Wovon lassen sich Entscheider begeistern, was spricht sie emotional an? Die aktuelle Ausgabe des seit 2000 in zweijährigem Rhythmus durchgeführten IRES-Faszinations-Atlas Entscheider bildet 257 Marken ab und ermittelt, welche die stärkste Faszination auf b2B-Partner auslösen. Natürlich können Gegenüberstellungen dieser Art markenspezifische Untersuchungen nicht ersetzen. Im Sinne eines Faszinations-Scoutings liefern sie jedoch B2B-Strategen erste Hinweise auf Faszinations-Stärken und -Schwächen, die sie in tiefergehenden Studien ausloten. (Abb. 1).
Was fällt auf? Der Faszinationsgrad der meisten Namen gegenüber der letzten Ausgabe des Faszinations-Atlas von 2004 legt zu. Von der optimistischeren Stimmung im Land – je zuversichtlicher, umso faszinationsbereiter -profitieren besonders Google, Airbus, IKEA, ADAC und Coca-Cola. Ihre Position in der Faszinationshierarchie verbessert sich erheblich. Gegen den Trend entwickelte sich Mercedes-Benz – möglicherweise Ausdruck die vielfach erörterten Probleme der Marke (Abb. 2).
Sieben Kerndimensionen von Faszination
Doch Vorsicht: Die hohen Einordnungen der Top-50 zeigen zunächst nur, dass Entscheider diese Marken und Unternehmen als faszinierend erleben. Bei dem Versuch, zu fragen, wie das Faszinationsprofil aussieht und welche Anmutungen sie auslösen, lassen sich bei den Entscheidern – wie im Übrigen auch in der Bevölkerung – sieben Kerndimensionen von Faszination bestimmen. Dabei erscheinen Substanz (erfolgreich, selbstbewusst, überzeugend) und Prägnanz (eigenständig, unverwechselbar, ausgefallen) als Grundbedingungen. Eine Brand, die fasziniert, überzeugt auf dieser Skala (Abb. 3).
Fünf weitere Kerndimensionen – Dynamik, Niveau, Solidität, Menschlichkeit/Nähe, Thrill – beschreiben die individuelle Brand-Konturierung: Lässt der eine Name zum Beispiel Dynamik und Thrill erleben, kommuniziert der anderer Niveau und Solidität, und ein dritter Menschlichkeit und Nähe. Am Beispiel dreier Namen aus den Top-50 charakterisiert Porsche Niveau, ebay Dynamik und Thrill, während sich Aldi in der Dimension Solidität hervorhebt (Abb. 4).
Interessanter erweisen sich Vergleiche bei Vertretern desselben Sektors. Hochklassige Automobilmarken beispielsweise, liegen mit ihren Profilen oft nahe beieinander, und sind doch individuell konturiert: Porsche hat sein Plus bei der Prägnanz und fällt bei Solidität und Menschlichkeit/Nähe zurück. Hier wie auch im Bereich Dynamik punktet BMW, während Mercedes-Benz bei Dynamik – wie auch Thrill – absinkt, dafür abei Solidität signalisiert (Abb. 5).
Werthaltungen und Interessen, die faszinieren
Der Atlas bildet gut 120 mögliche Faszinationsauslöser ab. Das Ergebnis für die Top-50: Frieden und Gesundheit führt die Liste der Faszinationsauslöser an, dazu gehören Liebe, Familie, Freundschaft und Partnerschaft wie Freiheit und Intelligenz. Erfolg im Beruf und Freizeit haben hier ihren Platz, ebenso attraktive Frauen, Naturgewalten und Geld (Abb. 6).
Im Vergleich zu den Ergebnissen von 2004 gilt auch hier: eine zuversichtlichere Grundhaltung führt zu einer Erhöhung vieler Faszinationswerte. Der Reiz eines sicheren Arbeitsplatzes, einer Erbschaft oder des Ruhestands flacht ab, dafür legen Leistung und Kreativität zu – wohlgemerkt: Das gilt für Entscheider. Ein deutliches Plus zeigt auch Familie, Partnerschaft, Treue und Kinder. Hinzu gewinnen Gelassenheit und Zukunft. (Abb. 7).
Der Atlas bringt die Gesamtentwicklung auf die Formel: (Partnerschaft + Kinder) x (Leistung + Kreativität) = Zukunft. Der Vergleich der Top-50-Brands mit den Top-50-Werthaltungen/Interessen zeigt: Erzielen die faszinationsstärksten Unternehmen und Marken Werte zwischen 5,5 und 7,3 auf der bis 10 reichenden Faszinationsskala, so kommen die Werthaltungen und Interessen auf Werte zwischen 6,8 und 8,7 – sie faszinieren also stärker. Daraus ist zu schließen: Koppeln Marketeers ihre Marke an Werte und Interessen, die ihre Zielgruppe in besonderem Maße verfolgen, ergeben sich Möglichkeiten, die Marke aufzuladen.
Ein Beispiel: Von Porsche faszinierte Entscheider reizen in besonderem Maße Macht, Durchsetzungskraft, Abenteuer und Sex; auch spricht sie an, eine Erbschaft zu machen – eventuell um ihren PKW-Traum zu realisieren. Deutsche-Bahn-Faszinierte fahren überproportional auf andere „deutsche“ Unternehmen ab – auf die Deutsche Post, Deutsche Bank, Deutsche Telekom, Deutscher Ring –, Unternehmen, die im Entscheider-Querschnitt insgesamt eher wenig reizen; außerdem träumen sie vom Ruhestand, 45 Prozent sind schließlich 50 Jahre und älter. Rolex-Faszinierte haben eine Faible für Golf, Reiten und Tennis. Der IRES-Faszinations-Atlas Entscheider veranschaulicht die Interdependenzen zwischen Brands und anderen Faszinationsauslösern.
Autor:
Dieter Franke ist Vorsitzender der Geschäftsleitung und Gesellschafter bei der Ires Gesellschaft für Unternehmens-, Marketing- und Kommunikationsforschung.
eingestellt am 25. November 2006