Die Unternehmen sind überzeugt, dass loyale Kunden einen erheblichen Anteil zur Unternehmensprofitabilität beitragen, und dass eine starke Korrelation zwischen Kundentreue und Profitabilität existiert.
Allerdings wird oft unterschätzt, dass loyale Kunden die Angebote und die Dienstleistungen der Unternehmen am besten durchschauen und nutzen können. Diese Problematik ist ausführlich in einem Artikel von W. Reinartz und V. Kumar („Missmanagement der Kundenloyalität“) in der Harvard Business Review dargestellt worden.
Diese Erkenntnis bedingt jedoch eine neue strategische Ausrichtung von Customer Relationship Management. Geht es nun nicht mehr darum, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Kunden an das Unternehmen zu binden, steht jetzt vielmehr die Rückbesinnung auf solche Kunden im Vordergrund, die einen wesentlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten.
Den Kundenstamm screenen
Doch wer sind nun diese Kunden? – Sind es die großen Kunden, die mit ihren Großaufträgen den Hauptteil unseres Umsatzes ausmachen? – Sind es die langjährigen, loyalen Kunden, die sich über den Customer Life Time Value unbezahlbar machen? – Oder sind es gar die vielen kleinen Kunden, die mit ihrer Vielzahl an Bestellungen für den entsprechenden Profit sorgen?
Die Antwort auf diese Fragen könnte ein zeitnahes Screening des Kundenstammes liefern, das vor dem Einleiten von CRM-Maßnahmen durchgeführt wird. Dazu sollte der Kundenstamm hinsichtlich seiner Profitabilität in verschiedene Kategorien segmentiert wird. Das daraus entstehende Cluster ermöglicht den zielgerichteten Einsatz von CRM-Maßnahmen, damit die „richtigen“ Kunden an das Unternehmen gebunden werden.
Diese Analyse lässt sich in vier Phasen gliedern und bildet die somit Grundlage für weitere Marketingentscheidungen.
Phase 1: Identifikation der Kundenprozesse
In dieser Phase ist es zunächst wichtig, sämtliche Prozesse, die in der Bearbeitung eines Kunden anfallen zu identifizieren. Mit Hilfe von Fragestellungen wie „Welche Bereiche sind an einer Kundenbestellung beteiligt?“, „Wie gelangt die Ware zum Kunden?“, „Gibt es Produkte, die aufgrund ihrer Eigenschaften signifikant andere Kosten verursachen als das restliche Sortiment?“ lassen sich kostenverursachende Prozess bzw. Unternehmensbereiche identifizieren.
Phase 2: Identifikation der Kosten
Um nun die durch Kundenbestellungen generierten Gesamtkosten zu erhalten werden den in Phase 1 identifizierten Prozessen nun möglichst exakt die entsprechenden Kosten zugeordnet. Hierbei sind drei Hauptszenarien denkbar:
- Szenario 1: Die Kosten werden detailliert und in hoher Qualität direkt vom Rechnungswesen bereitgestellt.
- Szenario 2: Die Gesamtkosten für die Kunden sind zwar bekannt, aber sie stehen nur in weitgehend aggregierter From zur Verfügung. In diesem Fall ist es notwendig, die Kostenaufteilung möglichst exakt anhand der jeweiligen Ressourcenverbräuche (Quadratmeter, Zeitverbrauch, Gewicht etc.) für die Erfüllung des Kundenauftrages zu schätzen.
- Szenario 3: Bestimmte Kostenbestandteile sind zur Zeit der Analysedurchführung noch nicht bekannt, wie beispiewlsweise bestimmte Preisnachlässe, die beim Überschreiten eines festgelegten Jahresumsatzes nachträglich dem Kunden eingeräumt werden. In solchen Fällen müssen die Kosten auf der Basis bisheriger Erfahrungswerte und entsprechender Szenarien möglichst genau interpoliert werden.
Die Genauigkeit der Analyse variiert dabei je nach dem zur Datengewinnung notwendigen Verfahren von optimal (Szenario 1: Alle Daten sind in hoher Qualität vorhanden) bis weniger exakt (Szenario 3), wenn die Daten über einen „educated guess“ geschätzt werden müssen.
Phase 3: Bildung der Kunden-Kostensätze
Sind die Kosten ermittelt und den entsprechenden Bereichen bzw. Prozessen zugeordnet, können diese nun für die Ermittlung der Kundenprofitabilität zu speziellen Kostensätzen zusammengefasst werden. Hierbei sind drei Arten von Kostensätzen zu unterscheiden:
-
Basiskosten: Diese Kosten entstehen, wenn der Kunde mit dem Unternehmen in Kontakt tritt und eine Bestellung veranlasst. Für diesen Kostensatz werden hauptsächlich Verwaltungs- und Overheadkosten (z.B.Managementkosten) zusammengefasst, da für die Analyse vereinfachend davon ausgegangen wird, dass der Verwaltungsaufwand unabhängig von der Art der Bestellung (Anzahl der Positionen, Art der bestellten Produkte etc.) ist. Dieser Kostenblock wird durch die Anzahl der Aufträge geteilt und dementsprechend jedem Kundenauftrag einmal gegengerechnet.
- Transaktionskosten: Hierunter werden alle Kosten zusammengefasst, die direkt mit dem einzelnen Auftrag zusammenhängen (Personal, Verpackung, Kommissionierung etc.). Diese Kosten werden durch die Anzahl der Einzelpositionen geteilt und bilden so den Transaktionskostensatz. Dieser Kostensatz wird einem Auftrag unter Umständen mehrfach zugerechnet (je nach Anzahl der bestellten Positionen).
- Sonderkosten: Sonderkosten sind Gemeinkosten, wie z.B. spezielle Lagerkosten, die allerdings auftragsbezogen zugeordnet werden können. Beispielsweise benötigen bestimmte Produkte gekühlte Lagerhäuser, so dass diese Kühlkosten exakt einer bestimmten Produktgruppe zugeordnet werden können.
Phase 4: Erstellung eines Profitabiltitätsclusters
Sind die Kosten für den betrachteten Zeitraum ermittelt und die Kostensätze gebildet, werden diese nun den Kunden entsprechend deren Bestellverhalten zugeordnet. Auf diese Weise kann
die Profitabilität jedes einzelnen Kunden sowie die Profitabilitätssituation des gesamten
Kundenstamms genau ermittelt werden.
Das folgende Beispiel verdeutlicht die beschriebene Vorgehensweise:
Ein Auftrag besteht aus drei Einzelpositionen. Ein Produkt muss speziell gekühlt werden, während die beiden anderen keine besonderen Kosten verursachen. Wie dargestellt, werden die Basiskosten dem Auftrag unter Umständen mehrfach zugerechnet, die Transaktionskosten
einmal pro Position und die Sonderkosten nur dem entsprechenden Produkt. Der Gesamtauftrag hat also einen Deckungsbeitrag von 557 Euro, aber nur eine Profitabilität von 365 Euro.
Fasst man die einzelnen Kunden zu Profitabilitätsgruppen mit bestimmten Eigenschaften
zusammen, erhält man einen aussagekräftigen Überblick über die Verteilung der Profitabilität innerhalb des Kundenstamms. Wählt man für die Achsenbezeichnung die Größen Umsatz und
Profitabilität, kann sich beispielweise folgendes Cluster ergeben:
Kunden innerhalb der Kundengruppe A generieren einen hohen Umsatz und weisen gleichzeitig eine hohe Profitabilität auf, während die in Kundengruppe B oder C entweder von einem hohen Umsatz oder einer hohen Profitabilität geprägt sind. Je weniger Kunden der Gruppe D angehören, und je mehr der Kundengruppe A, desto höher ist die Gesamtprofitabilität des Unternehmens.
Was bedeutet das nun für die Praxis? – Die Konsequenzen dürften jedem Marketeer bei den zur Zeit ohnehin geringen Budgets klar sein: Kundenbindungsinstrumente werden zunächst verstärkt in der Kundengruppe A eingesetzt, während Kunden der Gruppe D beispielsweise durch Mindermengenzuschläge mehr belastet werden.
Gleichzeitig ist natürlich auch die Art Kommunikationsstrategie zu berücksichtigen. Es bietet sich beispielsweise an, für die profitable Kundengruppe A ein sehr zielgruppenspezifisches Marketing, wie z.B. Eventmarketing, zu betreiben. Dies bedeutet ein Ablösung von weniger zielgruppenspezifischen CRM-Maßnahmen, wie beispielsweise die Herausgabe einer Kundenzeitschrift.
Wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern, und Unternehmen wieder Geld für Expansionskurse haben, werden sich auch die Marketingformen und die Zielgruppen wieder ändern.
Doch im Moment zählt nur eins: Fokussierung auf eine profitable Zielgruppe, die mit sehr spezifischen Kommunikationsstrategien an das Unternehmen gebunden werden.
Autoren: Marco Massetti, Senior Manager bei PricewaterhouseCoopers
Anne-Katrin Sträßer, Consultant bei PricewaterhouseCoopers und
Lehrbeauftragte an der Fachhochschule für Ökonomie und Management
eingestellt am 24. August 2003
Lesen Sie dazu auch den Fachartikel „Sind loyale Kunden wirklich profitabler?“.