„LinkedIn ist im B2B-Marketing unverzichtbar“

LinkedIn hat sich zum wichtigsten B2B-Kanal entwickelt. Tyrona Heath, Leiterin des B2B Institute bei LinkedIn, spricht über entscheidende Trends, die Herausforderungen für CMOs und warum es für Unternehmen essenziell ist, frühzeitig in die Markenbildung zu investieren.
Tyrona Heath ist Leiterin des B2B Institute bei LinkedIn. (© privat, Montage: absatzwirtschaft)

Tyrona Heath kennt das B2B-Marketing in- und auswendig. Sie ist die Leiterin des B2B Institute bei LinkedIn, einer von LinkedIn finanzierten Denkfabrik, die sich mit der Zukunft des B2B-Marketings und der Entscheidungsfindung beschäftigt. Ihre berufliche Laufbahn begann bei Google, wo sie in den Bereichen AdWords und Business Development tätig war. Später führte sie ihre Leidenschaft für Marketing und Strategie zu LinkedIn, wo sie nun Unternehmen dabei unterstützt, durch Forschung und praxisnahe Einblicke langfristige Wachstumsstrategien zu entwickeln.  

Frau Heath, LinkedIn hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Wie sehen Sie diese Entwicklung und welche Rolle spielt LinkedIn im B2B-Marketing? 

LinkedIn hat sich in den letzten zwei bis vier Jahren enorm weiterentwickelt und ist im B2B-Marketing unverzichtbar geworden. Mit über einer Milliarde Mitgliedern weltweit bietet LinkedIn Unternehmen einen beispiellosen Zugang zu professionellen Netzwerken. Unternehmen können datenbasierte Entscheidungen treffen und gezielt die richtigen Personen mit relevanten Inhalten ansprechen. Besonders wichtig ist, dass Marken nicht nur netzwerken, sondern auch ihre Sichtbarkeit erhöhen und in den Köpfen ihrer Zielgruppen präsent bleiben. 

Welche Trends sind für B2B-Marketer laut Ihrer Forschung besonders wichtig? 

Am B2B Institute verfolgen wir einen etwas anderen Ansatz bei Trends. Viele Marketer fragen: „Was gibt es Neues?“ Die bessere Frage lautet jedoch: „Was bleibt gleich?“ Unternehmen sollten in langfristige, unveränderliche Prinzipien investieren. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere 95-5-Regel: 95 Prozent der potenziellen Käufer sind nicht aktiv auf dem Markt, nur 5 Prozent sind bereit, zu kaufen. Viele B2B-Marken konzentrieren sich fälschlicherweise nur auf diese 5 Prozent. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, bei den 95 Prozent, die erst in Zukunft einen Kauf tätigen, im Gedächtnis zu bleiben. 

Können Sie diese 95-5-Regel näher erläutern? 

Der bekannte Marketing-Funnel, den viele verwenden, ist nicht wirklich kundenorientiert. Kunden befinden sich entweder im Markt oder außerhalb des Marktes für eine Lösung. Wenn sie nicht im Markt sind, denken sie nicht an Ihre Marke. Die 95-5-Regel besagt, dass 95 Prozent der Käufer einer Kategorie zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht im Markt sind. Das bedeutet, dass das größte Wachstumspotenzial darin besteht, Menschen zu erreichen, die heute nicht kaufen, aber in Zukunft kaufen werden. Um langfristiges Wachstum zu erzielen, muss man sich also auf Markenbildung konzentrieren, nicht nur auf Lead-Generierung. 

Sie sagen oft, B2B-Unternehmen seien im „Memory Business“. Was meinen Sie damit? 

Im B2B-Marketing geht es darum, erinnerungswürdig zu sein. 95 Prozent der potenziellen Käufer denken nicht an Ihre Marke. Wenn sie aber in einen Kaufprozess eintreten, müssen Sie bereits in ihren Köpfen präsent sein. 92 Prozent der Käufer wählen eine Marke, die ihnen bereits bekannt ist. Daher ist frühe Markenbildung entscheidend, um langfristig auf der Einkaufsliste zu stehen. 

Wie schaffen es Marken in die Köpfe der Menschen? 

Kreativität ist der wichtigste Treiber für die Effektivität von Werbung, vor allem im B2B-Bereich, wo sie oft unterschätzt wird. Viele B2B-Marken investieren nicht genug in kreative, markante Elemente wie Logos oder Farben. Doch gerade diese Elemente sorgen für langfristige Markenwiedererkennung. B2B-Unternehmen sollten mutig sein und ihre Markenidentität klar hervorheben, um nachhaltige Kundenloyalität zu schaffen. 

Wie können sich kleinere Unternehmen in einem von großen Marken dominierten Markt behaupten? 

Kleinere Marken beginnen auf der ersten, während große Marken auf der dritten Base starten. Werbung ist ein Wettbewerbssport. Kleinere Marken müssen kreativer und effizienter sein, um sich von den großen Akteuren abzuheben. Das „Double Jeopardy“-Gesetz besagt, dass kleinere Marken nicht nur weniger Kunden haben, sondern dass diese Kunden oft auch weniger loyal sind. Kreative Branding-Bemühungen bieten eine Möglichkeit, sich zu differenzieren, auch mit kleineren Budgets. 

Was sind die größten Herausforderungen, mit denen CMOs heute konfrontiert sind? 

Eine der größten Herausforderungen für CMOs besteht darin, ihr Budget gegenüber der Geschäftsleitung zu rechtfertigen, insbesondere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Lead-Generierung mit kurzfristigen Ergebnissen erhält oft den größten Teil des Budgets. Aber wir müssen den Wert der Markenbildung und der „Memory Generation“ besser kommunizieren. Eine starke Marke treibt nicht nur den Kaufprozess an, sondern beeinflusst auch den Verkaufserfolg und die Talentakquise. 

Sie haben viele Führungsrollen übernommen. Welchen Rat würden Sie jungen Marketing-Profis geben? 

Der beste Rat, den ich gerne früher bekommen hätte, ist: Nutze die Plattform, auf der du stehst. Oft erkennen wir die Möglichkeiten nicht, die sich uns durch unsere Rolle bieten. Man hat die Chance, einen großen Einfluss zu nehmen, egal in welcher Position man ist. Wenn du eine Plattform hast, nutze sie, um Veränderungen voranzutreiben. 

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.