„Manche Marken surfen auf der Welle des Zeitgeists“

Dirk Hohnberg, CMO von Fisherman’s Friend, spricht gern aus, was er denkt. Wir haben mit ihm über Markenidentität, den Werbe-Zeitgeist und Love Brands gesprochen.
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Fisherman's-Friend-CMO Dirk Hohnberg im Gespräch mit absatzwirtschaft-Redakteur Andreas Marx auf dem Summer Camp 2024 der Handelsblatt Media Group. (© HMG)

Herr Hohnberg, wie definieren Sie den Begriff „Love Brands“?

Für mich sind „Love Brands“ Marken, zu denen man eine besonders starke emotionale Bindung hat. Diese Marken schaffen es, über ihre Produkte hinaus Geschichten zu erzählen und eine gewisse Faszination zu wecken, die Menschen über Jahre hinweg begleitet. Nike gehört in diese Kategorie – obwohl ich anmerken muss, dass mir solche großen, weit verbreiteten Marken manchmal zu wenig polarisieren.

Polarisierung ist nicht immer Teil Ihrer Strategie, aber sie spielt dennoch eine Rolle in Ihrer Kommunikation. Wie sehen Sie Polarisierung und Humor im Kontext der aktuellen Werbelandschaft?

Polarisierung ist kein fester Bestandteil unserer Strategie, aber wir scheuen uns auch nicht davor, wenn es passt. Wir haben zum Beispiel in einer DOOH-Kampagne den Claim „Für mehr Ovalverzehr“ genutzt, der auch auf unserem Festivalmodul zu finden ist. Da gab es nicht nur Beifall. Aber generell sind wir uns bewusst, dass der Zeitgeist sensibel ist. Es ist uns wichtig, dass wir uns als Marke treu bleiben und nicht versuchen, uns dem Zeitgeist zu sehr anzupassen, wenn es nicht authentisch ist.

Wie meinen Sie das?

Es gibt Marken, bei denen ich den Eindruck habe, dass sie sich verbiegen, um auf der Welle des aktuellen Humors und Zeitgeists zu surfen, aber das passt oft nicht zur DNA dieser Marken. Fisherman’s Friend ist eine Traditionsmarke, und Humor war immer ein Teil unserer Markenführung – zumindest in Deutschland. Der Fisherman’s Friend-Humor ist etwas, das man nur versteht, wenn man die Marke kennt. Er ist nicht mehr ganz so rustikal wie in den 90ern, aber er existiert noch und ist ein wichtiger Bestandteil unserer Identität. Und es ist kein Problem für uns, wenn wir damit auch mal anecken.

Kann eine Marke so zu einer Love Brand werden?

Bei Fisherman’s Friend streben wir an, eine „Love Brand“ zu sein – eine Marke, die nicht nur für ein starkes Produkt steht, sondern auch für eine starke, unverwechselbare Identität. Wir möchten, dass unsere Konsumenten eine langfristige Beziehung zu unserer Marke aufbauen. Dabei ist es uns wichtig, authentisch zu bleiben und nicht dem Zeitgeist hinterherzujagen, wenn es nicht zur Marke passt. Wir bieten eine konstante Qualität, die unsere Konsumenten schätzen und auf die sie sich verlassen können – das ist für uns ein entscheidender Faktor, um als „Love Brand“ wahrgenommen zu werden.

Fisherman’s Friend hat 2022 den ikonischen Claim „Sind sie zu stark, bist du zu schwach“ wiederbelebt, nachdem er vor 15 Jahren geändert worden war. Warum ist die Marke diesen Schritt gegangen?

Der ursprüngliche Claim „Sind sie zu stark, bist du zu schwach“ hat sich tief in das kollektive Gedächtnis eingebrannt und ist Teil unserer Marken-DNA. Stärke ist ein Kernwert unserer Marke, und diesen wollten wir auf keinen Fall verleugnen. Wir haben bewusst einen Weg gesucht, den alten Claim in ein modernes, zeitgemäßes Gewand zu packen. Es war uns auch wichtig, die Marke für eine breitere Zielgruppe zu öffnen und gleichzeitig unsere Konsumenten als mündig anzusprechen. Wir laden sie dazu ein, selbst darüber nachzudenken, was Stärke für sie bedeutet – nicht nur in Bezug auf die Produktstärke, sondern auch auf persönliche Stärke.

Nostalgie spielt für Love Brands eine große Rolle. Wie wichtig ist dieses Thema für die jüngere Zielgruppe?

Nostalgie ist tatsächlich ein großes Thema, besonders weil viele junge Konsumenten durch ihre Eltern mit unserer Marke in Berührung kommen. Jeder hat diese Geschichte: „Mein Vater hatte immer Fisherman’s Friend im Auto, und ich habe es als Kind einmal probiert – es war viel zu stark für mich.“ Das ist eine klassische Anekdote, die wir oft hören. Die Herausforderung besteht darin, diese erste, vielleicht überfordernde Erfahrung in etwas Positives zu verwandeln und die Konsumenten dazu zu bringen, unser Produkt erneut zu probieren. Das ist ein Balanceakt zwischen der starken, unverwechselbaren Identität, die wir als Marke haben, und der Notwendigkeit, uns für neue Zielgruppen zu öffnen, ohne dabei den Markenkern zu verwässern.

Wie sehen Sie die Zukunft des Marketings von Fisherman’s Friend in den nächsten fünf Jahren?

Ich hoffe, dass wir einen signifikant höheren Anteil an 20- bis 30-jährigen Konsumenten haben, die wir heute erfolgreich angesprochen haben. Diese Zielgruppe soll uns nicht nur einmal, sondern regelmäßig konsumieren und zur Marke stehen. Das wird davon abhängen, wie wir uns auf den Medien- und Kanäle-Mix einstellen, der in fünf Jahren relevant sein wird.

Werden Sie dann noch denselben Claim nutzen?

Es ist schwer, so weit in die Zukunft zu blicken, aber ich bin überzeugt, dass wir weiterhin mit dem gleichen Marken-Claim arbeiten werden, denn er repräsentiert unsere Kernwerte. Was sich ändern könnte, sind die Kommunikationskanäle und vielleicht auch die Art und Weise, wie wir den Claim inszenieren. Aktuell gehen wir bei Social Media auf TikTok-First. Wichtig ist, dass wir unsere Strategie, die wir vor zwei Jahren begonnen haben, konsequent weiterführen. Es passiert gerade viel, und ich bin davon überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.