wear -Stories“ von Patagonia, in der Nutzende erzählen, wie geliebte Produkte für sie mit jeder Nutzung an ideellem Wert gewinnen. 

3. Upcycled – Diese Hacks nutzen die Herkunft der Produkte, um ihre Zielgruppen zu aktivieren. Ein Beispiel sind die Hacks von Kultbag: Sie begeistern unter dem Thema “Alarm” Feuerwehrfans mit robusten Taschen aus Feuerwehr-Textil. 

Nachhaltigkeit ist eine Reise

Authentizität und Einzigartigkeit bleiben also auch bei nachhaltigen Narrativen und Hacks unverzichtbar. Und sie sollten in der Haltung der Marke verankert sein. Denn wer sich auf den nachhaltigen Weg macht, wird beobachtet – und die Community kann sehr streng sein.  

Das ist aber kein Grund sich nicht auf den Weg zu machen, denn vor allem Lead User sind der Meinung, dass Nachhaltigkeit weniger eine Eigenschaft, sondern eine Bewegung, ein Prozess, eine Reise ist. Sie messen den Impact von Unternehmen und Marken eher an der Transparenz ihrer Entscheidungen, den Rückschlägen und den positiven Auswirkungen ihrer Handlungen als an ihren Worten und erklärten Zielen.  

Nehmen wir die Stolpersteine als Einladung, darüber zu springen. Denn, dass die Welt neue Lösungen braucht, wissen wir doch alle! 

Europa Bendig ist Co-Geschäftsführerin der Hamburger Research- und Transformations-Agentur Sturm und Drang. Ihr Spezialgebiet ist die Erforschung von kulturellen Codes und Narrativen, die Marken und Portfolios kulturelle Relevanz geben und Kundenbindung schaffen. Aktuell widmet sie sich in Forschung und Vermittlung vor allem den Themen Gesundheit und Nachhaltigkeit.