Sie studierte in Mannheim BWL, lebte für ein Semester in Japan und bekam sofort nach ihrem Bachelorabschluss eine Anstellung bei einer Unternehmensberatung. Nach sechs Monaten wechselte Cramer zum Rabatt-Coupon-Anbieter „Groupon“, lernte unter den Samwer-Brüdern das Business kennen und bekam die Verantwortung für den Geschäftsbereich Asien. Mit 24 Jahren dann das ganz große Ding: die Verantwortung für 1 200 Mitarbeiter und der Titel des Vice President International. Mit Anfang 20 pendelt Lea-Sophie Cramer fast täglich zwischen elf asiatischen Ländern. Eine rasante Fahrt, die in einem Start-up in Berlin endete.
Frau Cramer, ihre Karriere startete bei Groupon. Wie kam es dazu, dass sie direkt so eine große Verantwortung für den Geschäftsbereich Asien übertragen bekommen haben?
LEA-SOPHIE-CRAMER: Ich glaube daran, dass zum Erfolg drei Dinge zusammenkommen müssen: willingness, ability und opportunity – also der Wille, die Eignung und natürlich die Chance und Möglichkeit. Die Bedingungen waren super, da Groupon gerade Citydeal gekauft hatte und das Geschäft internationalisiert werden sollte. Den Willen habe ich auf jeden Fall mitgebracht und die Eignung hat mein Chef anscheinend gesehen.
Und haben Sie direkt den ganzen Geschäftsbereich übernommen?
Ich habe erst mal ein Land nach dem anderen verantwortet, und nachdem das ganz erfolgreich war, wurden es mehr. Ich hatte aber noch nie Angst vor zu großen Herausforderungen oder vor Verantwortung – im Gegenteil, ich liebe Probleme und auch, Verantwortung dafür zu tragen.
Erinnern Sie sich daran, wie sie das erste Mal jemandem von Amorelie.de erzählten?
Ja, meiner Familie natürlich. Sie waren die ersten, mit denen ich darüber diskutiert habe.
Wie war die Reaktion?
Ich weiß noch, dass ich es meiner Großmutter erzählte habe und sie sagte: „Du hattest doch diese Zubehör-Idee für Tiere … möchtest du nicht lieber damit etwas machen? Na ja, solange du damit glücklich bist und denkst, dass das was wird.“
Laut einer Studie reagieren Frauen in Führungspositionen besser auf zukünftige Veränderungen, gestehen sich eher Fehler ein und sind besser in Kommunikationsdingen. Würden Sie das bestätigen?
Als Chef muss man generell auf Veränderungen eingehen. Da spielt es keine Rolle, ob man männlich oder weiblich ist. Ich glaube, dass jede Chefin und jeder Chef Schwächen hat, und an denen gilt es zu arbeiten.
Was können Frauen in höheren Positionen besser als Männer?
Frauen kommunizieren durchaus anders als Männer, das würde ich bestätigen, aber ohne es zu werten. Mein Mitgründer Sebastian und ich sind ein gemischtes Gründerteam und sehen vor allem die vielen Vorteile, die diese Kombination und die beiden Blickwinkel mit sich bringen. So kann man sich gegenseitig ergänzen und ausgleichen.
Wie ist es als Frau in einem männerdominierten Berufsfeld?
Meine Erfahrungen sind durchweg positiv. Von der Ansprache oder Akzeptanz hat sich nichts im Vergleich zu meinem vorherigen Job zum Beispiel bei Groupon geändert. Zugegebenermaßen macht man sich im Vorfeld schon Gedanken, aber das geht wohl jedem so, der einen Neuanfang wagt, egal in welcher Branche.
Was darf denn bei so einem Neuanfang nicht fehlen?
Man darf einfach keine Angst vor ungewohnten Situationen haben, auch der gewisse Ehrgeiz darf nicht fehlen. Ich fühle mich sehr wohl in meiner Position.
Was müsste passieren, damit sich mehr Frauen trauen, im Bereich Onlinemarketing Fuß zu fassen?
Der Onlinemarketing-Bereich ist sehr analytisch und auf Zahlen fokussiert. Viele Mädchen und junge Frauen haben noch eine unnatürliche Scheu davor, da ihnen in der Schule oftmals gesagt wird, dass sie nicht so gut in naturwissenschaftlichen Fächern sind. Zudem gibt es zu wenige Studienfelder, in denen wirklich dezidiert auf das Thema Onlinemarketing eingegangen wird. Nur ein kleiner Teil weiß wirklich, wie die genauen Aufgabenfelder im Online Marketing aussehen. Unser CMO, der für Online-/Performancemarketing verantwortlich ist, ist übrigens eine Frau.
Welche zwei Tipps würden Sie jungen Start-up-Unternehmerinnen mit auf den Weg geben? Auf was sollten sie besonders achten?
Ich priorisiere jeden Abend die wichtigsten Dinge, die am nächsten Tag noch zusätzlich zu den Wochen- und Monatszielen gemacht werden müssen. Dadurch entsteht automatisch eine Reihenfolge der Aufgaben, und daran können sich meine Mitarbeiter und ich orientieren. Man sollte sich immer wieder die Frage stellen: „Was ist aktuell das Wichtigste, das mein Unternehmen gerade am meisten nach vorne bringt?“. Das wäre mein erster Tipp. Der zweite ist einfach: Man sollte Spaß an dem haben, was man tut, und enthusiastisch und überzeugt von seinem Handeln sein. So ist es einfacher, andere zu motivieren oder auch Kooperationsmöglichkeiten mit neuen Partnern auszuhandeln.