Marken-Award 2024 – Die Finalisten: Hate Aid  

Bis zur Verleihung des Marken-Awards am 10. Juni in Düsseldorf stellen wir die neun Finalisten in drei Kategorien vor. Heute: Die Menschenrechtsorganisation Hate Aid, nominiert in der Kategorie „Markenführung“.
MA-24-4427_00012565
Hate Aid möchte Betroffene stärken und digitale Gewalt sichtbar machen. (© Wall)

Jede zweite Person in der EU zwischen 18 und 35 Jahren war schon von digitaler Gewalt betroffen. Und ebenfalls jede zweite Person in Deutschland hat aus Sorge vor Hassreden schon einmal darauf verzichtet, einen Beitrag zu posten oder Beiträge bewusst vorsichtiger formuliert. Diese Zahlen zeigen die Allgegenwärtigkeit digitaler Gewalt. Die 2018 gegründete Non-Profit-Organisation Hate Aid will ein Netz schaffen, in dem Meinungsfreiheit gewahrt und Teilhabe ermöglicht wird.  

Die Bewerbung in der Kategorie „Markenführung“ ist nicht zufällig. Ines Kirchner, Head of Marketing & Communications bei Hate Aid, sagt dazu: „Das Internet ist der wichtigste Debattenraum unserer Zeit. Wir setzen uns täglich dafür ein, dass Menschen sich dort frei entfalten und ohne Angst vor Hass und Gewalt äußern können. Unsere gesamte Arbeit ist daher gesellschaftliches Engagement.“ Mit der Bewerbung wollten sie zeigen, dass das Engagement mit der Marke steht und fällt, die es repräsentiert.  

Mit System gegen Hass im Netz

Die Ziele von Hate Aid, Betroffene zu stärken, Lösungen für eine digitale Zukunft zu entwickeln und digitale Gewalt sichtbar zu machen, lassen sich unter dem Aspekt Markenführung bewerten, sagt Kirchner: „Eine gute Markenführung hat uns dabei geholfen, den Wandel von einer Grassroots-Organisation, die zunächst erstmal eine Betroffenenberatungsstelle war, in eine Menschenrechtsorganisation zu vollziehen.“  

Inzwischen arbeiten an den Standorten Berlin und Brüssel 51 Mitarbeitende in sechs Teams. Finanziert wird Hate Aid zu 51,1 Prozent durch private Förderungen, zu 36,3 Prozent durch öffentliche Förderungen und zu 10,9 Prozent durch freie Spenden (2,6 Prozent sonstiges). Zu den Erfolgen zählt etwa der Fall der Grünen-Politikerin Renate Künast im Facebook-Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 2022. Doch neben den großen Showcases hilft Hate Aid auch im Kleinen. Die NGO betreut inzwischen 126 Fälle pro Monat.  

Sie löscht nicht mehr nur „Brände”, indem sie Menschen, die Gewalt im Netz erfahren, unterstützt werden. Das ist wichtig, bringt aber keine langfristige Veränderung. Vielmehr setzt sich Hate Aid systematisch gegen digitale Gewalt ein und wirkt mit Gesetzgebungsverfahren, Kampagnen und großen Grundsatzprozessen auf langfristigen Wandel hin. Aus der Überzeugung, dass der Wandel zu einem sichereren digitalen Raum nur durch breites Engagement gelingen kann, arbeitet Hate Aid eng mit Partnern wie der Deutschen Telekom zusammen. 

Kooperationen für mehr Sichtbarkeit  

Auch andere Kooperationen, etwa mit den Elevator Boys oder Werder Bremen E-Sports, spielen für Hate Aid in der Markenführung eine sehr wichtige Rolle. So können neue Zielgruppen erreicht und Inhalte entwickelt werden, die mit einem Unternehmens-Account als Absender weniger authentisch wirken. „Als gemeinnützige Organisation mit stark limitiertem Mediabudget sind wir auf motivierte Kooperationspartnerinnen angewiesen. Ob Collien Ulmen-Fernandes als PR-Magnet, die Kampagnenpower der Telekom, die OOH-Flächen von Wall, ein Collab-Post mit Renate Künast oder die Aufklärungsarbeit von Louisa Dellert: Unsere Partnerinnen schenken uns Reichweite, die wir uns niemals leisten könnten“, sagt Ines Kirchner.  

Nie aufzugeben, ist ein wichtiges Learning für die Marketingverantwortliche: „Es ist auch mit begrenztem Budget und knappen personellen Ressourcen möglich, auf Veränderungen zu reagieren und sich kontinuierlich zu verbessern. Unsere Marke ist mitgewachsen und wird auch weiterhin agil bleiben.“ Auch wenn Hate Aid weiterwächst, dem Großteil der Bevölkerung ist die Organisation noch kein Begriff. Das Ziel, langfristig unabhängiger von projektbasierten Förderungen zu werden, bedeutet: Es braucht mehr Spenden. „Deswegen ist es für uns essenziell, im ersten Schritt unsere Bekanntheit zu steigern“, so Kirchner. „Das schaffen wir mit Marketingmaßnahmen wie aktiver Medienarbeit, Influencer-Kooperationen oder unserer ersten OOH-Kampagne.“  

Das Wachstum sei aber nicht nur mit der Wichtigkeit des Themas Hass im Netz zu erklären. „Wir legen immer wieder publikumswirksam den Finger in die Wunde. Weil wir sehen, dass wir als Gesellschaft auf die Gefahr, die von Lügen, Hass und Gewalt ausgeht, nicht ausreichend reagieren.“ Doch man habe auch stets konstruktive Lösungsvorschläge im Gepäck. „Wir haben eine Vision, die Menschen inspiriert und Hoffnung gibt. Auch deshalb sind wir gewachsen.“ Und weil Hate Aid seine Marke konsequent professionalisiert hat – Marketing und Sinnhaftigkeit schließen sich nämlich nicht aus.

(ccm, Jahrgang 1984) ist seit Oktober 2021 Chefredakteurin der absatzwirtschaft. Neben der Weiterentwicklung der journalistischen Marke verantwortet sie die crossmediale Themenplanung sowie die Konzeption und Pilotierung neuer Formate mit Schwerpunkt Digital Storytelling. Aufgewachsen zwischen Südamerika und Deutschland lebt sie aktuell mit Freund und Kater in Köln.