Im Jahr 2022 lag der Pro-Kopf-Konsum von Speiseeis bei über acht Litern – und die Sommer werden immer heißer. Eis dürfte also nicht grundsätzlich an Beliebtheit verlieren. Umso wichtiger ist es jetzt für Eismarken, zu hinterfragen, wie sie das Eis brechen können, um neue Kund*innen zu gewinnen und an sich zu binden. Denn, auch wenn die Marken Langnese, Magnum und Ben & Jerry’s alle drei zum Unilever-Konzern gehören, konkurrieren ihre Produkte im Lebensmittelhandel direkt um das Interesse der Kund*innen. Ihre Strategien könnten kaum unterschiedlicher sein.
Magnum – #Notavailableinthemetaverse
Immer mehr Unternehmen greifen in ihrer Kommunikation die Innovationen rund um das Metaverse auf und werben genau damit, auch, um Kund*innen zu signalisieren, mit der Zeit zu gehen. Doch nicht für alle Produktarten kann im Metaverse eine Alternative gefunden werden. Genau das nutzt die aktuelle Kampagne von Magnum. Unter dem Hashtag #Notavailableinthemetaverse erschien kürzlich ein Werbefilm, der mit einem der derzeit wohl größten Themen im Marketing spielt.
In dem Video wird eine Frau in Großstadtumgebung dargestellt, die sich im Metaverse befindet. Sie versucht, dem Metaverse zu entfliehen und in die Realität zurückzukehren, um endlich ein Magnum-Eis genießen zu können. „Rotate your phone to immerse yourself in Luna’s Metaverse. But remember, nothing compares to the pleasures of the real world“ – heißt es unter dem Instagram-Beitrag, in dem Magnum das Kampagnenvideo veröffentlicht. Zu Deutsch: Dreh dein Handy, um in die Metaverse-Welt von Luna einzutauchen, aber vergiss nicht: nichts ist so gut wie die Genussmittel der echten Welt.
Mit dieser Kampagne bewirbt Magnum nicht nur den Wert seines Produktes, sondern vermittelt auch humorvolle Kritik an der gesellschaftlichen Entfremdung von der realen Welt. Mit der Kampagne dürfte vor allem die junge Zielgruppe gut erreicht werden: Gegenüber Langnese mit circa 7750 Follower*innen und Ben & Jerry’s mit 81.500 Follower*innen erreicht der Instagram-Account von Magnum stattliche 552.000 Follower*innen.
Ein junger Popstar und ganz viel Nostalgie
Auch Langnese startet mit einer neuen Kampagne in die Eissaison. Anders als Magnum setzt Langnese dabei weniger auf die Zukunft, sondern spielt mit der Vergangenheit und dem Gefühl von Nostalgie. Der Kulthit „Ice in the Sunshine“ von Beagle Ltd. war schon nach seiner Veröffentlichung 1986 Soundtrack eines Langnese-Werbefilms. Jetzt, fast 40 Jahre später, greift Langnese das Gefühl von Sommer neu auf und veröffentlicht in Kooperation mit Universal Music und „UMG for Brands“ Ende April eine neue Version des Kulthits.
Dabei wirkt das Ganze keineswegs verstaubt – denn, um auch die jüngere Zielgruppe anzusprechen, wird der Remake von dem deutschen Popstar Nico Santos gesungen. Der 30-Jährige schwärmt selbst: „Der Song versetzt mich sofort wieder zurück in die vielen unvergesslichen Sommer meiner Kindheit.“ Die Premiere des Remakes und der Fernsehwerbung kündigt Langnese auf Instagram für den 28. April 2023 an.
Keine neue Kampagne – aber konsequent politisch
Ben & Jerry’s ist nicht nur für außergewöhnliche und kreative Eiskreationen bekannt, sondern auch für sein gesellschaftliches Engagement. Ob im Rahmen der Diskussion um die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe, bei der Black Lives Matter-Bewegung oder im Kampf gegen den Klimawandel: immer wieder in den letzten Jahren hat Ben & Jerry’s seine Markenposition genutzt, um öffentlich Druck auszuüben.
Auch jetzt verpflichtet sich die Marke in ihrer Kommunikation zu politischen Statements – mit Humor, aber auch mit Ernsthaftigkeit. Ein Blick auf den Instagramkanal des Eiscremeherstellers zeigt neben herkömmlicher Werbung vor allem politische Memes und informative Beiträge über Menschenrechtsangelegenheiten. Damit trifft Ben & Jerry’s den Zahn der Zeit und sendet der jungen Zielgruppe das klare Signal, sich nicht von den politischen Werten und den aktuellen gesellschaftlichen Problemen abzugrenzen, sondern sich für Verbesserungen einzusetzen.
Zuletzt geriet Ben & Jerry’s jedoch in die Kritik: Der Hersteller erhielt 2014 ein Fairtrade-Label und wirbt seitdem mit der Auszeichnung. Das Label soll Verbraucher*innen dabei helfen, zu erkennen, unter welchen Bedingungen das Produkt hergestellt wurde. Im Februar 2023 veröffentlichte die „New York Times“ jedoch Berichte, aus denen hervorgeht, dass es in einigen Lieferketten großer US-Unternehmen zu Fällen von Kinderarbeit gekommen ist – betroffen ist auch Ben & Jerry’s. Die Marke reagierte umgehend mit Bedauern und dem Versprechen, die Fälle aufzuarbeiten und sich dafür einzusetzen, dass so etwas in ihrem Konzern nie wieder möglich sei. Dieser Skandal überschattet die Kampagnen des Eiscremeherstellers, in denen es doch sonst immer – und auch in diesem Jahr wieder – um soziale Gerechtigkeit und soziales Engagement geht. Ob die sonst sehr gradlinige politische Kommunikation die Vorfälle in den USA aus der Markenwahrnehmung verdrängen, bleibt offen.