Hand aufs Herz: Kennen Sie die Special Olympic World Games? Bis vor einem Jahr hätten Sie mit dem Wissen, dass es sich dabei um die Weltspiele der Menschen mit geistiger Behinderung und Mehrfachbehinderung handelt, noch zu einem sehr überschaubaren Kreis gehört.
Die sogenannte klare Bekanntheit betrug lediglich 6 Prozent, für die Bekanntheit ergab eine Nielsen-Umfrage einen Wert von 24 Prozent. Dabei handelt es sich in Abgrenzung zur klaren Bekanntheit um Menschen, die ungefähr wussten, worum es geht, aber zum Beispiel den Unterschied zwischen Paralympischen Spielen (den Spielen für Menschen mit körperlicher Behinderung) und den Special Olympic World Games (SOWG) nicht berücksichtigten.
Albert Tuemann formuliert diesen Unterschied so: „Bei Paralympics steht der Leistungsgedanke im Vordergrund, wie bei den Olympischen Spielen.” Die Special Olympics seien dagegen ein „Mitmachsport“, bei dem der „emotionale Aspekt des gemeinsamen Sporttreibens“ im Vordergrund stehe. Tuemann weiter: “Da kommt es schon mal vor, dass ein in Führung liegender Läufer kurz vor dem Ziel auf seinen engsten Verfolger wartet, damit beide Hand-in-Hand die Ziellinie überqueren können.”
Menschen aus ihrer Isolation herausholen
Die Special-Olympics-Bewegung wurde 1968 von Eunice Kennedy-Shriver, der Schwester von John. F. Kennedy, ins Leben gerufen. Sie ermöglicht Menschen mit geistiger Behinderung mehr Anerkennung und Selbstbewusstsein, holt sie aus ihrer Isolation heraus und verschafft ihnen mehr Teilhabe an der Gesellschaft. Gegen Vorurteile und Diskriminierung. Getreu dem olympischen Geist.
Die Bekanntheit für diesen inklusiven Sport und das vom 17. bis 25. Juni 2023 erstmals in Deutschland ausgetragene Großevent zu steigern, war die zentrale Aufgabe von Tuemann, dem Marketingchef des Berliner SOWG-Organisationskomitees. Dafür hatten er und sein Team rund dreieinhalb Jahre Zeit.
Sie entwickelten eine 360-Grad-Awareness-, Event- und Engagement-Kampagne für die Veranstaltung. Sie umfasste zum einen die komplette Kommunikation von Außenwerbung und Radiospots über Print und Podcasts bis zur eigenen Website und diversen Social-Media-Kanälen. Dazu gehörten aber auch das Ticketing und die Rekrutierung von 20.000 Volunteers. „Unsere Mission war es, den Spirit zu bilden, mit dem sich alle Beteiligten identifizieren können“, sagt Tuemann heute. „Wir wollten Unsichtbares sichtbar machen und ein buntes, selbstbewusstes Bild der Athlet*innen schaffen.“
Kostenlose medizinische Untersuchungen
Alle Kampagneninhalte und Motive, die im Vorfeld unter anderem auf Flyern, Out-of-Home-Plakaten und im Internet für das Event warben, wurden inhouse erstellt. Im Zentrum der Kampagne #ZusammenUnschlagbar standen die Althlet*innen selbst als Markenbotschafter.
Im Rahmen des Gesundheitsprogramms Heathy Athletes haben ehrenamtlich tätige Mediziner*innen während der Spiele in Berlin unter anderem Augenuntersuchungen bei den Sportler*innen durchgeführt und 3000 neue Brillen verschrieben. ©Special Olympia World Games
In ihrer Kommunikation beschworen die Verantwortlichen die verbindende Kraft des Sports. Sie sollte zu einer inklusiveren Gesellschaft beitragen, in der Menschen mit geistiger Behinderung gleichberechtigten Zugang zu Sport, Bildung, Kultur und Gesundheitsversorgung erhalten.
Getreu diesem Ziel wurde die Veranstaltung in Berlin vom Gesundheitsprogramm Healthy Athletes flankiert, bei dem die Athlet*innen von 170 Ärzt*innen und Zahnärzt*innen kostenlose medizinische Untersuchungen und Beratungen erhielten. Während der Spiele verschreiben die ehrenamtlich tätigen Mediziner*innen 3000 neue Brillen und 300 Hörgeräte. „Athleten, die jahrelang eine Hörschädigung haben und plötzlich zum ersten Mal in ihrem Leben gut hören können, die blühen auf. Ihr ganzes Leben ändert sich innerhalb von 30 Minuten“, sagte der Mediziner Alexander Indermark in einem Sportschau-Beitrag über die World Games.
Die ARD gehörte neben vielen weiteren Sendern zu einer breiten Medienallianz, die die Berliner Weltspiele in ihrer Sportberichterstattung aufgegriffen haben und zu einem „unvergleichbaren Medienecho“ (Tuemann) und einer TV-Reichweite von 190 Millionen Zuschauer*innen beitrugen. Online erreichte das Großereignis international mehr als eine Milliarde User und Userinnen.
Neuntägiges Fest der Inklusion
Was Ende 2019 als Konzept geboren wurde, fand im Juni 2023 seinen Höhepunkt mit einem neuntägigen Fest der Inklusion im Berliner Olympiastadion, an 13 weiteren Sportstätten und bei weiteren Veranstaltungen rund um die World Games in der Hauptstadt. Mehr als 330.000 Zuschauer und Zuschauerinnen verfolgten die Wettkämpfe. 6500 Athlet*innen aus 176 Nationen, darunter auch etwa 500 ohne Behinderung in sogenannten Unified Teams, gingen in 26 Sportarten an den Start und wuchsen sportlich wie persönlich über sich hinaus. Die internationalen Spiele waren laut dpa das nach der Zahl der Teilnehmenden größte Sportereignis in Deutschland seit den Olympischen Sommerspielen 1972 in München.
Heute, rund ein Jahr später, lässt sich im Rückblick feststellen: Mission gelungen. Die Bekanntheit der Special Olympics konnte von 24 auf 48 Prozent verdoppelt werden. Die klare Bekanntheit konnte sogar mehr als verdoppelt werden, sie liegt heute immerhin bei 15 Prozent.
Um die Wahrnehmung für den Sport und seine Protagonist*innen weiter zu steigern, hat das Kommunikationsteam von Berlin Strukturen etabliert, beispielsweise die World-Games-Kanäle auf Insta und Facebook, die im Sinne einer nachhaltigen Marketingstrategie auch von weiteren Austragungsorten genutzt werden können. Die nächsten Sommerspiele finden 2027 in Chile statt.