„Im Handel wird nach wie vor gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist“, sagt Frank Horst, Sicherheitsexperte vom EHI Retail Institut. Das Forschungs- und Beratungsinstitut untersucht jährlich die Inventurdifferenzen der Einzelhändler, aus denen sich Rückschlüsse auf die Diebstahlsquoten ziehen lassen. „Trotz aufwändiger Präventionsmaßnahmen summieren sich die Verluste 2018 auf 4,3 Milliarden Euro, das waren fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Auf organisatorische Mängel wie falsche Preisauszeichnungen oder nicht erfassten Bruch und Verderb entfallen davon rund 560 Millionen Euro. Der Löwenanteil von 3,75 Milliarden Euro, sieben Prozent mehr als im Vorjahr, sind schaden durch Diebstahl.
Statistisch betrachtet entfällt auf jeden deutschen Haushalt jährlich ein Warenwert von 60 Euro, der nicht bezahlt wird. Doch wer steckt tatsächlich hinter den Diebstählen im Milliardenwert? Für knapp 2,4 Milliarden Euro Schaden sind Kunden verantwortlich, gut eine Milliarde Euro wird den eigenen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen angelastet und 350 Millionen Euro Lieferanten und Servicekräften. Begünstigt wird der Ladendiebstahl laut EHI durch zwei Trends im Handel: längere Öffnungszeiten bei gleichzeitig geringerer personeller Besetzung im Verkaufs- und Sicherheitsbereich.
Schaden im Lebensmittelhandel am größten
Die Studie „Inventurdifferenzen 2019“ gibt auch Auskunft über die „beliebtesten“ Diebesgüter: Im Lebensmittelhandel, dem wertmäßig beliebtesten Ziel von Dieben, sind dies Spirituosen und in Drogerien Parfüm und Kosmetik. In Modegeschäften werden vor allem hochwertige Markenbekleidung, Jeans und Turnschuhe gestohlen, im Elektronikhandel Konsolenspiele, Smartphones und Speicherkarten und im Baumarkt Akkuschrauber und anderes Werkzeug. Im Branchenvergleich stellen Baumärkte und Drogeriemärkte überdurchschnittliche Bestandsdifferenzen bei der Jahresinventur fest. „Generell gilt: Was sich gut verkauft, wird auch oft geklaut“, heißt es in der EHI-Studie.
Einen Rückgang verzeichnet die Untersuchung bei der Zahl der angezeigten Delikte: Laut der polizeilichen Kriminalstatistik sind diese 2018 um 4,1 Prozent auf rund 339.000 Fälle gesunken. Allerdings ist diese Zahl nur bedingt aussagekräftig, denn die Dunkelziffer der nicht angezeigten Diebstähle liegt bei 98 Prozent. Viele Bagatellfälle werden entweder zunächst gar nicht entdeckt oder nicht von den Händlern zur Anzeige gebracht. Nach Angaben des EHI sind das jährlich rund 23 Millionen Ladendiebstähle.
Organisierte Banden stellen Händler vor Probleme
Die Polizei unterscheidet zwischen einfachem und schwerem Ladendiebstahl; letzterer ist etwa durch einen vorausgegangenen Einbruch oder eine gewerbsmäßige Organisation gekennzeichnet. Organisierte Banden stellen in der Tat ein immer größeres Problem für die Händler dar: Während die Zahl einfacher Ladendiebstähle zuletzt kontinuierlich gesunken ist, haben sich schwere Ladendiebstähle in den vergangenen zwölf Jahren nahezu verdreifacht.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) hat in der Vergangenheit wiederholt eine intensivere Strafverfolgung von Ladendieben, insbesondere von kriminellen Diebesbanden, sowie härtere Strafen für die Täter gefordert. Zudem sollten die Möglichkeiten zur Einstellung von Verfahren reduziert und eine zentrale Bearbeitung von Delikten eingeführt werden.
Um einem noch größeren Schaden durch den Diebstahl von Waren vorzubeugen, investieren die Unternehmen rund 1,45 Milliarden Euro in Präventions- und Sicherungsmaßnahmen. Dabei stehen Mitarbeiterschulungen an erster Stelle. Vier von fünf Händler setzen zudem auf Kameraüberwachung.
Insgesamt gehen dem Handel durch Inventurdifferenzen und Investitionen zur Prävention rund 1,3 Prozent seines Umsatzes verloren.
Methodik: An der Untersuchung des EHI haben sich 95 Unternehmen mit insgesamt 22.551 Verkaufsstellen und einem Gesamtumsatz von rund 98 Milliarden Euro beteiligt.