Alipay, Hisense, TikTok und Vivo: Vier von zwölf UEFA-Partnern zur EURO 2020 kamen aus China. Damit setzen chinesische Marken einen Weg fort, den sie das erste Mal im großen Stil vor 13 Jahren einschlugen. So war aus Markensicht mit Sicherheit einer der wichtigsten Internationalisierungsschritte für China die Abhaltung der Olympischen Spiele in Peking.
Damals traten nicht nur 11.126 Sportler in den 302 Wettbewerben aus 28 Sportarten an, sondern das Fernsehen brachte uns einen Teil von China direkt in die Wohnzimmer – und damit subtil näher. Das Logo dieser Spiele trug die Bezeichnung „Tanzendes Peking“. Die geöffneten Arme eines Sportlers sollten die Einladung Pekings an die Welt symbolisieren.
Diesen Weg werden China und die chinesischen Marken mit Gewissheit fortsetzen. So gehört nicht nur Alibaba zu den Top-Partnern der nun anstehenden Olympischen Spiele in Tokio, sondern auch Hisense, Vivo und die Wanda Group scheinen als Sponsoren bei der nächsten FIFA-Fußball-WM in Katar auf. Der nächste große Höhepunkt bei dieser Strategie werden die Olympischen Spiele im Winter 2022 in Peking sein. Peking wird damit die erste Stadt überhaupt sein, die Olympische Spiele sowohl im Winter als auch im Sommer austragen hat.
Die Faktoren Zeit und Wiederholung
Um besser zu verstehen, worum es – psychologisch betrachtet – dabei geht, sollten wir uns einmal den Markenbildungsprozess aus Kundensicht näher ansehen. Wie reagieren Menschen auf Neues, speziell auch auf neue Kategorien und Marken?
Dabei lassen sich häufig die folgenden sechs Reaktionsphasen oder auch Reaktionsmuster feststellen:
- Erste Reaktion: „Nie zuvor davon gehört. Das kann nichts werden.“
- Zweite Reaktion: „Das soll ein Erfolg werden? Das interessiert doch niemanden.“
- Dritte Reaktion: „Ganz nett, aber das wird bald vorbei sein.“
- Vierte Reaktion: „So blöd kann die Idee nicht sein.“
- Fünfte Reaktion: „Darauf hätte man selbst kommen können.“
- Sechste Reaktion: „Ich habe schon immer gewusst, dass das eine sensationelle Idee ist.“
Die logische nächste Reaktion darauf sollte dann natürlich der Kauf eines Produkts oder Dienstleistung sein. Natürlich laufen nicht bei allen Menschen diese oben genannten Reaktionen genauso und auch nicht in dieser Reihenfolge ab. Es gibt Menschen, die neuen Kategorien und Marken sehr aufgeschlossen gegenüberstehen, während andere mehr Zeit brauchen, um sich für Neues zu öffnen.
Ich kann mich in diesem Zusammenhang erinnern, dass in meinem Bekanntenkreis viele Nespresso zu Beginn nicht nur belächelten, sondern auch sofort klar machten, dass ihnen so etwas nie ins Haus kommen würde. Bei vielen davon steht heute eine Nespresso-Maschine in der Küche oder am Arbeitsplatz.
Für China und die chinesischen Marken wird es in diesem Kontext darum gehen, dass sie sich Schritt für Schritt etablieren. Dabei geht es vor allem dann auch um das Zusammenspiel zwischen Sponsoring, der Sichtbarkeit am Point of Sale – egal ob analog oder digital – und natürlich auch um die Sichtbarkeit im täglichen Leben der Menschen. Abgerundet wird das Ganze dabei dann von PR und Werbung.
Neue Ära im Sportsponsoring
Damit aber sollten speziell europäische und auch westliche Unternehmen das Thema Sportsponsoring in Bezug auf Marken aus zwei Perspektiven betrachten:
- Die offensive Perspektive: Dabei geht es vor allem darum, dass man das Thema Sportsponsoring aus Sicht der eigenen Marken- und Marketingziele unter die Lupe nimmt. Im Vordergrund stehen die Zieldefinition und die Zielerreichung für die Marken und welchen Beitrag Sportsponsoring dabei leisten kann.
- Die defensive Perspektive: Hier geht es darum, ob man den Sponsoringplatz potenziellen Konkurrenten überlassen möchte oder auch nicht. So kann es speziell für starke Marktführer enorm sinnvoll sein, dass sie potenzielle Wettbewerber, vor allem aber auch neue Herausforderer, frühzeitig blockieren. Hier geht es auch darum, ob europäische und westliche Marken den Sponsoringplatz einfach so China und chinesischen Marken überlassen wollen und sollen.
Ganz so einfach ist es dann aber auch nicht: Denn bei der Entscheidung pro oder contra eines Sportgroßevent-Sponsorings kommt speziell für europäische und auch westliche Sponsoren erschwerend der Faktor „gesellschaftliche Verantwortung“ hinzu. Immer öfter stehen Großveranstaltungen sowie deren Veranstalter, Sponsoren und Gastgeberländer in der Kritik, wenn es etwa um Themen wie Demokratie, Menschenrechte, Umweltverschmutzung oder auch um Ernährung geht.
Fazit: China und chinesische Marken nutzen aktuell geschickt die Bühne der weltweiten Sportwelt, um sich Schritt für Schritt zu etablieren. Dabei steht der langfristige Aspekt im Vordergrund. Für europäische Marken wiederum stellt sich die Frage, ob und wie sie auf diese Herausforderung vor allem kurzfristig reagieren sollten. Denn eine Maxime in der strategischen Markenführung lautet, dass Marken Konkurrenzbewegungen – wenn möglich – frühzeitig blockieren sollten.