Von Annika Grah, dpa und Oliver Schmale, dpa
Von außen wirkt das Gebäude wie ein klassischer Boss-Anzug. Klare Linien, keine Schnörkel, wenig Farbe. Viel mehr Pomp als der alte Backsteinbau, in dem der Fabrikverkauf von Hugo Boss einst untergebracht war, hat der neue „Flagship-Outlet“ nicht zu bieten. Am vergangenen Donnerstag wurde der neue Shop offiziell eröffnet, einkaufen konnte man dort schon ein paar Tage länger.
Was 1972 am Rande der Metzinger Innenstadt als Fabrikverkauf startete und vor allem Schnäppchenjäger anzog, ist heute ein wichtiges Standbein für den Modekonzern. Hugo Boss ist nun umgezogen in einen neuen, 5000 Quadratmeter großen Shop. Wieviel seiner Umsätze Hugo Boss dort in seiner Heimatstadt macht, hält der Konzern zwar geheim.
Vorstandschef Mark Langer verwies jedoch darauf, dass der Bekleidungshersteller rund 20 Prozent seines Konzernumsatzes mit den Outlet-Centern in aller Welt erziele. Im zweiten Quartal jubelte Finanzchef Yves Müller, das Outlet-Geschäft habe sich besser entwickelt als der normale Einzelhandel. Rund um das ursprüngliche Hugo–Boss-Outlet ist längst die Outlet-City Metzingen mit Marken wie Burberry und Versace entstanden. Dort sind inzwischen 1900 Mitarbeiter beschäftigt, alleine 200 bei Hugo Boss.
Über günstigere Restposten neue Käufergruppen finden
Gerade für die edlen Marken haben die Billig-Shops eine wichtige Funktion. Sie dienen dazu, Restposten aus dem Verkauf zu bekommen. „Im normalen Einzelhandel könnten große Namen nie soweit reduzieren, ohne ihrer Marke zu schaden“, sagt Thomas Harms, Partner bei der Wirtschaftsberatung EY. Gleichzeitig seien sie eine Chance, über Angebote neues Publikum zu gewinnen, das sich dann über die Jahre doch die teuren Marken leisten kann.
„Outlets sind nicht überlebenswichtig für die Modekonzerne, aber wichtig, zumal der Umsatz in klassischen Vertriebswegen wie Warenhäusern und große Modekaufhäusern zurückgeht“, sagt auch Joachim Stumpf, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung. „Factory Outlets entwickeln sich besser als der Einzelhandel und besser als Einkaufszentren.“ Dabei zählen nicht nur die Marken, sondern auch der Preis.
„Im Moment erfahren alle Konzepte mit einer starken Preisaussage eine überdurchschnittliche Entwicklung“, sagt Stumpf. Das heißt – wer günstiger ist, zieht Kunden an. Und dabei geht es um Textil-Discounter wie Primark und Kik genauso wie neue Konzepte von Modekonzernen. Im vergangenen Jahr rief der Moderiese H&M, selbst nicht gerade für hochpreisige Kleidungsstücke bekannt, die Outletmarke Afound ins Leben. Bei Afound gibt es zu reduzierten Preisen nicht nur Bekleidung, Schuhe und Accessoires der Marken des H&M-Konzerns, zu dem neben H&M selbst auch Ketten wie Other Stories, Monki oder Cos gehören. Angeboten werden auch Markenartikel anderer Hersteller wie Puma oder Tiger of Sweden.
Städte sperren sich gegen weitere Outlets
Echte Outlet-Center, wo Restposten direkt von den Modekonzernen verkauft wird, sind in Deutschland hingegen seltener als in anderen Ländern. Das liegt auch am Widerstand der Städte. „Die Kommunen gehen sehr restriktiv mit den Genehmigungen um, weil sie ihre Innenstädte schützen wollen“, sagte Stumpf.
In Duisburg beispielsweise wurde ein Outlet-Center mit Hilfe eines Bürgerentscheids gestoppt. Auch in Metzingen gab es vor einigen Jahren Zoff. Die Nachbarstädte Reutlingen und Tübingen pochten darauf, dass eine Obergrenze für die Verkaufsflächen definiert wird.
Inzwischen hat man einen Kompromiss gefunden und freut sich über den Publikumsmagneten. Vor allem Restaurants und Bäckereien profitieren von den Touristen, die es in die Stadt zieht. Für die Händler in der Innenstadt sei die Outlet-City mit prominenten Marken keine Konkurrenz für den Einzelhandel, heißt es nicht nur bei der Stadt Metzingen sondern auch bei der IHK für die gesamte Region. Im Gegenteil – wer dort nicht fündig werde, bummle vielleicht doch noch einmal durch die alte Einkaufsstraße in der kleinen Stadt am Fuße der Schwäbischen Alb, wo es ihn sonst wohl kaum hinverschlagen hätte.