Eggert verweist auf Untersuchungen des Russen Maslow, der schon früh im vorigen Jahrhundert feststellte, dass neben den physiologischen Bedürfnissen der Menschen wie Nahrung oder Schlaf im Sinne einer Pyramide noch ganz andere Faktoren hinzukommen und letztlich im Streben nach Selbstverwirklichung münden. Luxus sei in diesem Sinne „das besondere Ding“, das über das Lebensnotwendige und die Norm weit hinausgeht. „Normen sind jedoch abhängig von den Zeitumständen, von den Rahmenbedingungen, in den die Menschen leben“, betont der Unternehmensberater und stellt fest: „Das Verständnis dessen, was Luxus ist und bedeutet, ist einem ständigen Wandel unterworfen. Ging es in der Vergangenheit vor allen Dingen um Statusdenken, das Aufzeigen der eigenen Unabhängigkeit und Möglichkeiten, so ist Luxus heute mehr auf das Individuelle und Persönliche bezogen.“
„Demokratisierung des Luxus“ erzeugt Widerspruch
Luxus werde nicht mehr demonstriert, Luxus leiste man sich und genieße ihn. Vielfach werde bereits von einer Demokratisierung des Luxus’ gesprochen – dieser These weist der Markt- und Marken-Experte jedoch vehement zurück: „Demokratisierung würde bedeuten, dass Luxusprodukte mehr oder weniger allen zur Verfügung stehen, sie sind aber selten und nur schwer erreichbar.“ Damit sei automatisch vorgegeben, dass der Preis weit über den Durchschnitt hinausgehe. Luxus ermöglicht Eggert zufolge prinzipiell eine soziale Demonstration und damit eine persönliche Positionierung. Extrem hoch anzusiedeln seien die Qualität und damit auch der technische Standard der Artikel. Auch Design und Ästhetik spielten eine große Rolle. „Damit ist Luxus wesentlich mehr als Premium“, betont der Unternehmensberater und schlussfolgert: „Luxusmärkte sind Nischenmärkte.“
Rasantester Wandel in China zu beobachten
In der Vergangenheit hat es sich laut Studie weltweit gezeigt, dass die Ausgaben für Luxus relativ stark von der konjunkturellen Entwicklung abhängig sind. Stagniert die Wirtschaft oder gibt es gar Rezessionen, gehen in der Regel die Luxuswarenkäufe zurück. Das gilt nicht unbedingt für alle Nationen der Welt, jedoch vor allen Dingen für Deutschland und andere europäische Länder. Die Studie zeigt weiter, dass in den bisherigen klassischen Luxusgütermärkten Europa und USA bereits Sättigung erreicht ist. Das Wachstum des weltweiten Luxusabsatzes wird mittlerweile von anderen Nationen getragen. Waren es in den 1970er und 1980er Jahren vor allem Nationen im Vorderen Orient, die aufgrund des Ölreichtums zum Boom der Luxuswarenmärkte führten, kamen später Russland und Brasilien sowie weitere aufstrebende Länder hinzu. Geschlagen wird diese Entwicklung jedoch entschieden vom chinesischen Markt. Hier beobachtet der Markt- und Marketingexperte den rasantesten Wandel: das schnelle Anwachsen einer Mittelstandsschicht und einer Schicht der Reichen und Ultrareichen.
Touristen wichtig für deutsche Luxusgütermärkte
Allein schon aufgrund der schieren Größe des Landes und seiner Bevölkerung von 1,3 Milliarden bringe China riesige Potenziale mit. So sei bereits jetzt feststellbar, dass der chinesische Markt als Einzelmarkt in diesem Jahr zum größten der Welt werde und im Jahr 2015 mehr als ein Drittel des Luxus-Segments beherrschen werde. „Das Interessante an dieser Entwicklung ist aber auch, dass chinesische Reiche nicht unbedingt in China kaufen, sondern auf ihren Reisen in Europa oder in Amerika entsprechende Produkte erwerben“, sagt Eggert. Das stabilisiere die Märkte enorm und so sei seit der letzten Rezession auch in Deutschland ein extrem starkes Wachstum der Luxusmärkte zu verzeichnen. Dem liege auf der einen Seite zugrunde, dass jüngere deutsche Menschen sich zum Luxus hingezogen fühlten und bereit seien, hierfür Geld auszugeben. Aber auf der anderen Seite seien es Touristen, die dafür „großes“ Geld ausgeben würden. So sei Deutschland in den letzten Jahren zur zweitgrößten Tourismusdestination in Europa geworden und insbesondere Japaner, Chinesen und Russen hätten die Touristenströme stark anwachsen lassen. Und diese Gruppen kämen für den jetzigen und künftigen Luxusbedarf besonders in Frage.
Weltweites Marktvolumen mehr als 200 Milliarden Euro
Die Studie benennt dementsprechend auch das Marktvolumen: Der Weltluxusmarkt werde in diesem Jahr erstmalig die Grenze von 200 Milliarden Euro überschreiten. Nach einheiliger Meinung verschiedener Institutionen liege der deutsche Luxuswarenmarkt in diesem Jahr bei einem Wert von etwa zwölf bis 13 Milliarden Euro. Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, dass es sich hierbei um die klassischen Luxusmärkte handelt, also vor allem Bekleidung, Schmuck, Uhren und Kosmetika. Eggert fasst den Markt jedoch weiter: „Die Besonderheit des deutschen Luxusmarktes besteht darin, dass die Nachfrage sich hier nicht so sehr auf diese klassischen Luxusprodukte stürzt, sondern sich vielmehr auf anderen Feldern austobt. Das sind auf der einen Seite Autos und Immobilien sowie deren Ausstattung, auf der anderen Seite teure Reisen und ähnliche Leistungen.“ Seiner Überzeugung müssten diese Produkte genauso hinzugerechnet werden wie Dienstleistungen, die durch Luxuskäufe hervorgerufen würden – etwa die Beschäftigung eines Gärtners angesichts des Besitzes einer Luxusvilla. Werde dies alles berücksichtigt, liege der deutsche Luxusmarkt wesentlich höher und dürfte zum Ende 2012 die 25-Milliarden-Euro-Grenze überschritten haben.
Fahrzeuge und Immobilien größte Teilmärkte in Deutschland
Für die Studie hat Ulrich Eggert Consulting dementsprechend 50 Warengruppen der Luxusnachfrage untersucht und festgestellt, dass die größten deutschen Luxusmärkte Fahrzeuge, Immobilien und Dienstleistungen sind. Die klassischen Sortimente folgten mit weitem Abstand. Aufgrund sinkender Bevölkerungszahlen, der zunehmenden Überalterung und der prinzipiell nur geringen Einkommenssteigerungen gehen die Experten davon aus, dass der Luxusmarkt in Deutschland sein höchstes Niveau erreicht hat und in den nächsten Jahren um dieses Niveau herum pendeln und im Falle einer Rezession erneut vorübergehend einbrechen wird. Das bedeute aber nicht, dass die deutsche Luxusindustrie auf Stagnation hinauslaufe. Denn gerade die deutsche Industrie im Luxussegment sei diejenige, die aufgrund ihrer besonderen Strukturen hohe Wachstumschancen aufweise. Weltweit würden immer mehr Luxusfahrzeuge, Jachten und ähnliche Dinge nachgefragt, die vor allen Dingen in Deutschland produziert würden. Viele mittelständische Betriebe hätten erst jetzt erkannt, dass der Weltmarkt letztlich ihr Wachstumsmarkt sei.