Während eines Berlin-Aufenthaltes fielen sie uns plötzlich auf: Fahrräder von Lidl, zum Leihen. Als Nicht-Berliner hat man davon höchstens aus Zufall gehört. Getunkt in grau-grünem Anstrich säumen die Bikes – selbstverständlich beklebt mit einem dicken Lidl-Emblem – die Straßen der Hauptstadt. Gemanagt wird das Leihgeschäft allerdings nicht von Lidl selbst, sondern von der Deutschen Bahn beziehungsweise genauer von deren Tochter DB Rent. Die ist seit fast 15 Jahren im Fahrradverleihgeschäft aktiv und stellt rund 13.000 Fahrrädern in 50 Städten bereit. Vor zwei Jahren erlitt DB Rent allerdings bei einer Ausschreibung der Berliner Stadtverwaltung eine herbe Niederlage: So verlor die Bahntochter beim Kampf um Fördermittel des Senats in Höhe von 1,5 Millionen Euro gegen den Leipziger Konkurrenten Nextbike. Seitdem wird das öffentliche Leihfahrradsystem in Berlin von Nextbike betrieben, das laut „Der Tagesspiegel“ bis 2018 an insgesamt 700 Stationen 5500 Räder anbieten will.
Das wollte die Bahn ganz offensichtlich nicht hinnehmen und suchte einfach nach einem Sponsor aus der freien Wirtschaft, der schließlich Lidl wurde. Seit März dieses Jahres lösen nun die rund 3.500 Lidl-Bikes das frühere Call-a-Bike-System der Bahn ab, das lediglich mit etwa 1.800 Rädern bestückt war. Damit ist Lidl-Bike im Vergleich zum DB-Angebot mehr als doppelt so groß. „Gemeinsam mit Lidl bieten wir einen noch größeren und besonders umweltfreundlichen Teil des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin“, sagt Sylvia Lier, Vorsitzende der Geschäftsführung DB Rent.
Teuerer als die Konkurrenz
Mit 15 Euro kostet das Lidl-Bike genau drei Euro mehr als Nextbike, das maximal zwölf Euro pro Tag erhebt. Die Tarife unterscheiden sich allerdings kaum: So erheben beide Anbieter einen Euro pro halbe Stunde. Jedoch dürfen Radfahrer das Nextbike in der ersten halben Stunde kostenlos fahren, für das Lidl-Bike wird für die ersten 30 Minuten hingegen 1,50 Euro erhoben. Anders als Nextbike funktioniert Lidl-Bike ohne feste Stationen und stattdessen mit rund 350 Rücknahmezonen. Die 39 Lidl-Filialen in diesem Gebiet sind maximal 200 Meter von einer Rückgabezone entfernt. Beim Abstellen der Räder in einer dieser Rückgabezonen erhält der Nutzer eine 50 Cent Gutschrift auf seine Rechnung. Stellt man sein Bike außerhalb der Zone ab, wird ein Aufpreis von 50 Cent fällig. Die außerhalb abgestellten Räder können Nutzer dann mit der App finden, mit der sich das Rad auch auf- und zuschließen lässt.
Das Lidl-Bike – mehr als ein Instrument für Werbefahrten?
Doch warum lässt sich Lidl auf eine solche Kooperation ein? Ist es einfach eine Marketing-Aktion – Schleichwerbung auf Rädern – oder könnte Lidl echte Ambitionen haben, in den zukunftsreichen Markt der Mobilität zu investieren? Für Oliver Roll, Professor an der Hochschule Osnabrück für Betriebswirtschaft und internationales Marketing und Gründer von Prof. Roll & Pastuch, ist der Weg von Lidl gar nicht so abwegig: „Ich denke, es gibt drei Kriterien, die sehr gut zeigen, dass hier ein guter Fit für eine Werbemaßnahme vorliegt“, was Roll an folgenden drei Punkten festmacht:
- Reichweite: Die Fahrräder haben eine hohe Reichweite, sind daher als Werbeträger gut geeignet.
- Zielgruppe: Die Fahrräder werden tendenziell von einer jungen, mobilen Zielgruppe genutzt, dies ist sicherlich erstrebenswert. Zusätzlich wird aber auch noch eine Breitenwirkung erreicht, da die Fahrräder von allen gesehen werden.
- Image: Fahrradfahren und Leihfahräder haben ein modernes, hippes, urbanes Image. Dies passt gut zu dem Soll-Image von Lidl.
Insgesamt sehe er also schon durch die Werbung einen guten Fit und würde dies insgesamt als sinnvolle Maßnahme einstufen. „Ob damit auch das Ziel verbunden ist, auch in den Markt der Mobilität vorzudringen, kann natürlich letztlich nur Lidl beantworten. Ich würde das eher nicht erwarten“, schätzt Roll.
Auf Nachfrage antwortet Isabel Lehmann, Presssprecherin von Lidl, dass sie zum jetzigen Zeitpunkt keine Angaben machen könne, ob Lidl mit seinen Rädern auch andere Städte expandieren wolle. Grundsätzlich übernehme Lidl „Verantwortung für Mensch, Natur und Umwelt“ und ermögliche daher mit dem Lidl-Bike „den einfachen Einstieg in die emissionsfreie Mobilität in Berlin.“