Von Frank Puscher
„Es sind die schmutzigen Männer, die Herzen brechen.“ Katja Sottmeier, Leiterin Digital und CRM bei Hornbach, lässt die zweideutige Pointe kurz im Raum stehen und erntet verschmitztes Schmunzeln beim Publikum der diesjährigen Content Marketing Conference in München.
Werbedeutschland liebt Hornbach für solche Zweideutigkeiten. Werbedeutschland liebt Hornbach dafür, dass sich die Protagonisten buchstäblich nicht nur die Hände, sondern alles schmutzig machen, um ihr jeweiliges Projekt erfolgreich durchzuziehen. „Du kannst es dir vorstellen, dann kannst Du es auch bauen.“ Zu diesem Claim sitzen drei Damen in Frotteetüchern in einer Bauruine. Hier könnte mal eine Sauna entstehen, visioniert der Heimwerker und schwingt den Vorschlaghammer.
Dem „Heldenkranz“ ein Denkmal gesetzt
Und das gilt natürlich längst nicht nur für Renovierungs- und Verschönerungsprojekte, wie die eigene Sauna. Legendär wurde Ende 2015 das Herrenzimmer, das vom Anti-Spa bis zum Waldlaufsimulator jede Menge Unsinn inszenierte. Und zwar nicht nur als Idee, sondern mit Bauanleitung und Link in den Online-Shop. „Der Hover-Sessel steht immer noch bei uns“, so Sottmeier.
Und vor zweieinhalb Jahren setzte das Unternehmen dem Heimwerker selbst ein Denkmal. Der „Heldenkranz“ – vulgo: partieller Haarverlust – wurde zum Markenzeichen für echte Kerle ausgelobt und provozierte jede Menge User generated content mit fast glatten Schädeln zum gleichnamigen Hashtag.
Am Freitag, den 15. März, wird das nächste Kapitel aufgeschlagen. Der neue Spot zeigt verschiedene Heimwerker in Aktion. Verschwitzt, dreckig, aber in der Hornbach-Diktion umso liebenswerter. Beobachtet werden die Werktätigen von zwei asiatischen Weißkitteln, die einen kleinen Service-Roboter bei sich haben. In den Auffangkorb dieses Roboters wirft der erschöpfte, aber stolze Bastler sein schweißgetränktes Kleidungsstück.
Polarisieren und provozieren
Wer nun meint, die Pointe sei, dass man in Asien das Kleidungsstück wissenschaftlich analysiert, um der Erfolgsformel auf die Spur zu kommen, liegt falsch. Das Duftstück wird in Zellophan geschweißt und landet in einem Verkaufsautomaten. Die – fast androgyn inszenierte – Asiatin erwirbt das Päckchen, öffnet es und saugt mit voller Inbrunst den Duft des echten Lebens auf. Ein Leben, das den Großstadt-Asiaten offensichtlich abhandenkam.
Natürlich will Hornbach damit polarisieren und vielleicht auch provozieren. Das klischeehafte Menschenbild der natur-entwöhnten Asiaten oszilliert irgendwo zwischen „ein Fünkchen Wahrheit“ und Rassismus. Bis hierher könnte man die Diskussion auf der Geschmacksebene lassen. Ecklig ist das Szenario allemal, aber eben auch ziemlich kernig. Und tatsächlich kaufen zum Beispiel die Japaner fast alles aus Automaten.
Und genau hier geht der Spot einen Schritt zu weit. Zum Verkauf steht nämlich nicht nur das Arbeitshemd, sondern auch die Feinripp-Unterhose in verwaschenem Dunkelblau. Zumindest war das in der Version des Spots zu sehen, den Katja Sottmeier in München zeigte.
Hier spielt das Hornbach-Marketing bewusst auf einen Fetisch an, der unter dem Namen Burusera traurige Berühmtheit erlangte. Zum Verkauf kam da die getragene Unterwäsche von Studentinnen und Schulmädchen. In Tokio gab es zeitweise Burusera-Shops. 1994 wurde erstmals ein Shop-Besitzer verhaftet.
Trifft Hornbach damit den Nerv der Zielgruppe?
Den Fetisch gibt es nach wie vor, er wird auf Websites ausgiebig bedient. Regelmäßig bringen Medien Berichte von Studentinnen, die sich auf diesem Weg ein Zubrot verdienen. Die Cosmopolitan schrieb letztes Jahr vom größten Deal einer einschlägigen Plattform: 4200 Dollar für einen Slip.
Auch die Tatsache, dass eine Serie wie „Orange ist the new black“ das Thema ins Drehbuch nahm, genügt nicht zur Rechtfertigung. Die Serie spielt im Knast-Milieu. Dort mag es schmutzig zugehen – der emotionale Weg zum Heimwerker könnte weiter nicht sein. Der ist ehrlich, gradlinig, nimmt sein Schicksal buchstäblich konstruktiv in die Hand und wenn er auf sich hält, verlässt er seine Arbeitsstätte blitzsauber. Er ist gerade nicht deshalb cool, weil er moralische Grenzen skrupellos übertritt oder sich selbstbewusst über Gesetze hinwegsetzt. Im Gegenteil. Er macht aus seinem vermeintlich biederen Zuhause etwas Besonderes. Sein Projekt verdient Anerkennung, nicht seine benutzte Unterhose.
Ob Hornbach den Nerv der Zielgruppe trifft, wird die Performance des Spots zeigen. Viral wird er gehen, schon allein, weil es so viel zu diskutieren gibt. Aber – und das ist die persönliche Meinung des Autors – am Selbstbild der Zielgruppe geht der Ansatz krass vorbei. Der coole Hornbach-Kunde braucht kein billiges Klischeebild von Asien und Asiaten. Und er sieht sich eher nicht in der Nähe eines Milieus, das von der Sexualisierung junger Frauen und Mädchen lebt.
Katja Sottbach freute sich in München darüber, dass sie die Freiheit hat, Dinge auszuprobieren, die immer etwas drüber sind. Das mag eine Erfolgsformel für Social Media sein, aber dieses Mal ist es eher „weit drunter“.
Mein Tipp: Nehmt einen degenerierten deutschen Großstadt-Juppie, vorzugsweise einen Marketer, der heimlich an Heimwerker-Wäsche schnüffelt, weil er sich nach der „echten Welt“ sehnt. Und wenn, dann doch lieber das Schiesser-Feinripp statt der Unterhose. Wobei das auch ein Klischee bedient, aber ein liebenswertes.