Herr Dr. Herbertz, was halten Sie für sinnvoller: Deutsche Vertriebsmitarbeiter in einem ausländischen Zielmarkt auszubilden oder Inländer aus diesem Zielmarkt so zu schulen, dass sie vor Ort für das deutsche Unternehmen den Vertrieb übernehmen können?
HERBERTZ: Das hängt von der Art der Zielunternehmen und der Ansprechpartner in diesen Unternehmen ab. Ist beabsichtigt, primär an ausländische Unternehmen im Zielland zu verkaufen – wenn beispielsweise ein deutsches Unternehmen beabsichtigt, an andere europäische und/oder nordamerikanische Unternehmen in China zu verkaufen – und sind darüber hinaus die Ansprechpartner in diesen Zielunternehmen im Zielland europäisch oder amerikanisch, so besteht die eindeutig erfolgreichere Methode darin, die deutschen Vertriebsmitarbeiter für diese Tätigkeit im Zielmarkt auszubilden und zu entsenden.
Die Fähigkeiten sind also in einer Schulung zu vermitteln?
HERBERTZ: Meine persönliche Erfahrung ist, dass eine erfolgreiche Vertriebstätigkeit in einem internationalen Umfeld nur sehr begrenzt trainierbar ist. Viel hängt ab von der Ausprägung der Persönlichkeit und Faktoren wie Neugierde, Frustrationstoleranz, Anpassungsfähigkeit, Mobilität, Fremdsprachenfähigkeiten – nicht nur fürs Geschäftliche –, Empathie, Teamfähigkeit oder Belastbarkeit. Die richtige Mischung ist schwer zu beschreiben, es gibt einfach Persönlichkeiten, denen man aufgrund ihres geschickten, aufmerksamen und respektvollen Auftretens gerne überall auf der Welt zuhört. Sie weisen kulturelle Sensibilität auf und eignen sich das spezifische Markt-, Produkt- und Servicewissen entweder an oder ziehen lokale Experten hinzu, wenn erforderlich. Sind Zielunternehmen und Ansprechpartner lokaler Art und Herkunft, so ist es erfolgreicher, mit gut ausgebildeten lokalen Vertriebsmitarbeitern zu arbeiten.
Wovon hängt ab, für welche der beiden Lösungen sich ein Unternehmen entscheiden sollte?
HERBERTZ: Neben den beiden puristischen Lösungen bildet sich in der Praxis eher ein Mix heraus, in dem deutsche und lokale Vertriebsmitarbeiter aus dem Zielland in Teams zusammenarbeiten – jedenfalls in den Fällen, in denen bereits eine lokale Vertriebsorganisation besteht. Ferner spielt auch die Industrie eine Rolle, in der sich das Unternehmen bewegt. Investitionsgüter werden zum Beispiel in der Regel von entsendeten Mitarbeitern vertrieben, denen lediglich lokale Mitarbeitern – verdeckt oder offen – an verschiedenen Stellen im Vertriebsprozess assistieren.
Was ist Ihrer Erfahrung nach die erfolgreichste Methode, Mitarbeiter für internationale Aufgaben zu befähigen?
HERBERTZ: Vorausgesetzt die Mitarbeiter sind mobil, sollten sie mindestens ein Jahr im Zielland leben bevor sie mit ihrer Vertriebstätigkeit beginnen und sich mit der ungewohnten Umgebung vertraut machen. Nach meiner Erfahrung können Vorbereitungskurse, wie „Interkulturelles Management“, keinesfalls die Lebenserfahrung im Zielland ersetzen, die nötig ist, um dort erfolgreich im Vertrieb tätig zu sein. Dies gilt auch für den Fall, dass die Hauptansprechpartner beim Kunden primär ebenfalls nicht aus dem Zielland stammen, zum Teil aber bereits seit Jahren dort leben und in unterschiedlichem Ausmaß assimiliert sind.
Welches sind die Kernpunkte, die deutsche Unternehmen bei der Ausbildung ihres internationalen Vertriebspersonals insbesondere für asiatische Märkte beachten sollten?
HERBERTZ: Speziell wenn Sie Vertriebseinsätze im asiatischen Raum vorbereiten, gilt das gerade Gesagte: Zum einen ist es unerlässlich, in Asien zu leben und zu reisen, und zum anderen ist es von größter Bedeutung, die „richtige“ Persönlichkeit sorgfältig auszuwählen. Die Fragen stellte Vera Hermes
Welche Erfolgsfaktoren das Auslandsgeschäft deutscher Unternehmen darüberhinaus beflügeln, lesen Sie in der diesjährigen absatzwirtschaft-Sonderausgabe „Vertrieb 2008“, die am 27. Mai parallel zur regulären Juni-Ausgabe erscheint.