Der öffentliche Nahverkehr ist traditionell kein Sympathieträger. Besonders viel Gegenwind verspürte bis vor einigen Jahren die BVG: Die Fahrgäste monierten unpünktliche Busse, beschmierte Bahnsitze und unfreundliche Fahrer bei den Berliner Verkehrsbetrieben. Die Marke BVG war alles andere als eine „Love Brand“. Zudem sorgte die Verantwortlichen, dass neue Mobilitätsanbieter, vor allem Carsharing-Anbieter und Fahrradverleiher, in den Markt drängten. Sie verstanden es vor allem, im Internet in Kontakt mit den jungen Zielgruppen zu kommen – während die BVG hier wenig zu bieten hatte. Facebook? Twitter? Fehlanzeige.
2015 beschloss die Verkehrsgesellschaft, das Ruder herumzureißen, und startete eine umfangreiche Kampagne mit dem Claim „Weil wir dich lieben“. „Ziel war neben der Korrektur des Images der BVG die Etablierung eines Markenversprechens, das sichtbar für Kunden und Mitarbeiter ist“, erklärt Dr. Martell Beck, BVG-Bereichsleiter Marketing & Vertrieb. „Ein Bekenntnis, Dienstleister zu sein und alle Anstrengungen zu unternehmen, um den Kunden zufrieden zu stellen.“ Wichtig: Die Botschaft sollte auch nach innen wirken und Begeisterung bei den 14.000 Mitarbeitern wecken.
Zielgruppe weder 20- bis 35-Jährigen digital ansprechen
Gleichzeitig blies die BVG zur digitalen Offensive – mit WLAN an allen Bahnhöfen, neuen Smartphone-Apps mit optimierten Informationen und Ticketing sowie dem Ridesharing-Dienst Berlkönig, der mit Shuttle-Fahrzeugen den öffentlichen Nahverkehr ergänzt. Um mit der wichtigen Zielgruppe der 20- bis 35-jährigen Berliner besser in Kontakt zu kommen und auch den Ticketverkauf über das Netz anzukurbeln, eröffnete die BVG Accounts bei Facebook, Twitter und Instagram.
Zunächst erschien die Vorstellung, dass die BVG ihre Kunden lieben könne, ziemlich abwegig. Sofort am ersten Tag der Kampagne brach ein Shitstorm los, den die Verkehrsgesellschaft aber schnell unter dem Hashtag #weilwirdichlieben mit viel Witz und Selbstironie konterte – das hatte man ihr nicht zugetraut, und schon nach wenigen Wochen war die Stimmung gedreht. Seitdem füttert die BVG das Netz immer wieder mit witzigen Sprüchen, die oft eine erstaunliche virale Wirkung entfachen.
Rappender Schaffner wird 13 Millionen Mal angeklickt
Es folgte ein Feuerwerk an kreativen Ideen: Im Spot „Is‘ mir egal“ demonstrierte ein rappender Schaffner seine grenzenlose Toleranz gegenüber den schrägsten Fahrgästen – der Film ist auf Youtube bis heute rund 13 Millionen Mal angeklickt worden. Gemeinsam mit der Plattenfirma Universal schaffte es die BVG, die Rockband U2 für ein spontanes Unplugged-Konzert in die Bahn zu holen, natürlich auf der Linie U2. Der Internetfilm kam international auf 300 Millionen Kontakte.
Für noch mehr „Buzz“ sorgte eine Kooperation mit Adidas: Die Partner brachten einen Sneaker auf den Markt, der das Sitzmuster der U-Bahnen zitierte und gleichzeitig als Jahresticket nutzbar war. Der Schuh war blitzschnell ausverkauft, die Medien sorgten für weltweit 10,6 Milliarden Kontakte, sogar die „New York Times“ und der „Guardian“ berichteten. Ein weiteres PR-Highlight: Zum „Equal Pay Day“ bot die BVG um 21 Prozent rabattierte Fahrkarten für Frauen an.