Was heisst „Nationen machen Marken“? Marken nutzen ihre Herkunft, um sich erfolgversprechender im globalen Wettbewerb zu positionieren. Sie versuchen, von der über lange Zeit aufgebauten Vermutung oder Überzeugung der Menschen über die besonderen Stärken ganzer Nationen zu profitieren. Ein Auto „Made in Germany“ muss von deutscher Ingenieurkunst geprägt sein, glauben Menschen weltweit. Mit dem Anzug „Made in Italy“ wird jederman zum leidenschaftlichen Liebhaber. Und die Luxusuhr „Swiss made“ vermittelt den Extrahauch von Exklusivität, den sich der statussüchtige Träger ersehnt.
Sehr anschaulich hat sich gerade letzteres, das „Made in Switzerland“, im Laufe der letzten Jahre zum Renner entwickelt. Nicht nur die Marketingwelt weiss: „Swissness“ liegt voll im Trend und hat sich zur Kernbotschaft unzähliger Marken aus den unterschiedlichsten Sektoren entwickelt. Die Hoffnung herrscht längst nicht mehr nur im Herkunftsland, dass Angebote vom Banking über das Fliegen bis zum Kaffeeautomaten und zum Hautpflegmittel dann weltweit als attraktiv und begehrenswert wahrgenommen werden, wenn sie das weisse Kreuz auf rotem Grund tragen, dazu am besten noch einen Namensbestandteil „Swiss“ führen, und ihr gesamter Auftritt in Weiss-Rot getaucht ist.
Was geht in unseren Köpfen eigentlich vor, wenn wir derart blind national geprägten kollektiven Qualitätsversprechen hinter unternehmerischen, also individuellen, Leistungen vertrauen? Gemessen an zeitgemässen Rationalitätsvorstellungen nicht sehr viel Vernünftiges. Denn wer hat noch nicht vernommen, dass die Globalisierung der Weltwirtschaft unter anderem auch dazu geführt hat, dass das „Made in“ nur noch wenig darüber aussagt, wo das derart gekennzeichnete Produkt in wesentlichen Anteilen hergestellt wurde. Und wer hat noch nicht beobachtet, dass auch bei den sogenannten Premiummarken in der Luft das Personal nicht immer von dort herstammt, woher die Marke vermeintlich ihre jeweiligen Vorzüge bezieht. Und überhaupt: sind es nicht bedauerliche und überholte Vorurteile, wenn wir Leistungsversprechen von Marken aufgrund vermeintlicher kultureller Eigenschaften ganzer Bevölkerungen von Ländern vertrauen?
Hier taucht dann auch der erste Ansatz auf, die Kausalität versuchsweise einmal in umgekehrter Richtung zu denken. Also nicht „der Deutsche“ bürgt weltweit für „Freude am Fahren„ (er kann ja tatsächlich auch ganz anders), sondern BMW, Mercedes und Porsche verbreiten weltweit die Nachricht, dass aus dieser Region der Welt männliche Fahrfreude, vorzeigbare Exklusivität und technische Perfektion auf vier Rädern geliefert wird. Nicht Frankreich macht den besseren Schaumwein, sondern Veuve-Clicquot sorgt dafür, dass weltweit Champagner den exklusivsten Status in seiner Kategorie geniesst. Nicht „Made in Italy„ ist die Basis für den Erfolg italienischer Herrenkonfektionäre, sondern „Made by Armani, Eremengildo Zegna oder Brioni“ verleihen dem „Made in Italy„ seinen weltweiten Glanz. Oder in anderen Worten: diese Marken machen „ihre„ Nationen.
Historisch präzisierend müsste man hinzufügen, dass diese vielleicht noch junge Entwicklung zukünftig an Bedeutung gewinnen wird. Das beschriebene Phänomen reflektiert den Bedeutungsgewinn der Institution Marke in den letzten Jahrzehnten. Unsere Wahrnehmung unserer Welt wird mehr und mehr von den Konstruktionen der Markenmacher beeinflusst. So hat beispielsweise erst die Marke Lange das jahrzehntelang vergessene Örtchen namens Glashütte wieder auf der Weltkarte platziert. So definiert Samsung, wie sich das Bild Südkoreas für die Mehrheit der Weltbevölkerung gestaltet. Und so müsste man den Nationen, die noch um ihren vorderen Platz in der Weltliga der Völker kämpfen, empfehlen, in ihren Grenzen Ausschau nach entwickelbaren Weltmarken zu halten. Ganz nach dem Motto: Marken machen Nationen.
Über den Autor: Prof. Dr. Jürgen Häusler ist CEO von Interbrand Zintzmeyer & Lux.