Das Wuppertaler Unternehmen Wera kann stolz auf eine über 80-jährige Tradition verweisen. Mit über 1000 Mitarbeitern an verschiedenen Standorten weltweit spricht der Schraubwerkzeughersteller vor allem Profianwender, aber auch private „Schrauber“ an. 2016 wurde Wera von der Bitburger Holding übernommen. Zuvor hatte bereits ein umfassender Neuorientierungsprozess für das Unternehmen eingesetzt. Das Ziel: Die Marke schärfen und digitale Medien zum zentralen Kommunikationskanal machen. Bislang hatte Wera in der digitalen Sphäre noch nicht recht Fuß gefasst.
Unterstützung holte sich das Unternehmen von der Bergischen Universität Wuppertal, ein gemeinsames Projekt zur Neuausrichtung lief im Wintersemester 2016/17. In puncto Markendefinition stellte man sich eine einfache Frage: Was wäre Wera, wenn Wera Musik wäre? Die Antwort: harter, ehrlicher, schweißtreibender Rock’n’Roll. Wera-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter wurden schon seit Langem in der Branche als Rocker oder Rebellen bezeichnet, weil das Unternehmen immer wieder mit überraschenden Innovationen aufwartet. Hinzu kommt, dass das Team ziemlich gern zusammen feiert. Wera entschied also, ab 2016 als „Tool Rebels“ aufzutreten – eine Bezeichnung, die inoffiziell schon länger benutzt wurde. „Be a Tool Rebel“ heißt der Claim, der auch die Kunden zur Mitgliedschaft in der illustren Gemeinschaft aufruft. „Wir fühlen uns wirklich als Rebellen, stellen immer alles in Frage“, sagt Wera-CEO Martin Strauch. „Es gibt keine Denkverbote. Unsere Mitarbeiter sollen maximal kreativ und innovativ sein.“
In seiner Kundenansprache unterscheidet Wera bewusst nicht zwischen Profis und Privatkunden
Genauso wichtig wie der Markenkern war die konsequente Ausrichtung auf die digitalen Kanäle. Da man keine externe Agentur betrauen wollte, zurrte man – ebenfalls mit Hilfe der Bergischen Universität – ein intern betreutes Konzept fest. Die passenden Kanäle für die Zielgruppe wurden bestimmt, genauso wie geeigneter Content für die sozialen Medien und in jedem Land Mitarbeiter, die die Strategie aktiv mitgestalten konnten. Grundlage für alle Inhalte ist die „Tool Rebel“-Welt. Sie sorgt dafür, dass ein von Hause eher nüchternes und rationales Produkt wie Schraubwerkzeug stark emotionalisiert wird – und zwar für alle Anwender gleichermaßen. In der Ansprache seiner Kunden unterscheidet Wera bewusst nicht zwischen Profis und Privatkunden.
Seitdem kann man in eine digitale Wera-Welt eintauchen, die Produktinformation und Entertainment geschickt verbindet. Es gibt „Tool Rebel Stories“ über Rennsport, Motorradtrips und Tattoo-Fans. Wera TV erklärt die Produkte und setzt sie in Szene, als seien es Hardrock-Videos – elektrische Gitarren sorgen für den Soundtrack der gesamten „Tool Rebel“-Welt.
Teil der Digitalstrategie sind auch regelmäßig neue Service-Tools. So wurden 2019 die Wera-App und der Produktfinder auf wera.de neu konzipiert. Zudem werden die Werkzeuge mit Augmented Reality greifbar: Auf dem Smartphone oder Tablet geöffnet, lassen sie sich in 360-Grad und als 3D-Objekt in realer Umgebung anzeigen.
Wera misst alle digitalen Aktivitäten nach harten KPIs
Alle digitalen Aktivitäten misst das Unternehmen nach harten KPIs wie Reichweite, Interaktionsrate, Abonnenten und Aufrufe. Das eigentliche Erfolgsrezept liege aber in den Soft-KPIs, so Wera: Herrscht eine positive Stimmung in der Community? Ist die Kommunikation relevant und sympathisch? Gibt man sich genug Mühe, so dass der Gesprächspartner im Netz zufrieden ist? Das Ergebnis: Wera schart mit seinen Rebellen immer mehr Fans und Follower um sich. Die Seite auf Facebook zählt fast 567.000 Abonnenten, bei Instagram sind es knapp 55.000.
Aber auch in der physischen Welt sorgt Wera immer wieder für Aha-Effekte. So präsentierte sich die Marke mit ihren Produkten beim Hardrock-Festival „Wacken Open Air“ – in ihrem ureigenen Biotop also. Aufsehen erregt auch regelmäßig ein 65 Meter hoher Heißluftballon in Form eines Wera-Schraubendrehers mit Klinge. Zudem sind hauseigene Adventskalender und Ostereier, gefüllt mit Werkzeug, zu veritablen Verkaufsschlagern geworden.
Bei all dem vergisst Wera natürlich nicht, kontinuierlich am Produktportfolio mit über 3000 Werkzeugen zu arbeiten. Im März kam zum Beispiel „Kraftform Turbo“ auf den Markt, ein Schraubendreher, der den Schraubvorgang ganz ohne Strom deutlich beschleunigt. Der Markt belohnt die unermüdliche Produktoptimierung: Der Umsatz wachse schneller als der vergleichbarer Konkurrenten. Und, ein schöner Nebeneffekt der aufmerksamkeitsstarken Kommunikation: Die Zahl der Initiativbewerbungen ist seit 2017 signifikant gestiegen.
*Der Artikel wurde am 20.5. veröffentlicht und am 29.5. geändert.