Land der Hater und Hetzer 

Corporate Creator geraten bei der Kommunikation von Unternehmens- und Markenwerten zunehmend unter digitales Dauerfeuer von Hass und Hetze. Ihrem Stress und ihrer Angst gebührt mehr Aufmerksamkeit. 
Hate
Gerald Hensel hat die NGO HateAid mitgegründet und engagiert sich gegen Gewalt und Desinformation im Netz. (© Saskia Uppenkamp )

Hass und Hetze im Netz plagen nicht nur Privatpersonen, sondern zunehmend auch Unternehmen und die, die für sie arbeiten. Mit zunehmendem Selbstbewusstsein einer autoritären Gegenöffentlichkeit steigt auch die Lust auf Übergriffe im Netz. Beleidigt und bedroht werden nicht mehr „nur“ Einzelne, sondern auch die, die Corporate Content schaffen und umsetzen, Social-Media-Teams oder Corporate Creator.  

Die bittere Ironie des Ganzen: Die Menschen hinter dem Unternehmens-Content treten meist nicht als Individuen in Erscheinung. Sie repräsentieren Organisationen und absorbieren damit tagtäglich jede Variante von digitaler Aggression gegen ihre Arbeitgeber. 

Angriffe gegen das Gendern, Diversity und grüne Themen 

Leider braucht es im Land der Hater und Hetzer nicht viel, um in Kommentarspalten jeden Restverdacht von Bürgerlichkeit über Bord zu werfen. Von der omnipräsenten Schnappatmung, wenn ein Konzern mal wieder zu gendern wagt, über hässliche Übergriffe, wenn das Kampagnen-Model schwarz war oder im Rollstuhl saß, bis hin zu wütenden Übergriffen bei Themen wie „Grüne Energiewende“.  

Fast jedes Echtzeit-Content-Team in einem halbwegs großen deutschen Unternehmen dürfte seine Erfahrungen mit diesen Leuten gemacht haben. Je mehr sich Unternehmen dabei an Otto Normalverbraucher als Zielgruppe richten, umso wahrscheinlicher sind solche Ausfälle. Denn die, die glauben, für „das Volk“ zu sprechen, glauben hier einen besonders effektiven Hebel gefunden zu haben. 

Mob-Mentalität im Netz 

Um als Unternehmen ins Fadenkreuz zu geraten, braucht es tatsächlich nicht viel. Das Horrorkabinett aus rechtsextremem Umfeld, Impfesoteriker*innen, Wutbürger*innen und Putin-Fans weiß mittlerweile recht genau, welche Knöpfe es drücken muss – gerne angefeuert durch einschlägige Communitys und Blogs.  

Unternehmen sind eben auch Symbole. Je mehr sie sich in Sachen Weltanschauung exponieren und die verhasste offene Gesellschaft unterstützen, umso mehr müssen sie dafür auch gestraft werden. Und gestraft wird heute in Form von Echtzeit-Stress und der einen oder anderen Drohung. Nein. Mob-Mentalität ist auch im Netz nicht sehr subtil. 

Keine Konzepte für gestresste Mitarbeitende im Krisenfall 

Die Hauptleidtragenden? Das sind tatsächlich die Content- und Social-Media-Teams, die Creator und Models, die all das ertragen müssen. Sie werden fast nie thematisiert, wenn mal wieder ein Corporate Shitstorm durch die Medien gezogen wird. Auch in den Organisationen selbst stehen sie neben dem Management der Krise meist nicht im Fokus. Unternehmen haben oft keine Konzepte, wie sie den Stress ihrer Mitarbeiter*innen und Dienstleister*innen im Krisenfall managen sollen.  

Dabei braucht es hier klaren Blick, klare Haltung und die nötige Aufmerksamkeit. Denn diese Leute sind es, die Markenwerte in Content verpacken und im Zweifel auch verteidigen müssen. Ihrem Stress und ihrer Angst gebührt mehr Aufmerksamkeit. Man muss ihnen nur mal zuhören. 

Gerald Hensel ist Managing Partner der Marketingberatung Superspring. Der Kolumnist hat die NGO HateAid mitgegründet und setzt sich seit vielen Jahren aktiv gegen Gewalt und Desinformation im Netz ein.