Macht Second Life für Firmen Sinn?

"Second Life ist der Anfang - dabei bieten digitale Welten signifikante Potenziale für nahezu alle Branchen" - fasst Herbert Kircher, Geschäftsführer, IBM Deutschland Entwicklung, die Zukunft des Internets zusammen.

Bei einem Second-Life-Kongress (Euroform) in München diskutierten die Teilnehmer Second Life jedoch vor allem aus einer anderen Perspektive: virtuelle Welten als ein Beteiligungs- und nicht als ein Reichweitenmedium. Mit virtuellen Welten werde eine Intensität in der Kundenbeziehung erreicht, die mit keinem anderen Internetansatz bislang erreicht wurde, kommentiert zum Beispiel Dr. Christian Bachem, Partner bei .companion. Er empfiehlt Crossmedia-Kampagnen als intelligente Verbindung von Reichweiten- und Beteiligungsmedien.

Second Life bekäme Konkurrenz. Mächtige Anbieter – wie beispielsweise Sony – mit der auf Computerspieler fokussierten virtuellen Welt „Home“ und die Kooperation aus Electronic Arts und Endemol zur Zweitvermarktung von Medienformaten in „Virtual Me“ stünden in den Startlöchern und würden Second Life durch modernere Technik und bessere Grafik Paroli bieten. Große Fernsehgesellschaften positionierten sich in Anbetracht schwindender Zuschauerzahlen, mittels Digitaler Welten aus
Zuschauern Teilnehmer zu machen und so stärker zu binden. MTV startete das bislang erfolgreichste Projekt in Second Life und habe inzwischen drei themenspezifischen Welten „Virtual Laguna Beach“, „Virtual Hill“ und „Virtual Pimp my Ride“ installiert.

Projektverantwortliche von Mercedes-Benz, EnBW, Softlab Group und BUNCH.TV erläuterten, wie reale Unternehmen heute bereits virtuelle Welten nutzen können. Thomas Siegner, Marketingleiter Softlab Group, wurde „vom Skeptiker zum Befürworter“. Dabei seien die Besucherzahlen des Firmenauftritts sehr überschaubar. Innerhalb von drei Monaten besuchten nur 1400 Second Life-User das Angebot der Softlab Group. Bei einer von Studenten der FH München vollständig in Eigenleistung realisierten Recruiting-Veranstaltung hätten gerade einmal 40 Bewerber teilgenommen. Allerdings sei wie bei vielen Second Life-Projekten die mediale Wirkung außerhalb des Second Life sehr viel größer. So wurde das Video der Recruiting-Veranstaltung bei You-Tube 284 000 mal aufgerufen.

Matthias Schultze, Leiter CRM & Neue Medien, EnBW Energie Baden-Württemberg AG, beeindruckte mit anderen Zahlen: EnBW verteilte Rucksäcke in Second Life, aus denen Fußball-Trikots an andere Second Life-Nutzer verteilt werden konnten. Jeder Trikot-Träger nahm automatisch an einem Gewinnspiel teil, so dass sich innerhalb von drei Wochen 15 000 Trikot-Träger fanden, die als wandelnde EnBW-Werbetafeln Second Life überfluteten. Als Reaktion registrierte EnBW 2000 Besucher in der EnBW-Arena. Durch weitere Aktionen wie zum Beispiel dem EnBW-Energy-Park als Parallelveranstaltung zur Hannover Messe schaffte es EnBW auf 80 000 Nennungen in Google. „Unser SL-Engagement hat wesentlich zur Steigerung unserer Markenbekanntheit beigetragen“, erklärt Schultze.

Auf Publicity ausgelegte Projekte, stagnierende Nutzerzahlen in Europa und Pressemeldungen über zuviel Sex, Gewalt und Pädophilie drängen jedoch die Frage auf, ob reale Firmen jetzt noch in Second Life einsteigen sollten. „Der gleiche Effekt wie zum Anfang des Jahres wird man derzeit in Deutschland nicht mehr erreichen können“, gab Matthias Schultze zu bedenken. Abwarten und Beobachten sei im Hinblick auf die Potenziale digitaler Welten aber nicht die richtige Entscheidung.

Die Referenten waren sich einig. Sie rieten dazu, jetzt Auftritte und Aktionen in virtuellen Welten durchzuführen und schnellstmöglich Wissen aufzubauen. Jedes Unternehmen müsse für sich klären, wie es sich optimal in digitalen Welten präsentiere, wie es mit Besuchern und Kunden interagiere und welche der digitalen Welten das größte Potenzial biete. (Mike Hummel, freier Journalist)

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