Trotz Krisen: Luxusartikel boomen

Klimawandel, Krieg, Inflation, Corona: Derzeit steht die Welt vor großen Herausforderungen, die sich auch auf die Preise niederschlagen. Dennoch stehen Luxusartikel derzeit hoch im Kurs bei den Verbraucher*innen. Wieso?
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Luxusartikel stehen derzeit hoch im Kurs der Verbraucher*innen. (© Unsplash)

Im Jahr 2021 lag der weltweite Markt für persönliche Luxusartikel mit rund 288 Mrd. Euro wieder über Vor-Corona-Niveau. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung von Bain & Company. Nicht nur das: Auch der Krieg Russlands gegen die Ukraine sowie die daraus resultierende hohe Inflationsrate samt Konjunkturabschwächung haben wohl bislang kaum Auswirkung auf die Edelmarken

Doch wie ist das zu erklären? Wer ist der größte Spender für Luxusartikel? Und wie groß war der Einfluss des Marketings? Wir haben bei der weltweit agierenden Unternehmensberatung nachgefragt, genauer bei Marie Therese Marek, Associate Partner bei Bain & Company und Mitglied der Praxisgruppen Konsumgüter, Luxury und Einzelhandel, sowie Federica Levato, Bain-Partnerin und Co-Autorin der jährlichen Luxusgüterstudie von Bain und Fondazione Altagamma.

Frau Marek, in seiner Meldung schreibt Bain & Company, dass „persönliche Luxusgüter, zu denen hochwertige Kleidung, Schuhe, Lederwaren und Schmuck zählen“, besonders gefragt sind. Welche Luxusgüter sind konkret die mit dem höchsten Umsatz?

Marie Therese Marek: Accessoires wie Lederwaren, Schuhe oder Brillen stellten mit rund 36 Prozent Anteil am gesamten globalen Luxusmarkt 2021 die größte Kategorie dar. Auf dem zweiten Platz folgen langlebige Güter wie beispielsweise Juwelen oder Uhren mit etwa 22 Prozent. Diese Kategorien verzeichneten während der Corona-Pandemie und insbesondere im ersten Quartal 2022 auch die höchsten Wachstumsraten.

Können Sie den gesteigerten Umsatz trotz Inflation, Krieg und Corona erklären?

Federica Levato: Gerade 2020 und 2021 sowie in den ersten Monaten des laufenden Jahres wurde das Wachstum des weltweiten Luxusmarktes fast ausschließlich von der Nachfrage der lokalen Verbraucher*innen getragen. Speziell in Europa und den USA hat die dortige Kundschaft den Luxusmarken ein anhaltend hohes Vertrauen entgegengebracht. Und das trotz diverser Herausforderungen wie der hohen Inflationsrate, dem rückläufigen globalen Bruttoinlandsprodukt oder dem Krieg in der Ukraine. Angetrieben wurde diese Entwicklung von einer starken „Zurück zur Normalität“-Einstellung. Viele Menschen wollten wieder in Geschäften und digital einkaufen, das wiedergewonnene soziale Leben durch gemeinsame Erlebnisse vor Ort genießen und etwa den Kleiderschrank nach Jahren der Einschränkungen und Verbote wieder auffüllen.

Luxusartikel und Nachhaltigkeit

Welche Personengruppe hatte am meisten Anteil an der Umsatzsteigerung?

Marek: Im Jahr 2021 machten die Generationen Y und Z mehr als 60 Prozent des gesamten Luxusmarktes weltweit aus. Sie waren die treibende Kraft für den Aufschwung nach dem pandemiebedingten Einbruch 2020. Wir gehen davon aus, dass diese jungen Generationen, zusammen mit den nachfolgenden, auch in den kommenden Jahren der wichtigste Wachstumsmotor sein werden. Voraussichtlich werden die Generationen Y und Z deutlich überproportional zum Gesamtwachstum des Marktes bis 2025 beitragen.

Wie groß war der Einfluss von Werbung bei der Umsatzsteigerung von Luxusartikeln?

Levato: Werbung – oder allgemein gesagt Marketing und Kommunikation – hat in der Luxusbranche schon immer eine entscheidende Rolle gespielt. Vor allem angesichts des aktuellen Umbruchs rund um die Pandemie haben es erfolgreiche Luxusmarken geschafft, ihre Kommunikationsstrategie neu zu gestalten. Sie haben ihre Kundschaft mehr in den Mittelpunkt gerückt und konnten so eine direktere Beziehung aufbauen. Dafür nutzten sie ein Zusammenspiel verschiedener Kanäle aus etablierten und innovativen, digitalen Touchpoints. Durch diesen Ansatz gelang es diesen Marken, die erste Wahl der Kundinnen und Kunden zu bleiben. Und zwar auch dann, als die pandemiebedingten Beschränkungen aufgehoben wurden und die Nachfrage nach Luxuskäufen wieder anstieg.

Luxusartikel verbrauchen Ressourcen, Tech-Trends Energie: Wie können Marken vor diesen Hintergrund „klare Umwelt- und Sozialstandards“ entwickeln?

Marek: Nachhaltigkeit wird in der Luxusgüterbrache zunehmend zu einer Grundvoraussetzung, um wirtschaftlich erfolgreich tätig zu sein. Wichtig ist ein ganzheitlicher Ansatz. Eine Nachhaltigkeitsstrategie sollte nicht nur ökologische, sondern auch soziale und ethische Aspekte umfassen. Die Luxus- und Modebranche muss sich zunächst auf eine gemeinsame Definition verständigen, was für sie überhaupt als nachhaltig gilt und wie sie ihre ESG-Ziele holistisch monitoren kann. Zudem sollten deren Strategien alle Bereiche der Wertschöpfungskette vom Einkauf über die Produktion bis hin zu Verpackungen, Marketing und Vertrieb abdecken – inklusive Recycling. Dies begünstigt zirkuläre Geschäftsmodelle.

Immer mehr Marken entwickeln vor diesem Hintergrund Miet- oder Abomodelle und schaffen eigene Secondhand-Plattformen. Allerdings gibt es noch einige Baustellen. So fällt es etwa vielen Luxusherstellern schwer, konsequent nachhaltig erzeugte und lückenlos zurückverfolgbare Materialien in benötigten Mengen am Markt zu erhalten. Das ist oft ein Problem mangelnder Verfügbarkeit beziehungsweise hoher Kosten, die für die wenigen Angebote zu entrichten sind. Parallel dazu engagieren sich die großen Spieler in Kooperationen und halten die Augen offen nach Startups, die sich auf Lösungen für einzelne ESG-Aspekte spezialisiert haben.

Die Fragen wurden schriftlich gestellt.

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.