Der gigantische Exportüberschuss Chinas hat über die Jahre zu Devisenreserven in Form amerikanischer Staatsanleihen von gut 600 Milliarden Dollar geführt. Das ist mehr als ausreichend Geld um Kraftwerke, Flugzeuge, Erdöl und Stahl für die nächsten Jahrzehnte zu kaufen. Das ist aber auch ausreichend Geld, um chinesischen Unternehmen die ersten Gehversuche auf dem globalen Parkett zu ermöglichen. Denn: Wer in der internationalen Arena nicht bestehen kann wird nicht überleben, so die Binsenwahrheit und der Alptraum vieler chinesischer Unternehmer zugleich …
In China lernt man schnell. „Made in China“ kennzeichnet schon lange nicht mehr minderwertige Ware. Längst kann man im Reich der Mitte mehr als nur Textilien, Spielzeug, Kühlschränke und Mikrowellenöfen billiger und besser herstellen als anderswo. Und viele chinesische Unternehmer wollen auch nicht mehr länger als Auftragslieferant im Ertragsschatten ihrer Auftraggeber stehen …
Wer in China bislang die Lösung aller seiner Kosten- und Absatzprobleme sah, muss umdenken: Die Shanghai Automotive Company hat im letzten Jahr den koreanischen Wettbewerber und SUV Spezialisten Ssangyong Motor für eine halbe Milliarde Dollar gekauft und verhandelt gerade über den Erwerb von Rover. Und, die Ankündigung der eher unbedeutenden chinesischen Chery Automobile Company im übernächsten Jahr 250.000 Billig-Autos nach Amerika zu exportieren hat in der Industrie Schock- und Belustigungswellen zugleich erzeugt …
All zu oft wird die Beharrlichkeit der Chinesen im Wettbewerb zu bestehen unterschätzt. Die chinesischen Kinder lernen schon von klein auf die Konkurrenz auszuspielen. In den Bussen zur Schule, zum Beispiel, gibt es nicht ausreichend Stehplätze für alle und wer einen Sitzplatz ergattert ist der Held. Früher Aufstehen und eine oder zwei Stationen vorher einsteigen ist eine von vielen probaten Erfolgsstrategien. Das haben Nokia, Motorola und Siemens Mobile in den letzten Jahren bitter erfahren müssen. Die vormals nahezu unbedeutenden chinesischen Herausforderer halten heute die Mehrheit der Marktanteile …
Seit Ende Dezember zeichnet sich ab, dass die chinesische Lenovo das kränkelnde Personal Computer Geschäft von IBM übernehmen soll – einschließlich der weltweiten Markenrechte. 1.25 Milliarden Dollar beträgt der Kaufpreis. Dieser Betrag markiert die höchste Summe, die ein chinesisches Unternehmen bislang für eine Akquisition im Ausland ausgegeben hat. Lenovo ist Marktführer in China und produziert schon jetzt jedes fünfte PC-Motherboard auf diesem Planeten. Zur Zeit wird allerdings heftig darüber diskutiert ob Lenovo nicht ein oder zwei Nummern zu groß eingekauft hat. Das ist aber völlig egal. Denn: Ein Fehlschlag ist für die Chinesen noch lange kein Fehlschlag. Wenn wir von Quartalen sprechen, dann denken chinesische Unternehmer in Generationen …
Lernt chinesisch! Seinen Herausforderer genau zu kennen hat der legendäre General Sun-tsu schon vor 2.000 Jahren dringend geraten. Allen Mythen zum Trotz ist Chinesisch eine der einfachsten Sprachen der Welt und öffnet die wohl größte kulturelle Schatztruhe der Menschheit. Und, wer weiß, vielleicht wird die übernächste Computergeneration in Chinesisch programmiert …
Über den Autor: Tom Ramoser ist Partner und Head of the Global Strategic Brand Development Group bei Roland Berger.