Purpose: im Mittelpunkt einer Organisation
Wer den Organisationsumbau lostreten will, für den gilt es zunächst, den Sinn und Zweck des Unternehmens zu definieren. Das hat mit den Visionsformulierungen und Leitbildern von früher, oft Mission Statements genannt, ganz wenig zu tun. Die sind Kommunikationsprosa für die Öffentlichkeit, an die intern sowieso niemand glaubt. Sie müssen zunächst neu gedacht und dann neu formuliert werden. Toptalente und auch die Kunden erwarten heute, dass ein Unternehmen hehrere Ziele verfolgt als Marktführerschaft und Maximalrenditen. Sie wollen wissen, welchen Nutzwert ein Anbieter für die Welt und die Menschen bietet. So sagt Google eben nicht, wie Old-School-Unternehmen das täten: „Wir sind der größte Suchmaschinenbetreiber der Welt“, sondern: „Wir organisieren die Informationen der Welt.“ Dieser Nutzwert, der Daseinssinn, das Warum eines Unternehmens heißt im Englischen „Purpose“. Dieser „Purpose“ ist so attraktiv, dass man die Produkte des jeweiligen Anbieters besitzen, dessen Services nutzen und/oder mit ihm zusammenarbeiten möchte. Als Kunde, Mitarbeiter und Lieferant will man ein solches Ökosystem liebend gern unterstützen, ein Teil dessen sein und mit Stolz darüber berichten.
Customer Obsession: Vom Kunden her denken und handeln
Während übliche Manager vor allem an den Wettbewerb, ihre Quartalsziele und die Kosten denken, haben kluge Unternehmer längst verstanden, dass sich alles um die Kunden (und ihre Daten) dreht. Sie suchen gezielt nach Problemen und einer passenden Lösung dafür. „Vom Kunden her denken“ nennen sie das. Auch Amazon folgt diesem Weg. Wer je bei einem verzwickten Anliegen mit deren Kundenservice zu tun hatte, der weiß, was ich meine. „Wir sehen uns als Erfinder, die die Welt für ihre Kunden besser machen wollen“, sagt Jeff Wilke, Amazon-CEO und zweiter Mann nach Jeff Bezos, in einem Wirtschaftswoche-Interview. „In jedem Land, in dem ich unterwegs bin, informiere ich mich zuerst darüber, wie es dort mit der Kundenzufriedenheit aussieht. Erst dann schaue ich mir die Umsatzzahlen an.“ Kundenwünsche steuern heute die Unternehmen. Was die Kunden “disliken”, fällt durch. Was sie hingegen in den Himmel loben, kann Weltruhm erlangen. Durch digitale Anwendungsprogramme beschleunigt, sind sie unglaublich schnell unterwegs. Ihre Erwartungen steigen täglich. Messlatte ist aus ihrer Sicht nicht der Wettbewerb, sondern branchenübergreifend der Beste seines Fachs.
An den Touchpoints: kundenzentriert statt prozessbesessen
Tradierte Unternehmen hecheln dem, was Interessenten und Konsumenten heute wünschen und wollen, meist nur hinterher. Viele werden diesen Wettlauf verlieren. Die Bremskraft ihrer Strukturen, die Trägheit ihrer Prozesse und veraltete Mindsets werfen sie aus dem Rennen. Sie sind vor allem gut darin, Vorgehensweisen mühsam zu machen, ihren Kunden Zeit zu stehlen und ihnen ein schlechtes Gefühl zu geben. Früher haben die Kunden sowas murrend ertragen. Aber diese Zeiten sind lange vorbei. So wird sich das Marketing, das vielfach immer mehr zur Werbeschleuder und zum Datenjunkie verkommt, schnellstens neu aufstellen müssen. Silodenke, isolierte Aktivitäten und Bereichsegoismen sind nicht mehr tragbar. Experten aus den einzelnen Disziplinen werden sich um Kundengruppen und -projekte scharen und das Bestmögliche für die Kunden tun. Alle Aktivitäten an den einzelnen Touchpoints sind dabei synchronisiert. Customer Touchpoint Manager werden das steuern. Kernaufgabe des Customer Touchpoint Managers ist es, als Brückenbauer an den externen Touchpoints des Unternehmens, also den Berührungspunkten zwischen Produkten, Services, Marken, Mitarbeitern, Portalen und Kunden, eine hundertprozentige Kundenfokussierung zu erreichen. Diese Funktion ist crossfunktional. Ihr Ziel ist die Transformation des gesamten Unternehmens hin zu einer vernetzen, kundenorientierten Organisation.
Anne M. Schüller, Alex T. Steffen
Fit für die Next Economy
Zukunftsfähig mit den Digital Natives